Amalie Dietrich

D. erforschte 1863 bis 1873 im Auftrag des Hamburger Handelsunternehmers Johan Cesar (VI) Godeffroy die Flora und Fauna der Ostküste Australiens, wobei sie mehrere Insektenarten entdeckte. Sie gehörte damit zu den ersten Frauen, die als Forschungsreisende tätig waren. – D. wuchs in Siebenlehn als Tochter eines Beutlers auf und erhielt eine dürftige Volksschulbildung. 1846 heiratete sie den Botaniker Wilhelm Dietrich, unter dessen Anleitung sie sich umfangreiche botanische Kenntnisse erwarb. Das Ehepaar betrieb auf dem Siebenlehner Forsthof ein Geschäft mit Herbarien und botanischen Sammlungen aller Art, die Apothekern, Fachleuten und Liebhabern angeboten wurden. Für die Abwicklung der Verkäufe sowie auch für die Zusammenstellung weiterer Sammlungen unternahmen die Eheleute ausgedehnte Reisen durch ganz Deutschland. Um 1854 hielt sich D. wegen ihrer durch ein Verhältnis Wilhelm Dietrichs sowie durch anhaltende materielle Not zerrütteten Ehe für ein Jahr bei ihrem Bruder Karl in Bukarest auf. 1860 kam es zur endgültigen Trennung: Wilhelm Dietrich zog als Hauslehrer nach Herzogswalde, während D. das botanische Geschäft in eigener Verantwortung weiter betrieb. 1861 unternahm sie eine Verkaufsreise nach Hamburg, wo sie den Fabrikanten und Botaniker Heinrich Adolph Meyer kennenlernte. Er vermittelte ihr die Bekanntschaft mit dem Kaufmann Godeffroy, der auf seinen Handelsschiffen auch Naturforscher nach Übersee entsandte. D. bewarb sich bei ihm als Forschungsreisende und konnte dabei auf Referenzen von zahlreichen namhaften Botanikern verweisen, sodass Godeffroy nach anfänglichem Widerstreben ihre Bewerbung annahm. 1863 reiste D. nach Australien, wo sie an der Westküste zwischen Brisbane und Rockhampton zehn Jahre lang als Forscherin tätig war. Sie stellte nicht nur Pflanzensammlungen zusammen, sondern fing und präparierte auch Insekten und größere Tiere. Mehrere Käfer- und Schmetterlingsarten wurden von ihr entdeckt und z.T. auch nach ihr benannt. In die Kritik der späteren historischen Forschung geriet D. durch die Tatsache, dass sie Godeffroy auf dessen Wunsch auch Schädel und ganze Skelette von Aborigines besorgte. Der gegen sie erhobene Vorwurf, sie hätte versucht, einen Siedler zum Mord an Eingeborenen anzustiften, um an Skelette heranzukommen, lässt sich nicht belegen und dürfte nach Lage der Umstände haltlos sein. Als wahrscheinlich aber gilt, dass sie die Gebeine durch Grabräubereien erlangte. – 1873 kehrte D. nach Hamburg zurück und arbeitete als Kustodin im neu gegründeten Museum Godeffroy, das jedoch nach dem Konkurs des Handelshauses Godeffroy 1879 wieder aufgelöst werden musste. Auch D.s australische Sammlungen wurden verkauft und auseinandergerissen. – 1891 erlag D. während eines Besuchs bei ihrer Tochter Charitas im holsteinischen Rendsburg einer Lungenentzündung. Charitas Bischoff machte in ihrem Buch „Amalie D. Ein Leben“ das Schicksal und die Leistung ihrer Mutter einem breiten Publikum bekannt.

Literatur C. Bischoff, Amalie D., Berlin 1977; dies., Bilder aus meinem Leben, Berlin 1981; R. Feyl, Der lautlose Aufbruch. Frauen in der Wissenschaft, Berlin 1981, S. 127-147; K. Hielscher/R. Hücking, Pflanzenjäger, München 2003, S. 131-160; Der Beutezug, in: GEO-Magazin 3/2011. – DBA II, III; DBE 2, S. 534; NDB 3, S. 695.

Porträt A. Graefe (Hg.), Sächsische Köpfe im zeitgenössischen Bild, Dresden 1938, S. 88 (Bildquelle).

Tanja Stern
1.3.2017


Empfohlene Zitierweise:
Tanja Stern, Artikel: Amalie Dietrich,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1152 [Zugriff 2.11.2024].

Amalie Dietrich



Literatur C. Bischoff, Amalie D., Berlin 1977; dies., Bilder aus meinem Leben, Berlin 1981; R. Feyl, Der lautlose Aufbruch. Frauen in der Wissenschaft, Berlin 1981, S. 127-147; K. Hielscher/R. Hücking, Pflanzenjäger, München 2003, S. 131-160; Der Beutezug, in: GEO-Magazin 3/2011. – DBA II, III; DBE 2, S. 534; NDB 3, S. 695.

Porträt A. Graefe (Hg.), Sächsische Köpfe im zeitgenössischen Bild, Dresden 1938, S. 88 (Bildquelle).

Tanja Stern
1.3.2017


Empfohlene Zitierweise:
Tanja Stern, Artikel: Amalie Dietrich,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1152 [Zugriff 2.11.2024].