Julius Otto Martini

M.s Arbeit kann ein wegweisender Charakter für die ambulante und klinische Dermatologie, Venerologie und Urologie in Dresden zugeschrieben werden. Er nahm weitreichenden Einfluss auf die Entwicklung der dermatologischen Abteilung im Stadtkrankenhaus Friedrichstadt. So war er nicht nur der Nestor dieser Station, sondern legte während seiner ca. 35-jährigen Anstellung den Grundstein für eine auf wissenschaftlich hohem Niveau agierende Hautklinik. – Nach dem Besuch der Landesschule Grimma, in die M. am 10.10.1842 aufgenommen wurde und von wo er am 14.9.1848 abging, immatrikulierte er sich an der Universität Leipzig, um 1848 ein Studium der Medizin aufzunehmen. Sein Abschluss folgte 1852, als er mit einer Dissertation über die Heilquellen des Staatsbads Elster zum Doctor medicinae promoviert wurde. Anschließend verbrachte er knapp zehn Jahre bis zu seiner Entlassung am 30.8.1861 in der königlich sächsischen Armee. Hier wirkt er ab dem 22.9.1853 als Assistenzarzt im 5. Schwadron des Garde-Reiter-Regiments. Während dieser Zeit nahm M. erstmals Tuchfühlung mit dem Krankenhaus Friedrichstadt auf, als er 1857 während der Blatternepidemie als „außerordentlicher Hülfsarzt“ das dortige Personal unterstützte. Um 1859 lässt sich ein Wechsel seiner militärischen Einheit nachvollziehen, wonach M. fortan Teil des Sanitätskorps des ebenfalls in der Residenz stationierten 3. Jägerbataillons wurde. Unterbrochen wurde der Aufenthalt in Dresden durch eine Reise im April 1858, die M. als ärztlichen Begleiter des Prinzen Georg von Sachsen zu dessen Verlobung mit der portugiesischen Infantin Maria Anna nach Lissabon führte. Bereits das Dresdner Adressbuch von 1862 führt M. erstmals als niedergelassenen Arzt, im Juni 1863 bekam er das Bürgerrecht der Stadt Dresden verliehen. Am 22.6.1863 heiratete M. die aus Gönnsdorf stammende Nanny Auguste Schneider in der Dresdner Kreuzkirche - die Ehe blieb kinderlos. Die beiden lebten fortan in der Amalienstraße 4 in der Pirnaischen Vorstadt, wo M. auch seine Praxis hatte. – 1866 folgte M. einem Ruf an das städtische Krankenhaus Friedrichstadt - im gleichen Jahr, in dem die Unterabteilung für syphilitische Frauen eingerichtet wurde, der M. nach zwei Jahren Tätigkeit als Abteilungsarzt vorstand. Sein Wirkungskreis entfaltete sich jedoch auch außerhalb der Klinik. So wurde M. im Februar 1867 zum Vorsitzenden des ärztlichen Bezirksvereins Dresden-Stadt gewählt und amtierte, mit Ausnahme 1875, bis 1888, als ihn der Gynäkologe Paul Osterloh ablöste. Er leitete das erste Reservelazarett Dresden während des Deutsch-Französischen Kriegs, wofür M. 1871 den Albrechtsorden, Ritter 1. Klasse erhielt, und war trotz dieses Engagements 1870 einjährig im Stadtverordneten-Kollegium vertreten. Außerdem bezog er 1871 mit seiner Ehefrau eine neue Wohnung in einem etwas südlicher gelegenen Teil der Pirnaischen Vorstadt: am Johannesplatz 4. Der nächste Karriereschritt vollzog sich am 1.10.1874, als er Oberarzt der Abteilung für Haut- und Geschlechtskrankheiten sowie kleine Chirurgie am Krankenhaus Friedrichstadt wurde. Dies war gleichbedeutend mit der Errichtung der zweiten städtischen Hautklinik im deutschsprachigen Kulturraum nach Nürnberg, die 1845 eröffnet worden war. Ein Anliegen M.s war es, eine systematische Darstellung von Haut-, Geschlechts- und Harnwegerkrankungen sowie deren Therapiemöglichkeiten voranzutreiben. Daneben war seine Expertise bezüglich der Geschlechtskrankheiten sehr geschätzt, sodass er stets im Kontakt mit der Königlichen Polizeidirektion stand, die Prostituierte, die eine venerische Infektion bei der polizeiärztlichen Untersuchung aufwiesen, zur Behandlung ins Krankenhaus Friedrichstadt zwangsüberwies. In diesem Ressort war er u.a. ein Mentor des späteren Begründers der modernen Urologie Felix Martin Oberländer. Zudem setzte er sich maßgeblich dafür ein, dass die Bettenzahl der ihm unterstehenden Abteilung auf 140 erhöht wurde, indem die Stadt dem Krankenhaus 1888 die Immobilie der früheren III. Bezirksschule auf der Bräuergasse überließ. – M. und seiner Abteilung kann ein wegweisender Charakter für die ambulante und klinische Dermato-Venerologie sowie Urologie in Dresden zugesprochen werden. Er nahm weitreichenden Einfluss auf die Entwicklung seiner Abteilung, die den Grundstein für eine auf wissenschaftlich hohem Niveau agierende Hautklinik legte. In dieser Periode wurde M. 1882 zum Hofrat ernannt und ihm 1899 im Zuge des 50-jährigen Bestehens des Stadtkrankenhauses der sächsische Verdienstorden als Ritter 1. Klasse verliehen. 1901 nach fast 50 Jahren Tätigkeit als Arzt ging M. in den Ruhestand und wurde von Johannes Werther - zwischen 1889 und 1891 Assistenzarzt bei M. - als Oberarzt der Abteilung für Haut- und Geschlechtskrankheiten abgelöst. Zugleich ist ihm der Titel Geheimer Sanitätsrat zuerkannt worden. Seinen Lebensabend verbrachte M. in Dresden, wo er zuletzt auf der Johann-Georgen-Allee 16 wohnte. M. starb nach kurzer Krankheit und wurde zwei Tage später auf dem Johannisfriedhof in Tolkewitz unter Beiwohnen vieler Kollegen, speziell vom ärztlichen Bezirksverein Dresden-Stadt, sowie durch Abschiedsworte von Oberkonsistorialrat Dr. Franz Wilhelm Dibelius beigesetzt. Auch außerhalb der Klinik verbreitete er seine medizinischen Erfahrungen, u.a. seit 1862 in der Gesellschaft für Natur- und Heilkunde in Dresden. Daneben existierte bei ihm ein musisches Interesse: so war er über 50 Jahre Mitglied sowie später Ehrenmitglied im Dresdner Tonkünstlerverein, zuhörendes Mitglied im Mozart-Verein zu Dresden und seit 1866 in der Gesellschaft „Harmonie“ aktiv. Er, der Liebhaber von Cicero, schrieb auch selbst, z.B. für das Korrespondenzblatt der ärztlichen Bezirksvereine, unter der Überschrift „Aus der Mappe eines alten Dresdner Arztes“ Gedichte zum 50-jährigen Bestehens des Stadtkrankenhauses Friedrichstadt und für die renommierten „Schmidts Jahrbücher der in- und ausländischen Medizin“, bei denen er viele Jahre mitarbeitete und medizinische Publikationen zusammenfasste. Weitere Funktionen übte er im Verein für Geschichte Dresdens sowie im Vorstand der Dresdner Zweigstelle der Deutschen Kolonialgesellschaft aus.

Quellen Stadtarchiv Dresden, 2.1.3-C.XXI.20.148 Kirchliche Wochenzettel Trauungen, Taufanzeigen und Sterbefälle 1863, 2.3.9-M.1080 Gewerbeamt A, M., Julius Otto Dr. med. (1863), 6.4.25-1.4.2-64 Standesamt I, Personenstandsbuch - Sterberegister, Nr. 1085; Staatshandbuch für das Königreich Sachsen, 1909.

Werke De Balneis Elisteranis, Dissertatio inauguralis medica, Wurzen 1852.

Literatur Christian Gottlob Lorenz, Grimmenser-Album. Verzeichniss sämmtlicher Schüler der Königlichen Landesschule zu Grimma von ihrer Eröffnung bis zur dritten Jubelfeier, Grimma 1850; Rangliste der Königlich Sächsischen Armee vom Jahre 1854/1892, Dresden 1854/1892; Festschrift zur Feier des fünfzigjährigen Bestehens des Stadtkrankenhauses zu Dresden-Friedrichstadt, hrsg. vom Rat der Stadt Dresden, Dresden 1899; Dresdner Anzeiger 20.10. 1909, S. 1f.; Gesina Hansel, 120 Jahre Hautklinik Dresden-Friedrichstadt, in: Der Hautarzt 46/1995, H. 4, S. 278-282; dies./Uwe Wollina, Zur Geschichte der Hautklinik Dresden-Friedrichstadt, in: Aktuelle Dermatologie 31/2005, H. 4, S. 133-137; Jörg Schubert/Albrecht Scholz, Dresden auf dem Weg zu einer eigenständigen Urologie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in: Friedrich Moll/Dirk Schultheiss (Hg.), Die Geschichte der Urologie in Dresden, Heidelberg 2009, S. 67-75. – DBA I, II; Julius Leopold Pagel (Hg.), Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts, Berlin 1901, Sp. 1101f.; Volker Klimpel, Dresdner Ärzte. Historisch-Biographisches Lexikon, Dresden 1998, S. 159.

Porträt Portraitaufnahme Julius Otto M., um 1900, Fotografie auf Untersetzkarton, Stadtmuseum Dresden, Inventar-Nr. SMDPhP01459 (Bildquelle) [CC BY-NC-SA 3.0 DE; dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons 3.0 Deutschland Lizenz].

Toni Hanel
17.11.2020


Empfohlene Zitierweise:
Toni Hanel, Artikel: Julius Otto Martini,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/9852 [Zugriff 26.11.2024].

Julius Otto Martini



Quellen Stadtarchiv Dresden, 2.1.3-C.XXI.20.148 Kirchliche Wochenzettel Trauungen, Taufanzeigen und Sterbefälle 1863, 2.3.9-M.1080 Gewerbeamt A, M., Julius Otto Dr. med. (1863), 6.4.25-1.4.2-64 Standesamt I, Personenstandsbuch - Sterberegister, Nr. 1085; Staatshandbuch für das Königreich Sachsen, 1909.

Werke De Balneis Elisteranis, Dissertatio inauguralis medica, Wurzen 1852.

Literatur Christian Gottlob Lorenz, Grimmenser-Album. Verzeichniss sämmtlicher Schüler der Königlichen Landesschule zu Grimma von ihrer Eröffnung bis zur dritten Jubelfeier, Grimma 1850; Rangliste der Königlich Sächsischen Armee vom Jahre 1854/1892, Dresden 1854/1892; Festschrift zur Feier des fünfzigjährigen Bestehens des Stadtkrankenhauses zu Dresden-Friedrichstadt, hrsg. vom Rat der Stadt Dresden, Dresden 1899; Dresdner Anzeiger 20.10. 1909, S. 1f.; Gesina Hansel, 120 Jahre Hautklinik Dresden-Friedrichstadt, in: Der Hautarzt 46/1995, H. 4, S. 278-282; dies./Uwe Wollina, Zur Geschichte der Hautklinik Dresden-Friedrichstadt, in: Aktuelle Dermatologie 31/2005, H. 4, S. 133-137; Jörg Schubert/Albrecht Scholz, Dresden auf dem Weg zu einer eigenständigen Urologie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, in: Friedrich Moll/Dirk Schultheiss (Hg.), Die Geschichte der Urologie in Dresden, Heidelberg 2009, S. 67-75. – DBA I, II; Julius Leopold Pagel (Hg.), Biographisches Lexikon hervorragender Ärzte des neunzehnten Jahrhunderts, Berlin 1901, Sp. 1101f.; Volker Klimpel, Dresdner Ärzte. Historisch-Biographisches Lexikon, Dresden 1998, S. 159.

Porträt Portraitaufnahme Julius Otto M., um 1900, Fotografie auf Untersetzkarton, Stadtmuseum Dresden, Inventar-Nr. SMDPhP01459 (Bildquelle) [CC BY-NC-SA 3.0 DE; dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons 3.0 Deutschland Lizenz].

Toni Hanel
17.11.2020


Empfohlene Zitierweise:
Toni Hanel, Artikel: Julius Otto Martini,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/9852 [Zugriff 26.11.2024].