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Moritz Wilhelm

Von zahlreichen Anekdoten umgeben, wurde der - insgesamt gesehen - nur bedingt regierungsfähige M. wegen seiner Vorliebe für möglichst große Geigen bereits von den Zeitgenossen als „(Bass-)Geigenherzog“ bezeichnet. – Der plötzliche Tod seines Vaters Christian II. nach nur dreijähriger Regierung und - nahezu zeitgleich - seines älteren Bruders Christian Moritz 1694 verursachte eine dynastische Krise. Der erst sechsjährige M. rückte nun als Erbfolger ins Zentrum der Merseburger Herzogsfamilie. Als Oberhaupt der Familie zog der Dresdner Kurfürst die Obervormundschaft über den soeben zum Administrator des Stifts Merseburg postulierten Erbprinzen an sich. 1695 übertrug der Kurfürst jedoch zunächst einige vormundschaftliche Rechte auf Herzog August von Sachsen-Zörbig, v.a. aber auf M.s tatkräftige Mutter Erdmuthe Dorothea. Die Herzoginwitwe erlangte 1699 gegen die Zahlung von 100.000 Talern die alleinige Vormundschaft sowie die - später gebrochene - Zusage des Kurfürsten Friedrich August I. (König August II. von Polen, der Starke), die Wiederzulassung des Stifts Merseburg in den Reichsfürstenrat zu unterstützen. – M. sollte ursprünglich an der Ritterakademie in Wolfenbüttel ausgebildet werden, hielt sich dann aber seit Anfang 1705 am Dresdner Hof auf, ehe er angesichts der bevorstehenden schwedischen Invasion nach Nürnberg gebracht wurde. Da Kursachsen trotz seiner bereits 1706 erreichten Stiftsmündigkeit die Übergabe der Administration systematisch verschleppte, entzog sich M. in Begleitung des Geheimen Rats Christian Friedrich von Brand schließlich dem kurfürstlichen Einflussbereich. Nach Aufenthalten in Hannover und an anderen auswärtigen Höfen hielt er sich wohl seit 1707 zunächst in Wien, dann in Graz auf. Ungeachtet der kaiserlichen Unterstützung mit Schutzbrief, Mündigsprechung und stiftischer Reichsbelehnung 1708 sowie des Beistands bzw. der Vermittlung seiner Zeitzer Verwandtschaft verweigerte M. die geforderte Rückkehr nach Dresden. Dieser, den jungen M. zweifellos besonders prägende Kampf um das väterliche Erbe endete formal erst 1712, als der inzwischen Verheiratete endlich die Stiftsadministration und die Regierungsgewalt über die ausgesprochen heterogen zusammengesetzte, sog. Erblandsportion übernehmen konnte. – Das Verhältnis des Merseburger Herzogs zur Dresdner Kurlinie blieb nicht zuletzt aufgrund der zahlreichen Grenzstreitigkeiten, etwa in der Niederlausitz, aber auch wegen verschiedenster sonstiger Konflikte stets gespannt. Als zunehmend problematisch erwies sich zudem die ungünstige Finanzlage, zurückzuführen auf den überdimensionierten Hof- und Verwaltungsapparat, aber auch auf die Kosten der Sammelleidenschaft M.s für Geigen und Pauken oder für das 1712 bis 1715 eingebaute Spiegelkabinett im Merseburger Renaissanceschloss, ein herausragendes Kunstwerk und zugleich architektonisches Haupterbe M.s. – Die skandalösen Zustände am Merseburger Hof, vor allem aber das uneheliche Kind seiner Gemahlin gaben der kursächsischen Regierung 1720 den willkommenen Anlass für die faktische Regierungsübernahme durch abgeordnete Kommissare. So musste M. etwa 1725 einen Stiftstag in Merseburg einberufen, dessen Ergebnisse bereits vorab privatim zwischen der Regierung und den kursächsischen Kommissaren zu verabreden waren. Als sich jedoch das Aussterben der zweitältesten der 1656/57 begründeten albertinischen Nebenlinien immer deutlicher abzuzeichnen begann, entspannte sich das Verhältnis zu Dresden. Außer dem dänischen Elefantenorden erhielt M. 1730 noch den polnischen Weißen Adlerorden sowie eine - freilich nicht befolgte - Einladung zum Zeithainer Lager, ehe er im Frühjahr 1731 auf dem Merseburger Schloss verstarb.

Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Originalurkunden, Geheimer Rat, Geheimes Kabinett.

Literatur Anekdoten, Charakterzüge und Sittengemälde aus der Sächsischen Geschichte, Leipzig 1792; E. Vehse, Geschichte der Höfe des Hauses Sachsen, Bd. 7, Hamburg 1854; K. Gutbier, Alte Nachrichten aus Stadt und Stift Merseburg, H. 1, Merseburg 1926; H. Kretzschmar, Zur Geschichte der sächsischen Sekundogeniturfürstentümer, 2. Teil, in: Sachsen und Anhalt 3/1927, S. 284-315; J. Vötsch, Kursachsen, das Reich und der mitteldeutsche Raum zu Beginn des 18. Jahrhunderts, Frankfurt/Main u.a. 2003; J. Säckl, Sachsen-Merseburg, in: Barocke Fürstenresidenzen an Saale, Unstrut und Elster, hrsg. vom Museumsverbund „Die fünf Ungleichen e.V.“/Museum Schloss Moritzburg, Zeitz/Petersberg 2007, S. 179-207 (P).

Porträt Titelblatt des Merseburgischen Gesang-Buchs, M. Bernigeroth, Kupferstich, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).

Jochen Vötsch
20.2.2009


Empfohlene Zitierweise:
Jochen Vötsch, Artikel: Moritz Wilhelm,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/22403 [Zugriff 19.11.2024].

Moritz Wilhelm



Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Originalurkunden, Geheimer Rat, Geheimes Kabinett.

Literatur Anekdoten, Charakterzüge und Sittengemälde aus der Sächsischen Geschichte, Leipzig 1792; E. Vehse, Geschichte der Höfe des Hauses Sachsen, Bd. 7, Hamburg 1854; K. Gutbier, Alte Nachrichten aus Stadt und Stift Merseburg, H. 1, Merseburg 1926; H. Kretzschmar, Zur Geschichte der sächsischen Sekundogeniturfürstentümer, 2. Teil, in: Sachsen und Anhalt 3/1927, S. 284-315; J. Vötsch, Kursachsen, das Reich und der mitteldeutsche Raum zu Beginn des 18. Jahrhunderts, Frankfurt/Main u.a. 2003; J. Säckl, Sachsen-Merseburg, in: Barocke Fürstenresidenzen an Saale, Unstrut und Elster, hrsg. vom Museumsverbund „Die fünf Ungleichen e.V.“/Museum Schloss Moritzburg, Zeitz/Petersberg 2007, S. 179-207 (P).

Porträt Titelblatt des Merseburgischen Gesang-Buchs, M. Bernigeroth, Kupferstich, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).

Jochen Vötsch
20.2.2009


Empfohlene Zitierweise:
Jochen Vötsch, Artikel: Moritz Wilhelm,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/22403 [Zugriff 19.11.2024].