Armin Tille
T. ist sowohl als Historiker als auch als Archivar hervorgetreten. Seine bleibenden Leistungen liegen vor allem auf dem archivalischen Gebiet. Beispielsweise entwickelte er eine Methode für das Verzeichnen von an verstreuten Stellen befindlichen Archivalien und organisierte das Archivwesen in Thüringen sowie den einschlägigen Unterricht für historisch interessierte Laien, namentlich für Lehrer. – Seinen ersten Unterricht erhielt T. 1876 bis 1879 in der Volksschule von Dürrweitzschen bei Leisnig, dem damaligen Dienstort des Vaters. Nach weiteren drei Jahren väterlichen Privatunterrichts besuchte er ab 1882 das Progymnasium und 1884 bis 1890 die Fürstenschule in Grimma. Anschließend studierte er 1890 bis 1894 an der Universität Leipzig Geschichte (bei Karl Lamprecht), germanische Philologie und Philosophie, später auch Nationalökonomie (1894/95). Seinen Militärdienst absolvierte T. 1890/91 als Einjährig-Freiwilliger bei einem Infanterieregiment in Leipzig. 1894 promovierte er an der Leipziger Universität über „Die bäuerliche Wirtschaftsverfassung des Vintschgaues vornehmlich in der zweiten Hälfte des Mittelalters“. 1895 bis 1899 stand T. im Dienst der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde in Köln, die ihn mit der Inventarisierung der kleineren Archive (Pfarr-, Gemeinde- und Privatarchive) der Rheinprovinz beauftragte. Zugleich absolvierte er am Kölner Stadtarchiv eine Ausbildung zum Archivar. Als freier Schriftsteller ging er 1899 nach Leipzig zurück. Dort begründete er noch im selben Jahr die „Deutschen Geschichtsblätter. Monatsschrift zur Förderung der landesgeschichtlichen Forschung“, die er bis 1919 herausgab. 1903 übernahm er auch die Herausgabe der „Deutschen Landesgeschichten“ in der 3. Abteilung der „Allgemeinen Staatsgeschichte“. Ebenfalls 1903 bemühte er sich mit der Schrift „Leipzigs Verkehrslage bis zum Ende des 14. Jahrhunderts“ ohne Erfolg um die Zulassung zur Habilitation für die „mittlere und neuere Geschichte“ an der Universität Leipzig. Ein späterer Versuch an der Universität Halle-Wittenberg scheiterte ebenfalls. 1904 war T. an der Gründung der Zentralstelle für deutsche Personen- und Familiengeschichte in Leipzig beteiligt. In Dresden arbeitete er 1907 bis 1913 als Landtagsbibliothekar und war Vorstandsmitglied bzw. Leiter der Ortsgruppe des nationalistischen Alldeutschen Verbands, in dessen Gesamtvorstand er 1911 gewählt wurde. 1913 bis 1934 war T. Vorstand des Ernestinischen Gesamtarchivs und des Geheimen Haupt- und Staatsarchivs in Weimar bzw. Direktor des Staatsarchivs Weimar. Zugleich war er ab 1926 bis zu seinem Eintritt in den Ruhestand 1934 Direktor der Thüringischen Staatsarchive. – T. unternahm zahlreiche Reisen durch ganz Deutschland, namentlich in die geschichtlich wichtigen Städte und in die Mittelgebirge. Er beteiligte sich an den Deutschen Historikertagen, den Versammlungen des Gesamtvereins der deutschen Geschichts- und Altertumsvereine und den Deutschen Archivtagen. Mit den „Deutschen Geschichtsblättern“ kreierte er den Typus einer Fachzeitschrift, die nicht nur am fachlichen Thema, sondern auch am Leserinteresse orientiert war. Seit 1901 war T. Mitarbeiter für deutsche Geschichte bei „Meyers Konversationslexikon“. Er war Ehrenmitglied des Vereins für die Geschichte Leipzigs (1917) und der Zentralstelle für deutsche Personen- und Familiengeschichte (1923), Mitglied der Gesellschaft für Rheinische Geschichtskunde (1898), auswärtiges Mitglied der Akademie gemeinnütziger Wissenschaften in Erfurt (1915), Ausschussmitglied des Vereins für Reformationsgeschichte (1918) und des Vereins für thüringische Geschichte (1914). Für seine Verdienste wurde T. vielfach geehrt. Unter anderem war er Träger der Medaille für verdienstvolle Leistungen der Gesellschaft für Geschichte und Literatur der Landwirtschaft. 1913 wurde er zum großherzoglich sächsischen Archivrat ernannt. Vom Thüringischen Staatsministerium wurde ihm 1933 der Professoren-Titel verliehen, und 1937 wurde er Ehrenmitglied der Thüringischen Historischen Kommission. Seine Spezialgebiete waren deutsche Landes- und Ortsgeschichte, Theoretische Volkswirtschaftslehre und Soziologie sowie Genealogie. Mit Studien zu Genealogie und Sozialwissenschaft näherte er sich dem eugenischen und rassischen Gedankengut an, das von seinem Bruder Alexander offensiv vertreten wurde. Aufgrund dieser Arbeiten betrachtete sich T. als Vorkämpfer des Nationalsozialismus.
Quellen Universität Leipzig, Universitätsarchiv, Promotionsakte Armin T., Personalakte Armin T.
Werke Die bäuerliche Wirtschaftsverfassung des Vintschgaues vornehmlich in der zweiten Hälfte des Mittelalters, Diss. Leipzig 1894; Übersicht über den Inhalt der kleineren Archive der Rheinprovinz, Bd. 1, Bonn 1899, mit J. Krudewig, Bd. 2, Bonn 1904; (Hg.), Weltgeschichte, begr. von H. F. Helmolt, 9 Bde., Leipzig 1899-1907, ²1913-1922; Die Benediktinerabtei St. Martin bei Trier, Trier 1900; Renaissance, Reformation und Gegenreformation in Frankreich und Deutschland, in: Weltgeschichte, begr. von H. F. Helmolt, Bd. 7, Leipzig 1900, ²1920; Verkehrsgeschichte, Gotha [1901]; (Hg.), Allgemeine Staatengeschichte, Abt. 3: Deutsche Landesgeschichten, 17 Bde., Gotha 1902-1927; Wirtschaftsarchive, Berlin 1905; Leipziger Leichenpredigten, in: Mitteilungen der Zentralstelle für deutsche Personen- und Familiengeschichte 2/1906, S. 65-127 (ND Bonn 2002); mit Alexander Tille (Hg.), Die Reden des Freiherrn Carl Ferdinand von Stumm-Halberg, Bd. 2-12, Berlin 1906-1915; Die Spekulation im Wirtschaftsleben, Leipzig 1908; Mitteilungen über die Ständische Bibliothek in Dresden, Dresden 1910; mit R. Kötzschke, Karl Lamprecht, Gotha [1915]; Ein Kämpferleben. Alexander Tille 1866-1912, Gotha 1916; Die deutschen Territorien, in: O. Hoffmann (Hg.), Gebhardts Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 2, Stuttgart 61923, 71931, S. 567-703; Weimar vor 400 Jahren, Weimar 1925; Wie arbeitet man Ortsgeschichte? Ein Wegweiser für thüringische Heimatsforscher, Gotha 1928; mit F. Schneider, Einführung in die thüringische Geschichte, Jena 1931; Ziele, Aufgaben und Quellen der Ortsgeschichtsforschung, Greiz 1934; Bevölkerungsgenealogie, Leipzig 1935; Die Anfänge der Stadt Weimar und die Grafen von Weimar und Orlamünde, Weimar 1939.
Literatur S. Jenks (Hg.), Festschrift. Armin T. zum 60. Geburtstag, Weimar 1930; W. Flach, Nachruf Armin T., in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde 44/1942, S. 1-7; G. Kolditz, Rolle und Wirksamkeit des Alldeutschen Verbandes in Dresden zwischen 1805 und 1918, 2 Bde., Diss. Dresden 1994; V. Wahl, Das Thüringische Hauptstaatsarchiv Weimar, in: Der Archivar 52/1999, H. 3, S. 199-202. – DBA II, III; DBE 10, S. 43; Kürschners deutscher Gelehrtenkalender 4/1931, Sp. 3025; Reichshandbuch der deutschen Gesellschaft, Bd. 2, Berlin 1931, S. 1911f. (Bildquelle); Das deutsche Führerlexikon 1934/1935, Berlin 1934; H. A. L. Degener (Hg.), Wer ist‘s?, Leipzig 101935, S. 1612; W. Leesch, Die deutschen Archivare 1500-1945, Bd. 2: Biographisches Lexikon, München u.a. 1992, S. 618f.; Lebensbilder Thüringer Archivare, hrsg. vom Vorstand des Thüringer Archivarverbandes, Weimar 2001, S. 242-255.
Brigitte Emmrich †
8.3.2011
Empfohlene Zitierweise:
Brigitte Emmrich †, Artikel: Armin Tille,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/18018 [Zugriff 22.11.2024].
Armin Tille
Quellen Universität Leipzig, Universitätsarchiv, Promotionsakte Armin T., Personalakte Armin T.
Werke Die bäuerliche Wirtschaftsverfassung des Vintschgaues vornehmlich in der zweiten Hälfte des Mittelalters, Diss. Leipzig 1894; Übersicht über den Inhalt der kleineren Archive der Rheinprovinz, Bd. 1, Bonn 1899, mit J. Krudewig, Bd. 2, Bonn 1904; (Hg.), Weltgeschichte, begr. von H. F. Helmolt, 9 Bde., Leipzig 1899-1907, ²1913-1922; Die Benediktinerabtei St. Martin bei Trier, Trier 1900; Renaissance, Reformation und Gegenreformation in Frankreich und Deutschland, in: Weltgeschichte, begr. von H. F. Helmolt, Bd. 7, Leipzig 1900, ²1920; Verkehrsgeschichte, Gotha [1901]; (Hg.), Allgemeine Staatengeschichte, Abt. 3: Deutsche Landesgeschichten, 17 Bde., Gotha 1902-1927; Wirtschaftsarchive, Berlin 1905; Leipziger Leichenpredigten, in: Mitteilungen der Zentralstelle für deutsche Personen- und Familiengeschichte 2/1906, S. 65-127 (ND Bonn 2002); mit Alexander Tille (Hg.), Die Reden des Freiherrn Carl Ferdinand von Stumm-Halberg, Bd. 2-12, Berlin 1906-1915; Die Spekulation im Wirtschaftsleben, Leipzig 1908; Mitteilungen über die Ständische Bibliothek in Dresden, Dresden 1910; mit R. Kötzschke, Karl Lamprecht, Gotha [1915]; Ein Kämpferleben. Alexander Tille 1866-1912, Gotha 1916; Die deutschen Territorien, in: O. Hoffmann (Hg.), Gebhardts Handbuch der deutschen Geschichte, Bd. 2, Stuttgart 61923, 71931, S. 567-703; Weimar vor 400 Jahren, Weimar 1925; Wie arbeitet man Ortsgeschichte? Ein Wegweiser für thüringische Heimatsforscher, Gotha 1928; mit F. Schneider, Einführung in die thüringische Geschichte, Jena 1931; Ziele, Aufgaben und Quellen der Ortsgeschichtsforschung, Greiz 1934; Bevölkerungsgenealogie, Leipzig 1935; Die Anfänge der Stadt Weimar und die Grafen von Weimar und Orlamünde, Weimar 1939.
Literatur S. Jenks (Hg.), Festschrift. Armin T. zum 60. Geburtstag, Weimar 1930; W. Flach, Nachruf Armin T., in: Zeitschrift des Vereins für Thüringische Geschichte und Altertumskunde 44/1942, S. 1-7; G. Kolditz, Rolle und Wirksamkeit des Alldeutschen Verbandes in Dresden zwischen 1805 und 1918, 2 Bde., Diss. Dresden 1994; V. Wahl, Das Thüringische Hauptstaatsarchiv Weimar, in: Der Archivar 52/1999, H. 3, S. 199-202. – DBA II, III; DBE 10, S. 43; Kürschners deutscher Gelehrtenkalender 4/1931, Sp. 3025; Reichshandbuch der deutschen Gesellschaft, Bd. 2, Berlin 1931, S. 1911f. (Bildquelle); Das deutsche Führerlexikon 1934/1935, Berlin 1934; H. A. L. Degener (Hg.), Wer ist‘s?, Leipzig 101935, S. 1612; W. Leesch, Die deutschen Archivare 1500-1945, Bd. 2: Biographisches Lexikon, München u.a. 1992, S. 618f.; Lebensbilder Thüringer Archivare, hrsg. vom Vorstand des Thüringer Archivarverbandes, Weimar 2001, S. 242-255.
Brigitte Emmrich †
8.3.2011
Empfohlene Zitierweise:
Brigitte Emmrich †, Artikel: Armin Tille,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/18018 [Zugriff 22.11.2024].