Karolina Karlovna Pavlova
P. zählt trotz ihres im Umfang verhältnismäßig bescheidenen Werks zu den wichtigsten russischen Schriftstellerinnen des 19. Jahrhunderts. Einen großen Teil ihres Lebens verbrachte sie in Sachsen. Dank ihrer poetischen und sprachlichen Begabung gilt sie als bedeutende Mittlerin zwischen der russischen und deutschen Kultur. Sie erhielt eine glänzende Ausbildung. Ihr dichterisches Talent entfaltete sich, in der romantischen Tradition stehend, früh zur Reife, wobei sie v.a. die formalen Mittel souverän handhabte. In ihrem Moskauer Salon traf sie seit der zweiten Hälfte der 1820er-Jahre mit bedeutenden russischen Schriftstellern, darunter
Aleksandr Puškin,
Vassilij Žukovskij,
Evgenij Baratynskij und
Dmitrij Venevitinov, zusammen und trug ihnen ihre Lyrik vor; später war sie mit Slawophilen wie
Konstantin und
Ivan Aksakov,
Nikolaj Jazykov und
Ivan Kireevskij befreundet. In Moskau begegnete ihr 1829
Alexander von Humboldt; dem polnischen Nationaldichter
Adam Mickiewicz stand sie 1826 bis 1829 persönlich sehr nahe. Ihre formvollendeten Gedichte und hochwertigen Übersetzungen aus dem Russischen fasste sie unter ihrem Mädchennamen Jaenisch in der Sammlung „Das Nordlicht“ (1833) sowie in Französisch („Les préludes“, 1839) zusammen. Soziale Themen waren P. fremd. Ihr lyrischer Held erhebt sich stets über die Gesellschaft, mit der er sich in ständigem Konflikt wähnt. In der Skizze „Dvojnaja žizn‘“ (1848, Ein Doppelleben) setzte sie sich mit den bürgerlichen Konventionen in der Adelsgesellschaft auseinander. Das Poem „Razgovor v Trianone“ (1848, Gespräch in Trianon), in dem P. auch die französischen Revolutionsereignisse von 1848 reflektierte, wurde deshalb nach einem Verbot durch die Zensur nur handschriftlich verbreitet, obwohl P. selbst keinerlei Sympathie für die Revolution empfand. In dem Gedicht „Razgovor v Kremle“ (1854, Gespräch im Kreml) behandelte sie von slawophilen Positionen aus das Verhältnis Russlands zu Westeuropa. – Nach einer unglücklichen Ehe mit dem Dichter
Nikolaj Pavlov bereiste P. 1853 West- und Südeuropa, traf in Weimar mit
Franz Liszt zusammen (der zwei ihrer Gedichte vertonte) und siedelte sich im November 1858, in bescheidenen Verhältnissen lebend, für immer in Dresden an. Hier trat sie in engeren Kontakt zu dem Übersetzer und Redakteur Wilhelm Wolfsohn (sie publizierte in dessen „Russischer Revue“) und zu Berthold Auerbach, v.a. aber zu dem damals mehrere Sommer in der Stadt lebenden bekannten russischen Autor
Aleksej Konstantinovič Tolstoj. Sie gewann in Dresden bald einen Ruf als vorzügliche Übersetzerin seiner historischen Dramen „Don Džuan“ (1862, Don Juan, dt. 1863), „Smert‘ Ivana Groznogo“ (1866, Der Tod Iwan‘s des Furchtbaren, dt. 1868), „Car‘ Fëdor Ioannovič“ (1868, Zar Fjodor Ioannowitsch, dt. 1869) sowie seiner Lyrik („Zwölf Gedichte“, 1868), aber sie übersetzte auch Friedrich von Schillers „Wallensteins Tod“ ins Russische und „Die Jungfrau von Orleans“ ins Französische. Ihre Komödie „Eine übereilte Ehe“ (1859) wurde mehrfach in Dresden aufgeführt; die Stadt selbst besang sie in einigen elegischen Gedichten. Die erste russische Sammlung ihrer Lyrik erschien 1863 in Moskau, in der das Thema des unverstandenen Dichters beherrschend blieb. Sie lebte seit den 1870er-Jahren in Dresden sehr zurückgezogen, fast vergessen. Erst nach 1900 wurde ihr literarisches Schaffen wieder entdeckt und gewürdigt.
Werke Polnoe sobranie stichotvorenij (Vollständige Gedichtsammlung), Moskau/Leningrad 1964; F. Göpfert (Hg.), Das deutsche Werk Karolina Karlovna P.s, 3 Bde., Potsdam 1994.
Literatur B. Lettmann-Sadony, Karolina Karlovna P., München 1971; F. Göpfert, Karolina P., in: ders. (Hg.), Das deutsche Werk Karolina Karlovna P.s., Bd. 1/1, Potsdam 1994, S. 167-205; M. Š. Fajnštejn, „Menja Vy nazvali poėtom...“ (Sie haben mich Dichter genannt...), Fichtenwald 2002 (P). – A. A. Surkov (Hg.), Kratkaja Literaturnaja Ėnciklopedija, Bd. 5, Moskau 1968, S. 530.
Erhard Hexelschneider
15.8.2004
Empfohlene Zitierweise:
Erhard Hexelschneider, Artikel: Karolina Karlovna Pavlova,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/22533 [Zugriff 21.11.2024].
Karolina Karlovna Pavlova
Werke Polnoe sobranie stichotvorenij (Vollständige Gedichtsammlung), Moskau/Leningrad 1964; F. Göpfert (Hg.), Das deutsche Werk Karolina Karlovna P.s, 3 Bde., Potsdam 1994.
Literatur B. Lettmann-Sadony, Karolina Karlovna P., München 1971; F. Göpfert, Karolina P., in: ders. (Hg.), Das deutsche Werk Karolina Karlovna P.s., Bd. 1/1, Potsdam 1994, S. 167-205; M. Š. Fajnštejn, „Menja Vy nazvali poėtom...“ (Sie haben mich Dichter genannt...), Fichtenwald 2002 (P). – A. A. Surkov (Hg.), Kratkaja Literaturnaja Ėnciklopedija, Bd. 5, Moskau 1968, S. 530.
Erhard Hexelschneider
15.8.2004
Empfohlene Zitierweise:
Erhard Hexelschneider, Artikel: Karolina Karlovna Pavlova,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/22533 [Zugriff 21.11.2024].