Albert Leppoc

Albert Leppoc verkörpert beispielhaft das in den 1830er- und 1840er-Jahren eher randständige Phänomen von Leipziger Juden, die oft unter äußerem Druck konvertierten, was sich nicht selten - wie auch in seinem Fall - als beachtlicher Karriereschub erweisen sollte. – Leppoc war Sohn eines renommierten Perlen- und Schmuckhändlers aus Braunschweig, der sich aufgrund seines Einkommens zur gutsituierten Mittelschicht zählen konnte und eine Zeit lang Syndicus der jüdischen Gemeinde Braunschweigs war. Hier erlernte der junge Leppoc wahrscheinlich die Fertigkeiten eines Geschäftsmanns und absolvierte seinen Militärdienst. Als junger Mann wurde er als kaufmännischer Angestellter für das Braunschweiger Tüll- und Spitzengeschäft Heinrich Steegmann aktiv. Während der Messen kam er regelmäßig nach Leipzig. Seit Januar 1841 hielt er sich dauerhaft hier auf und war laut eigener Aussage mit einem Eigenkapital von 5.000 Talern inzwischen in Leitungsfunktion für Leipzig Teilhaber des Unternehmens von Steegmann, das daneben noch eine Filiale in Hamburg unterhielt. Nach einem Gesuch vom Juni 1842 erhielt er die Konzession zum weiteren Aufenthalt in Leipzig. Um 1843 gründete Leppoc obendrein mit dem ebenso zugezogenen Samuel Drucker, einem Geschäftsfreund aus seiner Braunschweiger Zeit, eine Seidenwarenhandlung in der Leipziger Katharinenstraße, die es unter dem Namen Leppoc & Drucker bald zu hohem Ansehen brachte. Gleichfalls 1843 heiratete Leppoc eine Tochter des Leipziger Kaufmanns Adolph Meyer und wurde bereits im Jahr darauf Vater eines Sohns. In den 1840er-Jahren wirkte Leppoc an der Erarbeitung der Statuten für die Israelitische Religionsgemeinde zu Leipzig mit, vollzog jedoch noch vor deren formal abgeschlossener Gründung im Juni 1847 eine Kehrtwende, indem er sich wohl weniger aus religiöser Überzeugung denn ökonomischem Kalkül für die evangelische Taufe entschied. Diese fand am 27.1.1847 in der Pfarrkirche von Wahren bei Leipzig statt. Zu den Zeugen der Zeremonie gehörte u.a. der ebenfalls konvertierte Arzt Bernhard Georg Lippert, ein Sohn des Leipziger Hofagenten Herz Löb Levy. Mit dem Taufakt schienen Leppoc nun sämtliche Türen offenzustehen und er bewarb sich alsbald am 25.2.1847 um das Bürgerrecht, das ihm schon am 15.3. zuerkannt wurde. Selbst die äußerst judenfeindlich eingestellte Leipziger Kramerinnung, mit der sein Schwiegervater Adolph Meyer konfliktreiche Auseinandersetzungen führte, äußerte jetzt keinerlei Bedenken gegen Leppocs Aufnahme. – Für Leppoc, dessen privates Vermögen mit insgesamt 8.000 Talern beziffert wurde, eröffneten sich mit dem Religionswechsel völlig neue Aufstiegsmöglichkeiten. 1849 sowie 1851 bis 1862 wurde er in die Stadtverordnetenversammlung gewählt, wo er Teil der nationalliberal gesonnenen Kräfte war. Leppoc zählte zu den Akteuren, die im Zuge der revolutionären Ereignisse 1848/1849 für eine Liberalisierung des öffentlichen Lebens eintraten. In diesem Zusammenhang war er wahrscheinlich Mitunterzeichner des Programms des am 6.4.1849 in Leipzig gegründeten liberalen Deutschen Vereins. Als Stadtverordneter beteiligte sich Leppoc mit seinen Kollegen 1861 an Aufrufen zu sog. Flottensammlungen, um Gelder für den Aufbau eines preußischen Schiffsparks in Sachsen einzuwerben. Einschlägige Appelle wurden etwa in der Zeitschrift „Die Grenzboten“, der „Deutschen Allgemeinen Zeitung“ und überregionalen Blättern publiziert. In der populären „Gartenlaube“ taucht Leppocs Name bereits 1860 bei einem Spendenaufruf für ein Denkmal zugunsten des verstorbenen Dichters [Ernst Moritz Arndt #gnd 118504118] auf. Darüber hinaus war Leppoc Mitglied der Handels- und Gewerbekammer zu Leipzig sowie seit 1861 des „Vereins von Freunden der Erdkunde zu Leipzig“, dem 1868 auch seine Ehefrau Emma Leppoc beitrat. In der 1871 gegründeten Communal-Bank für Sachsen saß er als Stellvertreter im Vorstand. Inwieweit seine Vita noch Berührungspunkte zum jüdischen Leben in Leipzig über das Familiäre hinaus aufwies, bleibt eine offene Frage. Fest steht dagegen, dass Leppocs Lebensweg beispielhaft für eine Richtungsentscheidung steht, die vorrangig durch wirtschaftliches Kalkül geleitet wurde und in der sich ein bürgerlicher Nationalliberalismus spiegelt, wie er durchaus bezeichnend für die unruhige Zeit des 19. Jahrhunderts war. – Leppoc verstarb 1875. Emma Leppoc überlebte ihren Gatten um einige Jahre. Sie war - wahrscheinlich seit Sommer 1840 - mit der Komponistin Clara Schumann befreundet. Eine Vielzahl überlieferter Briefe der Frauen deutet auf ein enges Vertrauensverhältnis, die nachweisliche Korrespondenz endete erst drei Wochen vor Emma Leppocs Tod 1881.

Quellen Central Archives for the History of the Jewish People (CAHJP) Jerusalem, D/Le1/9-11; Stadtarchiv Leipzig, 0006 Leichenschreiberei, Ratsleichenbücher Reg.-Nr. 316 (1875), 0008 Ratsstube, Titelakten LI Nr. 101, Nr. 235, 0056 Wahl- und Listenamt, Fallakten/Aufnahme- und Bürgerakten Nr. 8853, 0021 Friedhofsamt, Gräberbücher (Blaue Reihe) 8-11; Staatsarchiv Hamburg, 332-5 7791 Standesamt 3 Hamburg, Sterberegister 1883, Nr. 2408 (ancestry.de).

Literatur Hans-Heinrich Ebeling, Die Juden in Braunschweig. Rechts-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte von den Anfängen der jüdischen Gemeinde bis zur Emanzipation (1282-1848), Braunschweig 1987; Josef Reinhold, Die Entstehung einer jüdischen Großgemeinde. Vor 150 Jahren konstituierte sich die israelitische Religionsgemeinde zu Leipzig, in: Sächsische Heimatblätter 43/1997, H. 3, S. 117-141; ders., Zwischen Aufbruch und Beharrung. Juden und jüdische Gemeinde in Leipzig während des 19. Jahrhunderts, Dresden 1999; Solvejg Höppner, Juden in Sachsen während der Revolution 1848/49, in: Karin Jeschke/Gunda Ulbricht (Hg.), Dresden. Mai 1849, Dresden 2000, S. 134-143; Andreas Neemann, Landtag und Politik in der Reaktionszeit. Sachsen 1849/50-1866, Düsseldorf 2000; Reinhard Bein, Ewiges Haus. Jüdische Friedhöfe in Stadt und Land Braunschweig, Braunschweig 2004; Schumann Briefedition. Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit den Familien Voigt, Herzogenberg und anderen Korrespondenten in Leipzig (Serie II), hrsg. von Annegret Rosenmüller und Ekaterina Smyka, Köln 2016; Katrin Löffler, Leipzigs alter jüdischer Friedhof im Johannistal, Leipzig 2022, S. 166.

Lucas Böhme
18.3.2024


Empfohlene Zitierweise:
Lucas Böhme, Artikel: Albert Leppoc,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27897 [Zugriff 1.9.2024].

Albert Leppoc



Quellen Central Archives for the History of the Jewish People (CAHJP) Jerusalem, D/Le1/9-11; Stadtarchiv Leipzig, 0006 Leichenschreiberei, Ratsleichenbücher Reg.-Nr. 316 (1875), 0008 Ratsstube, Titelakten LI Nr. 101, Nr. 235, 0056 Wahl- und Listenamt, Fallakten/Aufnahme- und Bürgerakten Nr. 8853, 0021 Friedhofsamt, Gräberbücher (Blaue Reihe) 8-11; Staatsarchiv Hamburg, 332-5 7791 Standesamt 3 Hamburg, Sterberegister 1883, Nr. 2408 (ancestry.de).

Literatur Hans-Heinrich Ebeling, Die Juden in Braunschweig. Rechts-, Sozial- und Wirtschaftsgeschichte von den Anfängen der jüdischen Gemeinde bis zur Emanzipation (1282-1848), Braunschweig 1987; Josef Reinhold, Die Entstehung einer jüdischen Großgemeinde. Vor 150 Jahren konstituierte sich die israelitische Religionsgemeinde zu Leipzig, in: Sächsische Heimatblätter 43/1997, H. 3, S. 117-141; ders., Zwischen Aufbruch und Beharrung. Juden und jüdische Gemeinde in Leipzig während des 19. Jahrhunderts, Dresden 1999; Solvejg Höppner, Juden in Sachsen während der Revolution 1848/49, in: Karin Jeschke/Gunda Ulbricht (Hg.), Dresden. Mai 1849, Dresden 2000, S. 134-143; Andreas Neemann, Landtag und Politik in der Reaktionszeit. Sachsen 1849/50-1866, Düsseldorf 2000; Reinhard Bein, Ewiges Haus. Jüdische Friedhöfe in Stadt und Land Braunschweig, Braunschweig 2004; Schumann Briefedition. Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit den Familien Voigt, Herzogenberg und anderen Korrespondenten in Leipzig (Serie II), hrsg. von Annegret Rosenmüller und Ekaterina Smyka, Köln 2016; Katrin Löffler, Leipzigs alter jüdischer Friedhof im Johannistal, Leipzig 2022, S. 166.

Lucas Böhme
18.3.2024


Empfohlene Zitierweise:
Lucas Böhme, Artikel: Albert Leppoc,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27897 [Zugriff 1.9.2024].