Christian Wilhelm Ernst Dietrich
Seinen ersten Unterricht erhielt D. von seinem Vater. Seit seinem zwölften Lebensjahr bildete ihn Johann Alexander Thiele in Dresden zum Malerradierer aus und nahm ihn 1728 nach Arnstadt mit. Anschließend lebte D. in Weimar und kam 1738 wieder nach Dresden, wo er von Heinrich Graf Brühl und Carl Heinrich von Heinecken gefördert wurde. Mitte der 1730er-Jahre begann dann D.s produktive künstlerische Phase. Nach seiner Rückkehr von längeren Reisen, die ihn vermutlich auch nach Holland führten, wurde er 1741 zum Hofmaler ernannt. 1743 reiste er auf königliche Kosten nach Italien. D. gehörte am sächsischen Hof neben Louis de Silvestre, Anton Raphael Mengs und Anton Graff zu den wichtigsten Künstlern. Seine Gemälde wurden für die Königliche Galerie angekauft. Nach der Fertigstellung des Stallhofs wurde er 1748 zum Inspektor der Gemäldegalerie ernannt. – D. gehörte dem Nöthnitzer Gelehrtenkreis an, wo er Freundschaft mit Christian Ludwig von Hagedorn, Adam Friedrich Oeser, Anton Raphael Mengs, Philipp Daniel Lippert und Johann Joachim Winckelmann schloss. Enge Verbindungen unterhielt er zudem mit Anton Graff und Adrian Zingg,
Daniel Chodowiecki in Berlin sowie mit
Johann Georg Wille in Paris, der zu den wichtigsten Direktabnehmern seiner Werke zählte. Mindestens 45 Gemälde und noch mehr Zeichnungen hatte Wille dort zu Höchstpreisen verkauft. Nachdem D. 1764 im Zusammenhang mit seiner Funktion als Direktor der Meißner Zeichenschule Mitglied der Dresdner Kunstakademie geworden war, empfahl er sich zwei Jahre später mit einem antiken mythologischen Thema: „Venus und Aeneas“. Bereits 1765 war er auf eigenen Wunsch wieder nach Dresden abberufen worden. Seit 1768 wohnten seine Schüler Johann Christian Klengel und
Johann Ernst Konstantin Plesch bei ihm, die den zunehmend unter Altersgebrechen leidenden D. gemeinsam mit dessen zweiter Ehefrau umsorgten. Wenige Monate nach seinem Tod verkaufte die Witwe den künstlerischen Nachlass von 911 Blättern an das Königliche Kupferstich-Kabinett. Doch behielt sie die Druckplatten, sodass Adrian Zingg die Kupferstiche drucken und unter dem Titel „Œuvre de C. W. E. Dietrich“ neu herausgeben konnte. 1795 verkaufte sie die Platten schließlich an den Nürnberger Kunsthändler
Johann Friedrich Frauenholz. Die Kunst- und Münzsammlung sowie die Bibliothek erwarb D.s Schwiegersohn, der Dresdner Hofjuwelier
Johann Andreas Erhardt. – D.s künstlerische Entwicklung lässt sich nur schwer nachweisen, da er schon früh über breite stilistische Variationsmöglichkeiten verfügte, um sich seinen Vorbildern möglichst nahe anzugleichen. Landschaften, Porträts, Genreszenen und Darstellungen aus der antiken und der christlichen Mythologie, Personifikationen und Allegorien weisen den Hofkünstler als universal „einsetzbar“ aus, der mit sehr verschiedenen Mitteln in den unterschiedlichen Gattungen und Techniken wirksam wurde. Unter Kurfürst Friedrich August II. (August III., König von Polen) war eine Sammlung von 60 Gemälden im Geschmack
Salvador Rosas,
Adrian van Ostades,
Rembrandts,
Antoine Watteaus und anderer Vorbilder von D.s Hand zusammengestellt worden. Das Interesse an den älteren Landschaftern niederländischer Schule übernahm D. von Thiele. Er trug dazu bei, dass die Landschaft sich zur Hauptgattung im Schaffen der Malerradierer in Sachsen und darüber hinaus entwickelte. Auch innerhalb seines eigenen radierten Œuvres, zu dem christliche und antike Szenen, Charakterköpfe und Orientalen in Rembrandts Stil sowie Genreszenen und Tierstudien gehören, bilden Landschaftsradierungen den Höhepunkt. D. experimentierte mit ausgeprägten Hoch- und Querformaten und knüpfte hierin wie in der Motivwahl mit italienischen Gegenden, Hafenansichten, Landschaften mit Ruinen, Denkmälern, Wegkreuzen, Brücken und Türmen an Rembrandt an. An D.s Radierungskunst orientierten sich Johann Georg Wagner und v.a. Klengel. Doch auch alle anderen nachfolgenden Landschaftsradierer, zu denen Jakob Wilhelm Mechau,
Johann Christian Reinhart oder Carl Friedrich Holtzmann und Carl Gottlob Ehrlich gehören, hatten sich an D.s Vorbild zu messen und haben sich an dessen Blättern geschult. Zu seinen Schülern gehörten ferner der spätere Akademieprofessor Giovanni Battista Casanova, der spätere Galerieinspektor Johann Anton Riedel und Friedrich Christian Klass. Neben den Malern gingen hervorragende, experimentierfreudige Druckgrafiker aus seinem Unterricht hervor; außer Carl Friedrich Holtzmann beispielsweise
Johann Konrad Krüger. D.s stilistisch so vielfältiges Werk war häufig Gegenstand für Kupferstecher wie Johann Friedrich Bause,
Christian Friedrich Boetius, Daniel Chodowiecki, Christian Philipp Lindemann,
Franz Edmund Weirotter oder Johann Georg Wille. – D.s Verdienst bestand darin, die spätbarocke und zugleich stimmungsbetonte Landschaftsauffassung Thieles seiner Schülergeneration vermittelt zu haben. Dabei nahm er gelegentlich Elemente der romantischen Landschaft vorweg. Doch von der Landschaftsmalerei abgesehen, empfand man D.s Kunstauffassung im 19. Jahrhundert bald als überholt. Ihm wurde eklektizistische Nachahmung vorgeworfen, während nun eher Zeugnisse eines Originalgenies gefragt waren. Erst in den 1970er-Jahren wurde D. als exzellenter Vertreter einer wichtigen kunsthistorischen Epoche wiederentdeckt.
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Kunstakademie Dresden; Archiv der Porzellanmanufaktur Meißen.
Werke Dekorative Saalausmalungen auf zahlreichen sächsischen Schlössern, z.B. Pillnitz, Hubertusburg bei Oschatz; Blick auf Dresden, 1735, Öl auf Leinwand, Stockholm, Nationalmuseum; Die Mühle mit hohem Gerinne, 1742, Radierung; Der Weg neben dem Kronenfelde, 1742, Radierung; Der schlafende Schäfer bei der Schafherde, 1764, Radierung; Venus und Aeneas, 1766, Öl auf Leinwand, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister; Badende Frauen, o.J., Feder, laviert, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett; Der Sybillentempel in Tivoli, o.J., Feder in Schwarz, grau laviert, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett; Klosterruine bei Meißen, o.J., Feder, laviert, Staatliches Museum Schwerin, Kupferstich-Kabinett.
Literatur J. F. Linck, Monographie der von dem vormals K. Poln. und Churfürstl. Sächs. Hofmaler und Professor etc. C. W. E. D. radirten, geschabten und in Holz geschnittenen malerischen Vorstellungen, Berlin 1846; J. G. A. Frenzel, Die Kupferstich-Sammlung Friedrich Augusts II., Leipzig 1854; F. Schlie, Der Herzog Christian Ludwig II. von Mecklenburg und der Maler Chr. Wilh. Ernst Dietricy, in: Repertorium für Kunstwissenschaft 9/1886, S. 21-27; I. M. Keller, Studien zu den deutschen Rembrandtnachahmungen des 18. Jahrhunderts, Berlin 1981; P. Michel, Christian Wilhelm Ernst D. (1712-1774) und die Problematik des Eklektizismus, München 1984; C. W. E. D., genannt Dietricy, Frankfurt/M. 1989; A. Fröhlich, Landschaftsmalerei in Sachsen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, Weimar 2002, S. 101-107; H. Bärnighausen, „Wie über die Natur die Kunst des Pinsels steigt“, Weimar/Jena 2003, S. 77, 91-94, 163-166, 175-179, 183. – ADB 5, S. 192f.; AKL, Bd. 27, München/Leipzig 2000, S. 297f.; DBA I, II, III; DBE 2, S. 535; NDB 3, S. 696; Thieme/Becker, Bd. 9, Leipzig 1913, S. 259-261.
Porträt Kupferstich nach einem gezeichneten Selbstporträt D.s, C. F. Holtzmann, o.J., Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett; Kupferstich nach einer Zeichnung von A. Graff, A. H. Riedel, o.J., Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett (Bildquelle); Kupferstich nach einer Zeichnung von F. Reclam, GCK, o.J., Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett; Kupferstich nach einem gezeichneten Selbstporträt D.s; J. M. Schmuzer, 1756, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett; Kupferstich nach einer Zeichnung von F. Reclam, D. Chodowiecki, 1768, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett; A.Graff, 1767, Öl auf Leinwand, Staatliche Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek.
Anke Fröhlich
20.2.2009
Empfohlene Zitierweise:
Anke Fröhlich, Artikel: Christian Wilhelm Ernst Dietrich,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1153 [Zugriff 20.12.2024].
Christian Wilhelm Ernst Dietrich
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Kunstakademie Dresden; Archiv der Porzellanmanufaktur Meißen.
Werke Dekorative Saalausmalungen auf zahlreichen sächsischen Schlössern, z.B. Pillnitz, Hubertusburg bei Oschatz; Blick auf Dresden, 1735, Öl auf Leinwand, Stockholm, Nationalmuseum; Die Mühle mit hohem Gerinne, 1742, Radierung; Der Weg neben dem Kronenfelde, 1742, Radierung; Der schlafende Schäfer bei der Schafherde, 1764, Radierung; Venus und Aeneas, 1766, Öl auf Leinwand, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister; Badende Frauen, o.J., Feder, laviert, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett; Der Sybillentempel in Tivoli, o.J., Feder in Schwarz, grau laviert, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett; Klosterruine bei Meißen, o.J., Feder, laviert, Staatliches Museum Schwerin, Kupferstich-Kabinett.
Literatur J. F. Linck, Monographie der von dem vormals K. Poln. und Churfürstl. Sächs. Hofmaler und Professor etc. C. W. E. D. radirten, geschabten und in Holz geschnittenen malerischen Vorstellungen, Berlin 1846; J. G. A. Frenzel, Die Kupferstich-Sammlung Friedrich Augusts II., Leipzig 1854; F. Schlie, Der Herzog Christian Ludwig II. von Mecklenburg und der Maler Chr. Wilh. Ernst Dietricy, in: Repertorium für Kunstwissenschaft 9/1886, S. 21-27; I. M. Keller, Studien zu den deutschen Rembrandtnachahmungen des 18. Jahrhunderts, Berlin 1981; P. Michel, Christian Wilhelm Ernst D. (1712-1774) und die Problematik des Eklektizismus, München 1984; C. W. E. D., genannt Dietricy, Frankfurt/M. 1989; A. Fröhlich, Landschaftsmalerei in Sachsen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, Weimar 2002, S. 101-107; H. Bärnighausen, „Wie über die Natur die Kunst des Pinsels steigt“, Weimar/Jena 2003, S. 77, 91-94, 163-166, 175-179, 183. – ADB 5, S. 192f.; AKL, Bd. 27, München/Leipzig 2000, S. 297f.; DBA I, II, III; DBE 2, S. 535; NDB 3, S. 696; Thieme/Becker, Bd. 9, Leipzig 1913, S. 259-261.
Porträt Kupferstich nach einem gezeichneten Selbstporträt D.s, C. F. Holtzmann, o.J., Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett; Kupferstich nach einer Zeichnung von A. Graff, A. H. Riedel, o.J., Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett (Bildquelle); Kupferstich nach einer Zeichnung von F. Reclam, GCK, o.J., Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett; Kupferstich nach einem gezeichneten Selbstporträt D.s; J. M. Schmuzer, 1756, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett; Kupferstich nach einer Zeichnung von F. Reclam, D. Chodowiecki, 1768, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett; A.Graff, 1767, Öl auf Leinwand, Staatliche Museen zu Berlin - Preußischer Kulturbesitz, Gemäldegalerie, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek.
Anke Fröhlich
20.2.2009
Empfohlene Zitierweise:
Anke Fröhlich, Artikel: Christian Wilhelm Ernst Dietrich,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1153 [Zugriff 20.12.2024].