Bernhard Fischer
Der im böhmischen Budikau (tschech. Budíkov) geborene Bernhard Fischer wirkte zunächst als Rabbiner, später als Publizist. Die von ihm herausgegebenen und selbst verfassten Werke, die ihn einer breiteren Öffentlichkeit namhaft werden ließen, kreisten thematisch um theologische Fragen nach der Bedeutung von Bibel und Talmud für Philosophie und Kultur sowie solche der religiösen Sprach- und Wissensvermittlung. – Seine Ausbildung an der
Prager Universität und dem dortigen Piaristenkolleg schloss Fischer 1850 mit einer Promotion zum Doktor der Philosophie ab. Er wurde anschließend von dem Berauner Kreisrabbiner Löb Glogau ordiniert. Hiernach wirkte er zunächst als Privatlehrer. Im Zeitraum 1854/57 bis 1863 war Fischer in verschiedenen kleineren Gemeinden des Bezirks
Eger (tschech. Cheb) als Rabbiner beschäftigt. 1861 trat er als Rabbiner in
Petschau (tschech. Bečov nad Teplou) der sich der Orientalistik widmenden Deutschen Morgenländischen Gesellschaft bei. – 1863 zog Fischer nach Leipzig, wo er an der Universität einen Lehrauftrag erhielt und sich daneben v.a. schriftstellerischen Tätigkeiten widmete bzw. sich als Herausgeber von Neuauflagen religiöser bzw. philologischer Literatur hervortat. Zu den von ihm herausgegebenen Werken gehören Neuauflagen von Johann Buxtorfs d.J. „Lexicon chaldaicum talmudicum rabbinicum“ (1869-1875) und Georg Benedikt Winers „Chaldäische Grammatik für Bibel und Targumim“ (1882). V.a. die erste der genannten Herausgeberschaften verlieh ihm einen hohen Bekanntheitsgrad unter Gelehrten jüdischen Schrifttums der Region, wie etwa der Leipziger Rabbiner Abraham Meyer Goldschmidt und der Dresdner Oberrabbiner Wolf Landau in ihren Vorworten zu Fischers „Bibel und Talmud in ihrer Bedeutung für Kultur und Philosophie“ (1881) attestierten. – Eine weitere von Fischer herausgegebene, monatlich erscheinende Publikation war die illustrierte Zeitschrift „Bikoreth ha-ittim“ (Die Erstlingsfrüchte), die als Referenz auf das gleichnamige Jahrbuch der Haskala, der jüdischen Aufklärung, aus dem frühen 19. Jahrhundert verstanden werden kann. Hier wie dort wurde in hebräischer Sprache publiziert, allerdings konzentrierte sich die von Fischer herausgegebene Version auf humoristische und satirische politische Kommentare. – Fischers Werke waren in den Besprechungen umstritten. Neben positiven Resonanzen erschienen in jüdischen Periodika auch Verrisse verschiedener Publikationen, die deren Relevanz, Redlichkeit oder gar seine persönliche Befähigung zur Arbeit als Wissenschaftler und Rabbiner in Zweifel zogen. Ein sich wiederholender Vorwurf zielt auf eine ihnen zuerkannte populärwissenschaftliche Form, die sachliche Korrektheit innerhalb eines klaren Bildungsauftrags suggeriere, damit aber lediglich den subjektiven Charakter seiner Thesen und die Verflachung ihrer Gegenstände verschleiere. In mindestens einem Fall erhob Fischer Klage wegen Ehrbeleidigung gegen einen Redakteur der „Zeitstimme“ aus Petschau, das er im Jahr zuvor verlassen hatte, die das zuständige Gericht für begründet erklärte. Positiv wie negativ hervorgehoben wurde wiederholt die Eigenschaft seiner Schriften, sich an eine den Gegenständen noch unvertraute bzw. nichtjüdische Leserschaft zu wenden. Dies trifft in besonderer Weise auch auf den 1892 erschienenen Text „Talmud und Schulchan Aruch“ zu, bei dem es sich um die Verschriftlichung eines Vortrags handelte, den er für den Leipziger Antisemiten-Verein hielt. Darin setzt er konzise Struktur, Inhalt und Funktion des Schulchan Aruch - einer Sammlung religiöser Vorschriften - sowie des Talmuds auseinander, um diese gegen die judenfeindlichen Vorwürfe des Vereins in Stellung zu bringen, nachdem scheinbar namhafte Antisemiten seine Schriften als Grundlage für ihre Argumentationen verwendet hatten. Zwar betont er seine Entfernung von der jüdischen Gemeinde, aber auch den Geist des Humanismus, der den Talmud durchziehe, den er als Kronzeugen gegen das ins Feld führt, was er die „Verleumdungen der antisemitischen Bewegung“ nannte. – Sein letztes Werk, „Die Rundreise des menschlichen Geistes um die Erde“, veröffentlichte er 1906 unter seinem Pseudonym Baccalaureus Bernardus Piscator. Im gleichen Jahr verstarb er im Alter von 85 Jahren in Leipzig.
Werke Bikoreth ha-ittim. Monatsschrift zur Unterhaltung und Belehrung (Satyrisch-Humoristische Revue mit Carricaturen), Leipzig 1864; (Hg.), Johann Buxtorf d.J., Lexicon chaldaicum talmudicum rabbinicum, Leipzig 1869-1875; Biblisch-talmudisch-rabbinische Blumenlese, Leipzig 1878; Bibel und Talmud in ihrer Bedeutung für Kultur und Philosophie. Text, Uebersetzung und Erklärung auserlesener Stücke, Leipzig 1881; (Hg.), Georg Benedikt Winer, Chaldäische Grammatik für Bibel und Targumim, Leipzig 1882; (Hg.), Talmudische Chrestomathie. Mit Anmerkungen, Scholien und Glossar unter besonderer Berücksichtigung der talmudischen Discussion als Lesebuch zu der von ihm edirten Winer’schen Grammatik bearbeitet, Leipzig 1884; Ein Zeit- und Mahnwort! Wie erziehen wir unsere Kinder zu besseren und glücklicheren Menschen, Leipzig 1886; Hebräische Unterrichtsbriefe. Nach bewährter Methode für den Selbstunterricht in Alt- und Neuhebräisch, Leipzig 1889; Der neue Avé-Lallemant, Leipzig 1889; Talmud und Schulchan Aruch. Ein Vortrag für den Leipziger Antisemiten-Verein, Leipzig 1892; Kochbuch der Kalliope. Ästhetik für Kunst- und Theaterfreunde, Leipzig 1893; Grundzüge der Philosophie und Theosophie populär und für gebildete Leser leicht fasslich dargestellt, Leipzig 1899; Arramäische Grammatik, Leipzig; Psychologische Studien in Briefen aus der Hölle, Leipzig 1906; Die Rundreise des menschlichen Geistes um die Erde, Leipzig 1906.
Literatur Prag, in: Ben Chananja 7/1864, H. 19, Sp. 396; Literarischer Wochenbericht, in: Allgemeine Zeitung des Judenthums 33/1869, H. 11, S. 209; Hanno, Recensionen, in: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 18/1869, H. 6, S. 278-284; Allgemeine Zeitung des Judenthums 42/1878, Nr. 42, S. 667; Wesen der Ethik (Fortsetzung), in: Das Jüdische Centralblatt 1/1882, Nr. 3, S. 1f.; Allgemeine Zeitung des Judenthums 46/1882, Nr. 45, S. 735; Bücherschau, in: Jeschurun. Wochenschrift zur Förderung jüdischen Geistes und jüdischen Lebens in Haus, Gemeinde und Schule NF 3/1885, H. 3, S. 37; Allgemeine Zeitung des Judenthums 52/1888, Nr. 16, S. 248; Litterarische Mittheilungen, in: ebd. 54/1890, Nr. 41, S. 536. – DBA II; DBE II 3, S. 337; Isidore Singer (Hg.), Jewish Encyclopedia, Bd. 5, New York 1903, S. 401; Samuel Winninger (Hg.), Große Jüdische National-Biographie, Bd. 2, Czernowitz 1927, S. 257; Heribert Sturm (Hg.), Lexikon zur Geschichte der böhmischen Länder, Bd. 1, München 1979, S. 353; Hilmar Schmuck/Willi Gorzny, Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums, 1700-1910, Bd. 38, München u.a. 1981, S. 38; Rudolf M. Wlaschek (Hg.), Biographia Judaica Bohemiae, Bd. 1, Dortmund 1995, S. 49; Michael Brocke/Julius Carlebach (Hg.), Biographisches Handbuch der Rabbiner, Teil 1: Die Rabbiner der Emanzipationszeit in den deutschen, böhmischen und großpolnischen Ländern 1781-1871, München 2004, S. 308.
Sophie Farida Rabenow
11.1.2024
Empfohlene Zitierweise:
Sophie Farida Rabenow, Artikel: Bernhard Fischer,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1426 [Zugriff 26.11.2024].
Bernhard Fischer
Werke Bikoreth ha-ittim. Monatsschrift zur Unterhaltung und Belehrung (Satyrisch-Humoristische Revue mit Carricaturen), Leipzig 1864; (Hg.), Johann Buxtorf d.J., Lexicon chaldaicum talmudicum rabbinicum, Leipzig 1869-1875; Biblisch-talmudisch-rabbinische Blumenlese, Leipzig 1878; Bibel und Talmud in ihrer Bedeutung für Kultur und Philosophie. Text, Uebersetzung und Erklärung auserlesener Stücke, Leipzig 1881; (Hg.), Georg Benedikt Winer, Chaldäische Grammatik für Bibel und Targumim, Leipzig 1882; (Hg.), Talmudische Chrestomathie. Mit Anmerkungen, Scholien und Glossar unter besonderer Berücksichtigung der talmudischen Discussion als Lesebuch zu der von ihm edirten Winer’schen Grammatik bearbeitet, Leipzig 1884; Ein Zeit- und Mahnwort! Wie erziehen wir unsere Kinder zu besseren und glücklicheren Menschen, Leipzig 1886; Hebräische Unterrichtsbriefe. Nach bewährter Methode für den Selbstunterricht in Alt- und Neuhebräisch, Leipzig 1889; Der neue Avé-Lallemant, Leipzig 1889; Talmud und Schulchan Aruch. Ein Vortrag für den Leipziger Antisemiten-Verein, Leipzig 1892; Kochbuch der Kalliope. Ästhetik für Kunst- und Theaterfreunde, Leipzig 1893; Grundzüge der Philosophie und Theosophie populär und für gebildete Leser leicht fasslich dargestellt, Leipzig 1899; Arramäische Grammatik, Leipzig; Psychologische Studien in Briefen aus der Hölle, Leipzig 1906; Die Rundreise des menschlichen Geistes um die Erde, Leipzig 1906.
Literatur Prag, in: Ben Chananja 7/1864, H. 19, Sp. 396; Literarischer Wochenbericht, in: Allgemeine Zeitung des Judenthums 33/1869, H. 11, S. 209; Hanno, Recensionen, in: Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums 18/1869, H. 6, S. 278-284; Allgemeine Zeitung des Judenthums 42/1878, Nr. 42, S. 667; Wesen der Ethik (Fortsetzung), in: Das Jüdische Centralblatt 1/1882, Nr. 3, S. 1f.; Allgemeine Zeitung des Judenthums 46/1882, Nr. 45, S. 735; Bücherschau, in: Jeschurun. Wochenschrift zur Förderung jüdischen Geistes und jüdischen Lebens in Haus, Gemeinde und Schule NF 3/1885, H. 3, S. 37; Allgemeine Zeitung des Judenthums 52/1888, Nr. 16, S. 248; Litterarische Mittheilungen, in: ebd. 54/1890, Nr. 41, S. 536. – DBA II; DBE II 3, S. 337; Isidore Singer (Hg.), Jewish Encyclopedia, Bd. 5, New York 1903, S. 401; Samuel Winninger (Hg.), Große Jüdische National-Biographie, Bd. 2, Czernowitz 1927, S. 257; Heribert Sturm (Hg.), Lexikon zur Geschichte der böhmischen Länder, Bd. 1, München 1979, S. 353; Hilmar Schmuck/Willi Gorzny, Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums, 1700-1910, Bd. 38, München u.a. 1981, S. 38; Rudolf M. Wlaschek (Hg.), Biographia Judaica Bohemiae, Bd. 1, Dortmund 1995, S. 49; Michael Brocke/Julius Carlebach (Hg.), Biographisches Handbuch der Rabbiner, Teil 1: Die Rabbiner der Emanzipationszeit in den deutschen, böhmischen und großpolnischen Ländern 1781-1871, München 2004, S. 308.
Sophie Farida Rabenow
11.1.2024
Empfohlene Zitierweise:
Sophie Farida Rabenow, Artikel: Bernhard Fischer,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1426 [Zugriff 26.11.2024].