Handrij Zahrodnik (Andreas Gärtner)
Der Modelltischler und Hofmechanikus G. erlangte mit seinen Erfindungen auf technischem Gebiet, insbesondere in der Kriegs- und Fortifikationskunst, weit über Sachsen hinaus Anerkennung, was sich nicht zuletzt im Beinamen „Sächsischer Archimedes“ niederschlug. – Als Sohn eines wendischen Gutspächters besuchte G. die Dorfschule in Quatitz und erlernte anschließend in Bautzen das Tischlerhandwerk. Getauft und konfirmiert wurde er in der evangelischen Kirche zu Malschwitz (sorb. Malešecy). Als Tischlergeselle begab sich G. 1673 auf eine langjährige Wanderschaft, die ihn zunächst für kurze Zeit nach Dresden, dann nach Leipzig und Hamburg führte. Von dort gelangte er bis Wien und arbeitete hier vier Jahre als Tischler. Als nächste Stationen folgten Salzburg und München sowie schließlich Augsburg, wo G. begann, sich mit Schildpatteinlegearbeiten zu beschäftigen. Außerdem griff er mit seinen Plänen zur Konstruktion eines Perpetuum mobile ein viel diskutiertes Phänomen seiner Zeit auf, musste allerdings seine Versuche dazu ergebnislos abbrechen und verfasste hierüber eine Schrift, die sich mit der Wirkung physikalischer Kräfte beschäftigte. Von Augsburg aus gelangte G. nach Innsbruck, wo er bei einem italienischen Baumeister tätig war. Sein Weg führte ihn weiter nach Italien. Er hörte in Bologna mathematische und astronomische Vorlesungen und erreichte schließlich mit Neapel (ital. Napoli) den südlichsten Punkt seiner Wanderschaft. – Erst 1686 kehrte G. nach Dresden zurück. Hier tauchte er schon bald als Hof- und Kunsttischler von Kurfürst Johann Georg IV. auf und 1694 mit dem Regierungsantritt von Kurfürst Friedrich August I. (König August II. von Polen, der Starke) auch als dessen Hofmechanikus und Modellmeister. Auf G. gehen fast 100 Erfindungen zurück. Seine Brenn- bzw. „Zauberspiegel“, von denen der russische Zar
Peter I. mehrere ankaufte, sollen zu Heilzwecken eingesetzt worden sein. Einige davon sind im Dresdner Zwinger zu sehen. Auch der mit G. befreundete Dresdner Goldschmied Johann Melchior Dinglinger bediente sich dieser „Kurierspiegel“. Seine ingenieurtechnische Vielseitigkeit belegen auch weitere Erfindungen. So entwarf er z.B. für das Theater den Plan für eine „doppelte Bühne“, die in kürzester Zeit samt Schauspielern und Kulissen zu einer Art „Drehbühne“ verschoben werden konnte. Darüber hinaus konstruierte er verschiedene Transportmittel und Hebezeuge und installierte in seiner Wohnung sogar einen Personenaufzug, den auch Zar Peter I., der an G.s Arbeiten überaus interessiert war, nutzte. Im Sommer-Palais des Zaren (heute Außenstelle des Russischen Museums) in St. Petersburg (russ. Sankt-Peterburg) befindet sich bis heute ein von G. und Dinglinger entworfener Windmesser. Für militärische Zwecke konstruierte G. eine Schnellladekanone, ausgerüstet für 200 Schüsse in 15 Minuten, einen Flammenwerfer und eine Stielhandgranate. Er entwickelte Pläne für Beobachtungstürme, explosionssichere Pulversilos sowie für Brücken- und Festungsbauten. Aus dieser Vielfalt an technischen Entwicklungen ragten nicht zuletzt G.s Himmelsgloben und seine Planetarien hervor. Dazu gehört v.a. sein im Mathematisch-Physikalischen Salon des Zwingers aufgestelltes großes Uhrwerk, das die Ortszeiten von 362 Punkten der Erde im Vergleich zur Dresdner Ortszeit exakt anzeigt und ein Meisterwerk seiner Zeit darstellt. – Die umfangreichen und vielgestaltigen technischen Erfindungen und Konstruktionen brachten G. den Beinamen „Sächsischer Archimedes“ ein. Seine Erfindungen fanden Anklang weit über Sachsen hinaus. Neben Zar Peter I. erhielt er Aufträge u.a. von Kaiser
Leopold I., König
Friedrich I. von Preußen und König
Ludwig XIV. von Frankreich. Zahlreiche Erfindungen G.s wurden in der von ihm wohl mitbegründeten Modellkammer aufbewahrt und verlieren sich nach deren Auflösung im 19. Jahrhundert, mit Ausnahme der Exemplare im Mathematisch-Physikalischen Salon der Dresdner Kunstsammlungen. 1728 verbrannte sein Nachlass in der Bibliothek des Grafen August Christoph von Wackerbarth. – G. engagierte sich zudem für wohltätige Zwecke und stiftete erhebliche Mittel für das städtische Almosenamt bzw. für bedürftige und kranke Tischlergesellen in Dresden.
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 10024 Geheimer Rat, 10026 Geheimes Kabinett, 10036 Finanzarchiv; Stadtarchiv Dresden.
Werke Instrumente: Dresden, Zwinger, Mathematisch-Physikalischer Salon, Weltzeituhr, zwei Parabolspiegel; Schriften: Nützliche Bauerinnerung wider Feuersgefahr, Leipzig 1713; Angabe zur Civilbaukunst, Dresden 1714; Kurtzer Bericht, Von denen Unlängst gantz neu-erfundenen Höltzernen Parabolischen Brenn-Spiegeln, Dresden 1715; Organum Astrodicticum globo coelesti applicandum, in: Acta eruditorum 1726, S. 364f.
Literatur Quatitz, der Geburtsort des „Sächsischen Archimedes“, in: Heimatklänge. Beilage zum Bautzener Tageblatt Nr. 51, 21.12.1929; Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft, hrsg. vom Leibniz-Institut für Länderkunde und der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Köln/Weimar/Wien 2005; P. Plaßmeyer, Andreas G., der sächsische Archimedes, in: Ders. (Hg.), Die Luftpumpe am Himmel. Wissenschaft in Sachsen zur Zeit Augusts des Starken und Augusts III., Dresden 2007, S. 41-46; E. Garbe, Andreas G., „Sächsischer Archimedes“, in: Oberlausitzer Familien-Kalenderbuch 2007, S. 22f. – ADB 8, S. 376; DBA I, II, III; DBE 3, S. 554; NDB 6, S. 20.
Porträt Andreas G., Gemälde, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Mathematisch-Physikalischer Salon.
Eberhard Garbe
5.1.2007
Empfohlene Zitierweise:
Eberhard Garbe, Artikel: Handrij Zahrodnik (Andreas Gärtner),
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1611 [Zugriff 9.11.2024].
Handrij Zahrodnik (Andreas Gärtner)
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 10024 Geheimer Rat, 10026 Geheimes Kabinett, 10036 Finanzarchiv; Stadtarchiv Dresden.
Werke Instrumente: Dresden, Zwinger, Mathematisch-Physikalischer Salon, Weltzeituhr, zwei Parabolspiegel; Schriften: Nützliche Bauerinnerung wider Feuersgefahr, Leipzig 1713; Angabe zur Civilbaukunst, Dresden 1714; Kurtzer Bericht, Von denen Unlängst gantz neu-erfundenen Höltzernen Parabolischen Brenn-Spiegeln, Dresden 1715; Organum Astrodicticum globo coelesti applicandum, in: Acta eruditorum 1726, S. 364f.
Literatur Quatitz, der Geburtsort des „Sächsischen Archimedes“, in: Heimatklänge. Beilage zum Bautzener Tageblatt Nr. 51, 21.12.1929; Oberlausitzer Heide- und Teichlandschaft, hrsg. vom Leibniz-Institut für Länderkunde und der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig, Köln/Weimar/Wien 2005; P. Plaßmeyer, Andreas G., der sächsische Archimedes, in: Ders. (Hg.), Die Luftpumpe am Himmel. Wissenschaft in Sachsen zur Zeit Augusts des Starken und Augusts III., Dresden 2007, S. 41-46; E. Garbe, Andreas G., „Sächsischer Archimedes“, in: Oberlausitzer Familien-Kalenderbuch 2007, S. 22f. – ADB 8, S. 376; DBA I, II, III; DBE 3, S. 554; NDB 6, S. 20.
Porträt Andreas G., Gemälde, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Mathematisch-Physikalischer Salon.
Eberhard Garbe
5.1.2007
Empfohlene Zitierweise:
Eberhard Garbe, Artikel: Handrij Zahrodnik (Andreas Gärtner),
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1611 [Zugriff 9.11.2024].