Hugo Hartung
H. war ein Schüler, Freund und enger Mitarbeiter des „Gotikers“ Karl Schäfer. Er setzte als Hochschullehrer, Architekt und Dombaumeister zu Meißen das auf die Erforschung und Wiederbelebung mittelalterlicher Baukunst ausgerichtete künstlerische Werk Schäfers fort, vollzog aber nach 1910 einen radikalen Wandel zur modernen Architektur. – H. absolvierte das Großherzogliche Realgymnasium in Eisenach und studierte ab 1876 an der Bauakademie in Berlin, u.a. bei Schäfer. Nachdem er 1880 das Examen als Regierungsbauführer abgelegt hatte, war er an der Planung und Bauausführung der Medizinischen Klinik in Marburg beteiligt. 1884 schied er aus dem Staatsdienst aus, absolvierte aber im Jahr darauf die Prüfung zum Regierungsbaumeister. Seit 1884 unterhielt er in Berlin gemeinsam mit Schäfer, der an der Technischen Hochschule Berlin lehrte, ein Architekturbüro. Mit
Richard Schultze baute er 1886 bis 1888 einen neogotischen Wasserturm in der heutigen Fidicinstraße in Berlin-Kreuzberg. H. entwarf Einfamilienhäuser, Villen, Landsitze und Verwaltungsgebäude, die er in neogotischen Formen oder im Stil der deutschen Renaissance gestaltete. Die von der Fachwelt stark beachteten Bauten wurden in den Architekturzeitschriften veröffentlicht, so u.a. sein eigenes Wohnhaus in Berlin-Charlottenburg (1889), die Villa Hartung in der Beymestraße in Berlin-Grunewald (1900), die Villa Ludowici in Hanau (1899), das Haus Ludowici in Landau (1900), Schloss Ornontowitz (poln. Ornontowice) bei Gleiwitz (Gliwice) (1900), das Kreisständehaus in Gnesen (poln. Gniezno) (1900), der Landsitz Eichhof bei Lauterbach/Hessen (1904) und der Alteburgturm bei Arnstadt (1902). In Thorn (poln. Toruń) entwarf H. 1899 das Kreishaus und 1901 die Bismarcksäule. Den Turm der dortigen evangelischen Kirche gestaltete er in barocken Formen. H. war Mitarbeiter des Zentralblatts der Bauverwaltung und der Zeitschrift für Bauwesen. – H. habilitierte sich 1894/95 an der Technischen Hochschule Berlin in Konstruktions- und Formenlehre der mittelalterlichen Baukunst und publizierte 1896 bis1906 das dreibändige Fachbuch „Motive der mittelalterlichen Baukunst in Deutschland“. 1901 wurde H. als Professor an die Technische Hochschule Dresden berufen. Zusammen mit Paul Wallot, Fritz Schumacher, Martin Dülfer und German Bestelmeyer regte er die nachwachsende Architektengeneration an, neue Wege zu beschreiten. Zu seinen Schülern gehörte u.a.
Hugo Häring. Von Dresden aus begleitete H. den Bau der Domtürme in Meißen. Nachdem Dombaumeister Schäfer 1908 gestorben war, wurde H. als dessen Nachfolger berufen. Er vollendete die Westturmanlage und leitete die Innenrestaurierung der Domkirche (1908-1912). Dabei löste er sich zunehmend vom Leitbild Schäfers, mittelalterliche Gestaltungsweisen in die Gegenwart zu tragen. Er vollzog 1910/11 einen abrupten Wechsel in seinen Ansichten und trat seitdem für eine moderne, einfache Bauweise ohne historisierendes Formengut ein. Der 1911 errichtete Dachreiter der Fürstenkapelle des Meißner Doms markiert diesen Bruch: Die Turmspitze wurde stark vereinfacht und auf schlichte Grundformen reduziert. – 1912 wechselte H. an die Technische Hochschule Berlin, wo er die frühere Professur Schäfers übernahm. 1915 hielt er an dieser Hochschule die Rede zum Geburtstag des Kaisers, in der er für eine moderne nationale Baukunst eintrat. Aufsehen erregte sein Wohnhaus in Berlin-Nikolassee (1914/15), das er entgegen bisheriger Gewohnheit ganz schlicht und schmucklos gestaltete und mit Hintermauerungsteinen verkleidete, ohne das Mauerwerk zu verputzen. H. trat 1920 in den Ruhestand. Der hoch geachtete Architekt war Geheimer Regierungsrat, Ehrensenator der Technischen Hochschule Berlin und außerordentliches Mitglied der Akademie des Bauwesens.
Werke Bauwerke: Wasserturm Berlin-Kreuzberg, 1886-1888; eigenes Wohnhaus Berlin-Charlottenburg 1889; Heiliggeistkirche Thorn, Turm, 1897-1899; Villa Ludowici Hanau, 1899; Kreishaus Thorn, 1899; Villa Hartung Berlin-Grunewald, 1900; Schloss Ornontowitz, 1900; Kreisständehaus Gnesen, 1900; Bismarcksäule Thorn, 1901; Alteburgturm bei Arnstadt, 1902; Dom Meißen, Innenrestaurierung und Türme, 1903-1909, Dachreiter der Fürstenkapelle, 1911; Landsitz Eichhof bei Lauterbach/Hessen, 1904; eigenes Wohnhaus Berlin-Nikolassee 1914/15; Schriften: (Hg.), Motive der mittelalterlichen Baukunst in Deutschland in photografischen Originalaufnahmen, 3 Bde., Berlin 1896-1906.
Literatur Hugo H., in: Zentralblatt der Bauverwaltung 53/1933, S. 34; M. Donath, Der Ausbau der Westtürme und die Restaurierung 1902 bis 1912, in: G. Donath (Hg.), Die Restaurierung des Doms zu Meißen 1990 bis 2002, Stuttgart 2003, S. 41-43. – DBA II; Thieme/Becker, Bd. 16, Leipzig 1999, S. 89; D. Petschel (Bearb.), Die Professoren der TU Dresden 1828-2003, Köln 2003, S. 327f.
Porträt Fotografie, Technische Universität Dresden, Universitätsarchiv (Bildquelle).
Matthias Donath
12.6.2012
Empfohlene Zitierweise:
Matthias Donath, Artikel: Hugo Hartung,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1952 [Zugriff 22.11.2024].
Hugo Hartung
Werke Bauwerke: Wasserturm Berlin-Kreuzberg, 1886-1888; eigenes Wohnhaus Berlin-Charlottenburg 1889; Heiliggeistkirche Thorn, Turm, 1897-1899; Villa Ludowici Hanau, 1899; Kreishaus Thorn, 1899; Villa Hartung Berlin-Grunewald, 1900; Schloss Ornontowitz, 1900; Kreisständehaus Gnesen, 1900; Bismarcksäule Thorn, 1901; Alteburgturm bei Arnstadt, 1902; Dom Meißen, Innenrestaurierung und Türme, 1903-1909, Dachreiter der Fürstenkapelle, 1911; Landsitz Eichhof bei Lauterbach/Hessen, 1904; eigenes Wohnhaus Berlin-Nikolassee 1914/15; Schriften: (Hg.), Motive der mittelalterlichen Baukunst in Deutschland in photografischen Originalaufnahmen, 3 Bde., Berlin 1896-1906.
Literatur Hugo H., in: Zentralblatt der Bauverwaltung 53/1933, S. 34; M. Donath, Der Ausbau der Westtürme und die Restaurierung 1902 bis 1912, in: G. Donath (Hg.), Die Restaurierung des Doms zu Meißen 1990 bis 2002, Stuttgart 2003, S. 41-43. – DBA II; Thieme/Becker, Bd. 16, Leipzig 1999, S. 89; D. Petschel (Bearb.), Die Professoren der TU Dresden 1828-2003, Köln 2003, S. 327f.
Porträt Fotografie, Technische Universität Dresden, Universitätsarchiv (Bildquelle).
Matthias Donath
12.6.2012
Empfohlene Zitierweise:
Matthias Donath, Artikel: Hugo Hartung,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1952 [Zugriff 22.11.2024].