Betty Kunze
In der Nachfolge ihres Vaters widmete sich auch K. bereits seit ihrer frühen Jugend den schönen Künsten. Sie lernte das Zeichnen und trat später auf Wohltätigkeitskonzerten als Sängerin auf. – K. wurde in
Arolsen geboren, wo ihr Vater am Hof des Fürsten von Waldeck und Pyrmont als Rat und Kabinettmaler tätig war. Eine wertvolle Quelle in Bezug auf K. als Person sind die Lebenserinnerungen ihrer älteren Schwester Caroline, die diese für ihre Kinder verfasste. Caroline beschreibt die achtjährige K. als Mädchen „von ungewöhnlich zarter Körperbildung“ und als „stilles, sehr reizbares Kind“ (A. Stoll). Auffällig war bereits in jungen Jahren ihr Talent für die Musik. Früh brachte ihre Mutter K. und ihrer älteren Schwester Lieder bei, später erhielten beide Gesangsunterricht. K. sang Sopran und ihre Schwester Alt. Während ihr Vater mit dem Malen beschäftigt war, erfreuten die beiden Schwestern ihn mit ihren Liedern oder übten bei ihm kleinere Gesangstücke ein, die sie den Personen darboten, die dem Vater für ein Porträt Modell saßen. Auch sangen sie, manchmal gemeinsam mit der Mutter, auf Gesellschaften den Gästen vor. Wie Caroline wurde auch K. von ihrem Vater im Zeichnen unterrichtet. Nach einem längeren Aufenthalt in
Amsterdam siedelte die Familie Ende 1795 nach
Dessau über, wo der Vater in die Dienste des Fürsten Leopold III. von Anhalt-Dessau trat. 1800 malte Johann Friedrich August Tischbein das große Familienbildnis, das ihn zusammen mit seiner Frau, den beiden Töchtern und dem dreijährigen Sohn Carl Wilhelm Kunze zeigt (heute im Museum der bildenden Künste Leipzig). K. ist im Zentrum der Darstellung in einem weißen Kleid zu sehen und hält den jüngeren Carl Wilhelm auf ihren Schultern. Ab 1800 wohnte die Familie in Leipzig, wo Tischbein als Nachfolger von Adam Friedrich Oeser zum Direktor der 1764 gegründeten Kunstakademie ernannt wurde. Dort entstand 1805 ein Porträt der jungen K. (heute in der Gemäldegalerie Alte Meister
Kassel), ebenfalls gemalt von ihrem Vater. Am 2.11.1807 heiratete sie den Leipziger Kaufmann Friedrich Wilhelm Kunze in Abwesenheit ihres Vaters, der 1806 zur Regelung der Erbschaft seines Bruders nach
St. Petersburg (russ. Sankt-Peterburg) gereist war. Aus der Ehe gingen drei Kinder hervor. Von ihrer Freundin Charlotte Wilhelmine Krug (geb. von Zenge) wurde K. 1809 in Pastell gemalt. Der mit ihrem Ehemann eng befreundete Theodor Körner verfasste zwei Gedichte für K. 1811 geriet die Familie durch einen Vermögensverlust in finanzielle Probleme, die lange Zeit anhielten. Erst mit dem Eintritt Kunzes in die Leipziger Feuerversicherungsgesellschaft 1837, die er später als Direktor leitete, wendete sich die problematische Situation. Eine Gemeinsamkeit, die das Ehepaar verband, war ihre Hinwendung zur Musik: Kunze war von 1809 bis 1811 Mitglied der Konzertdirektion des Leipziger Gewandhauses und wirkte mit der Violine oder als Pianist an Konzerten mit. Am 12.11.1813 fand im Leipziger Theater ein Wohltätigkeitskonzert zugunsten der zahlreichen Lazarette statt, die nach der Völkerschlacht in der Stadt eingerichtet werden mussten. K. war als Sängerin an mehreren Stücken beteiligt, u.a. sang sie ein Duett des Komponisten Johann Simon Mayr. In einem weiteren wohltätigen Konzert, das am 20.4.1814 in der Leipziger Nikolaikirche veranstaltet wurde, sang K. als Sopranistin in Joseph Haydns „Schöpfung“. Nach dem Tod des Vaters 1812 nahm K. ihre Mutter Sophie trotz ihrer schwierigen finanziellen Verhältnisse in ihr Haus in der Klostergasse auf, wo diese bis zu ihrem Tod 1840 lebte. Nachdem K.s Ehemann 1862 verstorben war, holte deren Tochter Therese die Mutter sowie ihre unverheiratete Schwester Emma nach Elster auf das Rittergut Mühlhausen, wo K. 1867 starb.
Literatur Allgemeine musikalische Zeitung 15/1813, Nr. 47, Sp. 774, 16/1814, Nr. 19, Sp. 321; Alfred Dörffel, Geschichte der Gewandhausconcerte zu Leipzig vom 25. November 1781 bis 25. November 1881, Leipzig 1884; Adolf Stoll, Der Maler Joh. Friedrich August Tischbein und seine Familie. Ein Lebensbild nach den Aufzeichnungen seiner Tochter Caroline, Stuttgart 1923 (P); Kurt Luthmer (Hg.), Die hessische Malerfamilie Tischbein. Verzeichnis ihrer Mitglieder und einer Auswahl ihrer Werke, Kassel 1934; Bärbel Kovalevski (Hg.), Zwischen Ideal und Wirklichkeit. Künstlerinnen der Goethe-Zeit zwischen 1750 und 1850, Ostfildern-Ruit 1999; Michael Eissenhauer (Hg.), Spätbarock und Klassizismus. Bestandskatalog der Gemälde in den Staatlichen Museen Kassel, Kassel/Wolfratshausen 2003; ders./Hans-Werner Schmidt (Hg.), 3 x Tischbein und die europäische Malerei um 1800, München 2005; Martina Sitt (Hg.), Aufgedeckt. Malerinnen im Umfeld Tischbeins und der Kasseler Kunstakademie 1777-1830, Hamburg/Berlin 2016. – DBA II; Chris Petteys, Dictionary of Women Artists. An international dictionary of women artists born before 1900, Boston 1985, S. 700; Thieme/Becker, Bd. 33, Leipzig 1999, S. 206; Paul Schmaling, Künstlerlexikon Hessen-Kassel. Mit den Malerkolonien Willingshausen und Kleinsassen, Kassel 2001, S. 581.
Porträt Betty Tischbein, Johann Friedrich August Tischbein, 1805, Leinwand, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, Inv.-Nr. GK 725a; Betty Tischbein, Johann Friedrich August Tischbein, 1805, Leinwand, KU Leuven, Glasdiapositiv, Fotografie: Verlag Dr. Franz Stoedtner, Berlin, 1910/1939 (Bildquelle) [Public Domain Mark 1.0; dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Public Domain Mark 1.0 Lizenz].
Alana Möller
7.7.2020
Empfohlene Zitierweise:
Alana Möller, Artikel: Betty Kunze,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/29145 [Zugriff 26.11.2024].
Betty Kunze
Literatur Allgemeine musikalische Zeitung 15/1813, Nr. 47, Sp. 774, 16/1814, Nr. 19, Sp. 321; Alfred Dörffel, Geschichte der Gewandhausconcerte zu Leipzig vom 25. November 1781 bis 25. November 1881, Leipzig 1884; Adolf Stoll, Der Maler Joh. Friedrich August Tischbein und seine Familie. Ein Lebensbild nach den Aufzeichnungen seiner Tochter Caroline, Stuttgart 1923 (P); Kurt Luthmer (Hg.), Die hessische Malerfamilie Tischbein. Verzeichnis ihrer Mitglieder und einer Auswahl ihrer Werke, Kassel 1934; Bärbel Kovalevski (Hg.), Zwischen Ideal und Wirklichkeit. Künstlerinnen der Goethe-Zeit zwischen 1750 und 1850, Ostfildern-Ruit 1999; Michael Eissenhauer (Hg.), Spätbarock und Klassizismus. Bestandskatalog der Gemälde in den Staatlichen Museen Kassel, Kassel/Wolfratshausen 2003; ders./Hans-Werner Schmidt (Hg.), 3 x Tischbein und die europäische Malerei um 1800, München 2005; Martina Sitt (Hg.), Aufgedeckt. Malerinnen im Umfeld Tischbeins und der Kasseler Kunstakademie 1777-1830, Hamburg/Berlin 2016. – DBA II; Chris Petteys, Dictionary of Women Artists. An international dictionary of women artists born before 1900, Boston 1985, S. 700; Thieme/Becker, Bd. 33, Leipzig 1999, S. 206; Paul Schmaling, Künstlerlexikon Hessen-Kassel. Mit den Malerkolonien Willingshausen und Kleinsassen, Kassel 2001, S. 581.
Porträt Betty Tischbein, Johann Friedrich August Tischbein, 1805, Leinwand, Museumslandschaft Hessen Kassel, Gemäldegalerie Alte Meister, Inv.-Nr. GK 725a; Betty Tischbein, Johann Friedrich August Tischbein, 1805, Leinwand, KU Leuven, Glasdiapositiv, Fotografie: Verlag Dr. Franz Stoedtner, Berlin, 1910/1939 (Bildquelle) [Public Domain Mark 1.0; dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Public Domain Mark 1.0 Lizenz].
Alana Möller
7.7.2020
Empfohlene Zitierweise:
Alana Möller, Artikel: Betty Kunze,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/29145 [Zugriff 26.11.2024].