Elisabeth von Mähren
Die einzige realisierte dynastische Verbindung zwischen Wettinern und Luxemburgern war jene Wilhelms I. des Einäugigen mit der Nichte Kaiser Karls IV. Dieses Bündnis, aber auch das wechselvolle Verhältnis der Dynastien zwischen Kooperation und Konkurrenz bestimmte E.s ambivalente Rolle als Brücke zwischen den Familien. – E. kam 1355 als drittes Kind des Markgrafen Johann Heinrich von Mähren aus der Dynastie der Luxemburger und der Margarethe von Troppau zur Welt. Schon als Zweijährige wurde sie in die dynastischen Pläne ihres Onkels, des Kaisers Karl IV., einbezogen, als sie am 1.3.1358 mit dem jüngsten Wettiner Wilhelm in
Prag verlobt wurde. Der Ehevertrag war ein Bestandteil der Freundschaftsvereinbarungen, die am selben Tag zwischen den Luxemburgern und den Wettinern geschlossen wurden. Seit dieser Zeit wuchs Wilhelm am Hof des Kaisers auf und sammelte dort politische Erfahrungen. Die Hochzeit sollte laut Vertrag acht Jahre nach der Verlobung erfolgen, der Vollzug der Ehe konnte aber erst 1367 stattfinden, als die junge E. nach dem mittelalterlichem Recht ihre Mündigkeit erlangt hatte. Genau in diesem Jahr, in welchem sie zum ersten Mal als Markgräfin von Meißen bezeichnet wurde, stellte man auch ihre Morgengabe und das Leibgedinge fest. Es handelte sich um die Burg Voigtsberg, die Städte Oelsnitz/Vogtland und Adorf/Vogtland, Burg und Stadt Mühltroff, Burg Wiedersberg sowie Burg und Stadt Döbeln. Bemerkenswert ist die Bemühung des Kaisers um einen eventuellen Zugewinn der Güter an der böhmisch-meißnischen Grenze, denn fast alle Besitzungen lagen in der Nähe der Lehen der Böhmischen Krone. E.s Leibgedinge und Güter, aus denen sich ihre spätere Rente speisen sollte, veränderten sich besonders in den 1380er-Jahren relativ häufig. Zeitweise bestanden sie beispielsweise aus den Städten Oschatz, Grimma, Delitzsch, Tharandt, Großenhain, Mittweida oder auch dem Roten Turm zu Meißen, einem für die landesherrliche Macht der Wettiner symbolisch besonders bedeutenden Wohnturm des 11. Jahrhunderts auf dem Meißner Burgberg. Der Römische König Wenzel IV., E.s Cousin, überschrieb ihr 1389 zudem die Nutzung der Burg Leisnig mit allem Zubehör. – Als eine politisch aktive Person trat die Markgräfin in den schriftlichen Quellen besonders in den 1390er-Jahren in Erscheinung. Schon 1382 ging es in Chemnitz um die lange aufgeschobene Gebietsteilung zwischen den Wettinern. E.s Ehemann Wilhelm I. erhielt die Mark Meißen u.a. mit den Städten Meißen, Dresden, Chemnitz, Zwickau und Radeberg. Nach dem Tod des Kaisers Karl IV. 1378 nutzte er souverän seine familiären Beziehungen zu den Luxemburgern. Seine Ehefrau war ihm dabei eine große Hilfe. E.s Anwesenheit und auch ihre direkte Einbeziehung in manche Rechtsgeschäfte erleichterten die Verhandlungen. E.s Vetter Wenzel IV. oder ihr Bruder Jobst konnten zum Beispiel damit kalkulieren, dass man E. im Fall von Wilhelms Tod leichter dazu bewegen könnte, die Rückabwicklung verschiedener Transaktionen zu ermöglichen. So verpfändete Markgraf Jobst 1393 seinem Schwager Wilhelm und seiner Schwester E. die Städte
Briesen (heute Treuenbrietzen),
Beelitz,
Mittenwalde,
Trebbin und
Saarmund (heute Ortsteil von
Nuthetal) in Brandenburg gegen eine Geldsumme von 12.000 Goldgulden, die bis Ende des Jahrs auf 40.000 Schock Groschen erhöht wurde. 1397 bekam die Markgräfin von ihrem Cousin König Wenzel Haus und Stadt
Ruhland für 1.400 Schock Groschen als Pfand und seine Burg in
Leitmeritz (tschech. Litoměřice) wurde ihr als Besitz übertragen, als sie zusammen mit ihrem Mann in Prag war. Wilhelm schloss damals mit dem König auch ein Bündnis. Ein Teil der Vereinbarung umfasste, wie üblich, eine weitere Eheschließung zwischen Wettinern und Luxemburgern. Wenzel IV. versprach damals seine Nichte Elisabeth von Görlitz Wilhelms Neffen, Friedrich dem Friedfertigen. Dieser Vertrag wurde allerdings nie erfüllt. E. handelte zuweilen auch im Namen ihres Bruders Jobst. Als dieser 1398 nicht in Brandenburg anwesend sein konnte, schickte er seine Schwester mit einer Vollmacht zur Vergabe der Lehen. – Auch wenn E. während der 30 Ehejahre ihre - aus mittelalterlicher Sicht - wichtigste Aufgabe nicht erfüllte, einen Nachfolger zu gebären, war sie ihrem Mann eine gute Partnerin in politischen Angelegenheiten. Denn neben ihrer Vermittlungstätigkeit im Verhältnis der Wettiner zu den luxemburgischen Verwandten war sie auch in die regionale Herrschaftspolitik Wilhelms einbezogen. So setzte E. 1394 zusammen mit Wilhelm einige Urkunden bezüglich der Burg und Stadt Eilenburg auf. Im Mai 1396 kaufte sie die Stadt Dommitzsch, die nur ein paar Kilometer von ihrem Besitzschwerpunkt um Torgau entfernt lag. 1398 erwarb sie die Herrschaft Libehna im heutigen Sachsen-Anhalt. – Aus dem Besitz E.s stammte ein Reliquienkreuz mit Partikeln vom Kreuz Christi, von der Dornenkrone, vom Mantel der Muttergottes und vom Daumen Johannes des Täufers. Dieses kostbare Kreuz, das sich nicht erhalten hat, schenkte E. dem Meißner Dom. E. starb am 20.11.1400 und wurde im Dom zu Meißen bestattet. Nach ihrem Tod stiftete Wilhelm über ihrem Grab im Hohen Chor einen Altar zu Ehren der Heiligen Dreifaltigkeit.
Quellen Codex diplomaticus Saxoniae regiae, II. Hauptteil, Bd. 2: Urkundenbuch des Hochstifts Meissen 1357-1423, hrsg. von Ernst Gotthelf Gersdorf, Leipzig 1865; Codex diplomaticus et epistolaris Moraviae, Bd. XII: 1391–1399, hrsg. von Vincenz Brandl, Brünn 1890; Codex diplomaticus Saxoniae regiae, I. Hauptteil, Abteilung B, Bd. 1: Urkunden der Markgrafen von Meissen und Landgrafen von Thüringen 1381-1395, hrsg. von Hubert Ermisch, Leipzig 1899; ebd. Bd. 2: Urkunden der Markgrafen von Meissen 1396-1406, hrsg. von dems., Leipzig 1902; Regesta diplomatica nec non epistolaria Bohemiae et Moraviae, Bd. VI (1355-1358), Fasciculus 3: 1357-1358, hrsg. von Bedřich Mendl, Prag 1954; Regesten der Urkunden des Sächsischen Hauptstaatsarchivs Dresden 1351-1365, hrsg. vom Hauptstaatsarchiv Dresden, Halle/Saale 2003; Die Grabmonumente im Dom zu Meißen, hrsg. von Matthias Donath, Leipzig 2004, S. 276f.; Regesten der Urkunden des Hauptstaatsarchivs Dresden 1366–1380, hrsg. vom Hauptstaatsarchiv Dresden, Halle/Saale 2012; Die Inschriften der Stadt Meißen, gesammelt und bearbeitet von Cornelia Neustadt und Martin Riebel, unter Mitwirkung von Henning Ohst und Sabine Zinsmeyer (in Vorbereitung).
Literatur Woldemar Lippert, Markgraf Wilhelm von Meißen und E. von Mähren. Beitrag zur Geschichte der Beziehungen zwischen Wettinern und Luxemburgern in der zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts, in: Mittheilungen des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen 30/1892, H. II/III, S. 93-127; Václav Štěpán, Moravský markrabě Jošt (1354–1411), Brünn 2002; Eckhart Leisering, Die Wettiner und ihre Herrschaftsgebiete 1349-1382. Landesherrschaft zwischen Vormundschaft, gemeinschaftlicher Herrschaft und Teilung, Halle/Saale 2006; Wilhelm der Einäugige. Markgraf von Meissen (1346–1407), hrsg. von den Staatlichen Schlössern, Burgen und Gärten Sachsen, Dresden 2009; Lenka Nemravová, Wilhelm der Einäugige und seine Beziehungen zu den Luxemburgern, in: Sabine Wolfram u.a. (Hg.), Sachsen Böhmen 7000. Liebe, Leid und Luftschlösser, Dresden 2018, S. 174-179.
Lenka Nemravová
26.7.2022
Empfohlene Zitierweise:
Lenka Nemravová, Artikel: Elisabeth von Mähren,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/9028 [Zugriff 22.11.2024].
Elisabeth von Mähren
Quellen Codex diplomaticus Saxoniae regiae, II. Hauptteil, Bd. 2: Urkundenbuch des Hochstifts Meissen 1357-1423, hrsg. von Ernst Gotthelf Gersdorf, Leipzig 1865; Codex diplomaticus et epistolaris Moraviae, Bd. XII: 1391–1399, hrsg. von Vincenz Brandl, Brünn 1890; Codex diplomaticus Saxoniae regiae, I. Hauptteil, Abteilung B, Bd. 1: Urkunden der Markgrafen von Meissen und Landgrafen von Thüringen 1381-1395, hrsg. von Hubert Ermisch, Leipzig 1899; ebd. Bd. 2: Urkunden der Markgrafen von Meissen 1396-1406, hrsg. von dems., Leipzig 1902; Regesta diplomatica nec non epistolaria Bohemiae et Moraviae, Bd. VI (1355-1358), Fasciculus 3: 1357-1358, hrsg. von Bedřich Mendl, Prag 1954; Regesten der Urkunden des Sächsischen Hauptstaatsarchivs Dresden 1351-1365, hrsg. vom Hauptstaatsarchiv Dresden, Halle/Saale 2003; Die Grabmonumente im Dom zu Meißen, hrsg. von Matthias Donath, Leipzig 2004, S. 276f.; Regesten der Urkunden des Hauptstaatsarchivs Dresden 1366–1380, hrsg. vom Hauptstaatsarchiv Dresden, Halle/Saale 2012; Die Inschriften der Stadt Meißen, gesammelt und bearbeitet von Cornelia Neustadt und Martin Riebel, unter Mitwirkung von Henning Ohst und Sabine Zinsmeyer (in Vorbereitung).
Literatur Woldemar Lippert, Markgraf Wilhelm von Meißen und E. von Mähren. Beitrag zur Geschichte der Beziehungen zwischen Wettinern und Luxemburgern in der zweiten Hälfte des XIV. Jahrhunderts, in: Mittheilungen des Vereines für Geschichte der Deutschen in Böhmen 30/1892, H. II/III, S. 93-127; Václav Štěpán, Moravský markrabě Jošt (1354–1411), Brünn 2002; Eckhart Leisering, Die Wettiner und ihre Herrschaftsgebiete 1349-1382. Landesherrschaft zwischen Vormundschaft, gemeinschaftlicher Herrschaft und Teilung, Halle/Saale 2006; Wilhelm der Einäugige. Markgraf von Meissen (1346–1407), hrsg. von den Staatlichen Schlössern, Burgen und Gärten Sachsen, Dresden 2009; Lenka Nemravová, Wilhelm der Einäugige und seine Beziehungen zu den Luxemburgern, in: Sabine Wolfram u.a. (Hg.), Sachsen Böhmen 7000. Liebe, Leid und Luftschlösser, Dresden 2018, S. 174-179.
Lenka Nemravová
26.7.2022
Empfohlene Zitierweise:
Lenka Nemravová, Artikel: Elisabeth von Mähren,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/9028 [Zugriff 22.11.2024].