Adelheid Joseph

Die Biografie von Adelheid Joseph zeigt beispielhaft auf, unter welch prekären Bedingungen Jüdinnen und Juden in Leipzig mitunter ihre Existenz bestritten, selbst dann, wenn sie wie hier im Dienst der jüdischen Gemeinde standen und ihr Aufenthalt seitens der städtischen Behörde legalisiert war. – Geboren und aufgewachsen im damals zur preußischen Provinz Posen gehörigen Lissa (poln. Leszno), hielt sich Joseph bereits als junge Frau regelmäßig in Leipzig auf. Nach eigener Aussage hatte sie seit 1809 teilweise allein, teilweise an der Seite ihrer Eltern die Leipziger Messe mit Handelsartikeln besucht. 1813 verehelichte sie sich mit dem in Bamberg geborenen Joseph Samuel Bamberger, dessen Eltern als „Schutzverwandte“ in Leipzig wohnhaft waren und der als Schuldiener der hiesigen jüdischen Gemeinde arbeitete. Für diese trat Joseph laut ihrer Angabe 1821 den Posten als Leichenwäscherin und Krankenwärterin an. Obwohl diese Tätigkeit sie psychisch und körperlich stark beansprucht haben dürfte, sollte Joseph sie bis zu ihrem Tod ausüben. Im Juni 1835 wandte sich die des Schreibens Unkundige mithilfe eines Rechtsbeistands an das sächsische Ministerium des Innern. Zu diesem Zeitpunkt hatte sie bereits das Ableben sowohl ihres Ehemanns als auch von fünf ihrer wahrscheinlich acht gemeinsamen Kinder zu verkraften gehabt. Im genannten Schriftsatz bat Joseph um die Gewährung eines beständigen Aufenthalts in Leipzig, nachdem die Sicherheitsbehörde ihr zuvor mit Ausweisung gedroht habe, sofern sie keine Konzession vorlegen könne. Sie sei, so versicherte die verwitwete Joseph, dank ihrer Stelle als Leichenwäscherin und Krankenwärterin auch ohne Ehemann in der Lage, selbst für den nötigen Lebensunterhalt aufzukommen, zumal die älteste Tochter sie durch Einkünfte aus Näh- und Reinigungsarbeiten unterstütze. Die Befürchtung, dass sie durch Verarmung der Stadtverwaltung zur Last falle, sei unbegründet. Dazu führte Joseph die Unbescholtenheit ihrer Person und der Familie an. Hinzu komme, dass sie und die drei überlebenden Kinder im Alter von 13, 15 und 17 Jahren nirgendwo anders eine Chance zur Aufnahme hätten. Ein beigefügtes Schreiben des Kantors Wolff Seeligmann Ulmann bestätigte Josephs Anstellung bei der jüdischen Gemeinde. Da auch die Sicherheitsbehörde auf Erkundigung hin nichts Negatives über sie zu berichten wusste, wurde dem Gesuch von Joseph um eine Aufenthaltserlaubnis im August 1835 durch das Ministerium stattgegeben, solange sie verwitwet bliebe. Eine im gleichen Jahr durch die Königliche Landesdirektion in Auftrag gegebene Liste von Juden in Leipzig lässt weitere Konturen der Lebenswelt Josephs erahnen, da sie als die Witwe des Schuldieners, jüdische Leichenfrau und Trödlerin bezeichnet wird. Sie sei unbescholten, unvermögend, könne nicht schreiben und ihre drei in Leipzig geborenen Kinder hätten die christliche Armenschule besucht. Zu dieser Zeit lebte Joseph, wahrscheinlich mit den Kindern, am Brühl 728 zwischen Nikolai- und Ritterstraße in Leipzig. 1838 wurde sie erstmals im städtischen Adressbuch als „Leichenweib der israelitischen Gemeinde“ verzeichnet. Offenbar reichten die Tätigkeiten für die jüdische Gemeinde nicht aus, um ihre Existenz und die ihrer Familie abzusichern, weshalb sie auch als Trödlerin tätig war. Nachdem sie bereits viele Jahre diesem Gewerbe nachgegangen war, konnte sie 1862 nach Verabschiedung des Gewerbegesetzes in Sachsen eine Konzession für ihren Trödelhandel erwerben. Diese beinhaltete nur geringfügige Beschränkungen, wonach sie beispielsweise von Bettlern, Straffälligen, Schülern oder Lehrlingen nichts annehmen oder kaufen dürfe. Der Umstand, dass Joseph auch noch im fortgeschrittenen Alter von 74 Jahren Trödel verkaufte, ist wohl ein weiteres Indiz für die wirtschaftlichen Zwänge, denen sie ausgesetzt war, aber möglicherweise auch für ihre unternehmerische Rührigkeit. Sie erreichte ein Alter von etwa 80 Jahren und überlebte damit die meisten ihrer Kinder. Joseph war zuletzt unter der Anschrift Brühl 48 in Leipzig verzeichnet und wurde nach ihrem Tod auf dem Alten Israelitischen Friedhof im Norden Leipzigs beerdigt.

Quellen Stadtarchiv Leipzig, 0006 Leichenschreiberei, Ratsleichenbücher, Reg.-Nr. 353 (1868), 0008 Ratsstube, II. Sektion J 290, J 291, J 428, Kap. 6, Nr. 109, Bd. 206; Leipziger Adressbuch 1838-1868.

Literatur Josef Reinhold, Zwischen Aufbruch und Beharrung. Juden und jüdische Gemeinde in Leipzig während des 19. Jahrhunderts, Dresden 1999; Katrin Löffler, Leipzigs alter jüdischer Friedhof im Johannistal, Leipzig 2022.

Lucas Böhme
12.8.2025


Empfohlene Zitierweise:
Lucas Böhme, Artikel: Adelheid Joseph,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/29390 [Zugriff 6.9.2025].

Adelheid Joseph



Quellen Stadtarchiv Leipzig, 0006 Leichenschreiberei, Ratsleichenbücher, Reg.-Nr. 353 (1868), 0008 Ratsstube, II. Sektion J 290, J 291, J 428, Kap. 6, Nr. 109, Bd. 206; Leipziger Adressbuch 1838-1868.

Literatur Josef Reinhold, Zwischen Aufbruch und Beharrung. Juden und jüdische Gemeinde in Leipzig während des 19. Jahrhunderts, Dresden 1999; Katrin Löffler, Leipzigs alter jüdischer Friedhof im Johannistal, Leipzig 2022.

Lucas Böhme
12.8.2025


Empfohlene Zitierweise:
Lucas Böhme, Artikel: Adelheid Joseph,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/29390 [Zugriff 6.9.2025].