Friedrich Braun

In der Person des liberalen Hochschullehrers und Forschers B. spiegelt sich die gesellschaftspolitische Auseinandersetzung vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Anfang der 1930er-Jahre wider. B. wirkte sowohl im zaristischen bzw. sowjetischen Russland als auch im Deutschland der Weimarer Republik bis in die Anfangszeit des NS-Regimes. In allen seinen Tätigkeitsbereichen engagierte sich der Russlanddeutsche stets für die Freundschaft zwischen beiden Ländern. Heute gilt B. in Russland als Begründer der Germanistik und Mitbegründer der Petersburger philologischen Schule. Seine Forschungen - u.a. mit Studienaufenthalt in Deutschland - waren breit gefächert. Er verknüpfte darin historische und sprachliche Aspekte und untersuchte Wechselbeziehungen zwischen Slawen und Germanen. – 1888 wurde B. Privatdozent für germanische Philologie in St. Petersburg. 1892 erhielt er eine Professur für allgemeine Literaturgeschichte an der dortigen Hochschule für Frauen. 1900 wurde er zum außerordentlichen Professor und 1905 zum ordentlichen Professor für germanische Philologie an der Petersburger Universität berufen. Bis zu seiner Emeritierung, die 1915 wegen der Feindschaft Deutschlands und Russlands im Ersten Weltkrieg erfolgte, und seiner Emigration nach Deutschland amtierte er mehrmals als Dekan und Prorektor. Gleichzeitig wirkte er in mehreren Kommissionen der zaristischen Russischen Akademie der Wissenschaften. 1920 wurde B. korrespondierendes Mitglied der Akademie der Wissenschaften Schwedens. – Das sowjetrussische Volkskommissariat für Bildungswesen beauftragte ihn 1920, in Leipzig alle deutschsprachigen wissenschaftlichen Arbeiten zu erfassen, die seit 1914 erschienen waren. Diesen Auftrag erfüllte B. in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern der Leipziger Universität und der Deutschen Bücherei. Danach blieb er in Leipzig und bewarb sich an der Universität um eine Dozentur. Nach Verleihung des Ehrendoktortitels erhielt B. 1921 die venia legendi und wurde 1922 außerordentlicher Professor für Germanistik. Zeitgleich leitete er das Lektorat für russische Sprache. Im Herbst 1926 übernahm er den Lehrstuhl für osteuropäische Geschichte und wurde Mitdirektor des Osteuropainstituts. In kurzer Zeit entwickelte sich der Lehrstuhl zu einer national und international anerkannten Forschungseinrichtung, zu deren bekanntesten Wissenschaftlern sein Adoptivsohn Maximilian Braun und Georg Sacke zählten. In den 1920er-Jahren übersetzte B. mehrere russische Geschichtswerke ins Deutsche. Gemeinsam mit Maxim Gorki und anderen gab er für russische Emigranten 1923 bis 1925 die wissenschaftlich-literarische Zeitschrift „Beseda“ (Gespräch) heraus. Im Herbst 1932 wurde B. emeritiert. Vertretungsweise lehrte er noch bis Ende des Sommersemesters 1933. Auch in Ermangelung eines Nachfolgers forcierten die Nationalsozialisten nun die Ausrichtung des Leipziger Lehrstuhls auf südosteuropäische Forschungen. Um B. zur Rückkehr in die Sowjetunion zu bewegen, hatte ihn die dortige Akademie der Wissenschaften 1926 zum korrespondierenden Mitglied ernannt. Da er sich noch 1937 zu dieser Mitgliedschaft bekannte, geriet er ins Visier der Gestapo. Seine wissenschaftlichen Kontakte in die UdSSR wurden B. daraufhin untersagt. Bis zu seinem Tod lebte er in Leipzig.

Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Ministerium für Volksbildung; Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, Meldeunterlagen Polizeipräsidium; Universitätsarchiv Leipzig, Personalakte B.

Werke mit H. Praesent (Hg.), Systematische Bibliographie der wissenschaftlichen Literatur Deutschlands der Jahre 1914-1921, 5 Bde., Berlin 1922-1923; dies. (Hg.), Systematische Bibliographie der wissenschaftlichen Literatur Deutschlands der Jahre 1922 und 1923, 2 Bde., Berlin 1924; mit R. v. Walther (Hg.), W. Kliutscheskij, Geschichte Rußlands, 4 Bde., Stuttgart/Leipzig/Berlin 1925-1926; Veröffentlichungen Friedrich B.s, in: W. Goetz/G. Steinhausen (Hg.), Friedrich B. zum siebzigsten Geburtstage, Berlin/Leipzig 1932, S. 139f. (WV).

Literatur L.-D. Behrendt, Friedrich B. und die osteuropäische Geschichte am Institut für Kultur- und Universalgeschichte der Universität Leipzig, in: Comparativ 1/1991, H. 4, S. 30-43; A. I. Zerebin, U istokov russkoj germanistiki, in: Nemzi v Rossii, hg. von der Rossiskaja Akademija Nauk, St. Petersburg 2000, S. 14-21; V. Hölzer, Dr. Georg Sacke, Leipzig 2002 (P); ders., Friedrich Alexander B., in: G.-M. Peter (Hg.), Russen in Leipzig, Leipzig 2003, S. 105-109. – DBA II, III; NDB 2, S. 549.

Volker Hölzer
27.5.2005


Empfohlene Zitierweise:
Volker Hölzer, Artikel: Friedrich Braun,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/739 [Zugriff 27.4.2024].

Friedrich Braun



Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, Ministerium für Volksbildung; Sächsisches Staatsarchiv Leipzig, Meldeunterlagen Polizeipräsidium; Universitätsarchiv Leipzig, Personalakte B.

Werke mit H. Praesent (Hg.), Systematische Bibliographie der wissenschaftlichen Literatur Deutschlands der Jahre 1914-1921, 5 Bde., Berlin 1922-1923; dies. (Hg.), Systematische Bibliographie der wissenschaftlichen Literatur Deutschlands der Jahre 1922 und 1923, 2 Bde., Berlin 1924; mit R. v. Walther (Hg.), W. Kliutscheskij, Geschichte Rußlands, 4 Bde., Stuttgart/Leipzig/Berlin 1925-1926; Veröffentlichungen Friedrich B.s, in: W. Goetz/G. Steinhausen (Hg.), Friedrich B. zum siebzigsten Geburtstage, Berlin/Leipzig 1932, S. 139f. (WV).

Literatur L.-D. Behrendt, Friedrich B. und die osteuropäische Geschichte am Institut für Kultur- und Universalgeschichte der Universität Leipzig, in: Comparativ 1/1991, H. 4, S. 30-43; A. I. Zerebin, U istokov russkoj germanistiki, in: Nemzi v Rossii, hg. von der Rossiskaja Akademija Nauk, St. Petersburg 2000, S. 14-21; V. Hölzer, Dr. Georg Sacke, Leipzig 2002 (P); ders., Friedrich Alexander B., in: G.-M. Peter (Hg.), Russen in Leipzig, Leipzig 2003, S. 105-109. – DBA II, III; NDB 2, S. 549.

Volker Hölzer
27.5.2005


Empfohlene Zitierweise:
Volker Hölzer, Artikel: Friedrich Braun,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/739 [Zugriff 27.4.2024].