Michael Kazmierczak

K. wurde in der preußischen Provinz Posen geboren, zog im Alter von sechs Jahren mit seinen Eltern nach Leipzig und besuchte dort die Volksschule. Nach der Schulentlassung musste er zum Lebensunterhalt der Familie beitragen und nahm eine Tätigkeit als Laufbursche in verschiedenen Metallbetrieben und schließlich als Maschinenarbeiter bei der Eisengießerei Meier & Weichelt auf. Mit Beginn des Ersten Weltkrieges wurde er entlassen und fand schließlich eine Arbeit in der Leipziger Baumwollspinnerei. 1917 wurde K. nach Leisnig zum Militär eingezogen und nahm mit der Leipziger MG-Abteilung 8 an den Kämpfen bei Verdun (Frankreich) sowie an der Avre teil, wo er verwundet wurde. Nach dem Krieg arbeitete er in der Eisengießerei Max Jahn, der Maschinenfabrik Rudolf Sack, dem Transportanlagenbau C. Wünsche sowie als Bauarbeiter. Der häufige Wechsel seiner Arbeitgeber resultierte wohl aus seiner aktiven Gewerkschaftsarbeit und seiner Tätigkeit für die KPD, deren Mitglied er 1919 geworden war. – Im März 1920 beteiligte sich K. an der Niederschlagung des Kapp-Putsches. Nach dem zeitweiligen Verbot der KPD 1923 engagierte er sich stark für die Partei, ging nach Berlin, wo er u.a. mit Wilhelm Pieck zusammenarbeitete und wo er nach einem Sprengstoffvergehen vor Gericht gestellt wurde. Nach mehreren Monaten Untersuchungshaft, während der er dreimal in den Hungerstreik trat, wurde er 1925 zu zweieinhalb Jahren Gefängnishaft verurteilt, jedoch durch eine Amnestie bereits nach 19 Monaten entlassen. Anschließend kehrte K. nach Leipzig zurück und wurde 1928 Mitglied der Bezirksleitung Westsachsen der KPD sowie Gauleiter des Roten Frontkämpferbundes. Im selben Jahr wurde er als Spitzenkandidat der Partei ins Leipziger Stadtparlament gewählt, dem er bis 1930 angehörte. Ab dieser Zeit war er als Unterbezirksleiter der KPD in Riesa tätig, ab 1931 wirkte er zudem als Organisationsleiter im Bezirksverband Sachsen des Kampfbundes gegen den Faschismus. Im Oktober 1932 wurde K. vom Zentralkomitee der KPD an die Internationale Lenin-Schule der Kommunistischen Internationale (Komintern) nach Moskau delegiert, wo er bis Mitte 1933 blieb und somit der großen Verhaftungswelle entging, die viele Kommunisten nach der nationalsozialistischen Machtübernahme traf. – Die KPD und die Komintern waren 1933 der Überzeugung, dass die NS-Herrschaft nur von kurzer Dauer und durch einen entschiedenen Kampf zu überwinden sei. Dazu erschien der Wiederaufbau der zerschlagenen Parteistrukturen eine der wichtigsten Voraussetzungen. So war ab Mitte 1933 in Berlin eine illegale Parteiführung der KPD aktiv, in der K. unter dem Decknamen Vox als Reichskurierleiter mitarbeitete. Aus der Illegalität heraus versuchte er in dieser Position, u.a. mit Walter Ulbricht und Herbert Wehner, die Verbindung zwischen verschiedenen kommunistischen Widerstandsgruppen aufrechtzuerhalten. Am 18.11.1933 fiel er bei einem Treffen der SS in die Hände, welche ihn in das sog. Columbia-Haus, einem Gefängnis der Gestapo für politische Gefangene, verschleppte. Zwei Tage später wurde er dort vermutlich durch die Gestapo ermordet. Über die Misshandlungen vor seinem Tod berichtete K.s Frau, der es mithilfe eines Polizisten gelungen war, K.s Leichnam noch einmal zu sehen. Ihr erschütternder Bericht wurde 1934 in der zu dieser Zeit in der Tschechoslowakei erscheinenden „Arbeiter Illustrierte Zeitung“ veröffentlicht. Am 27.11.1933 wurde er mit 18 weiteren Opfern des NS-Regimes auf dem auch als sog. Selbstmörderfriedhof bekannten Friedhof Grunewald-Forst in Berlin beigesetzt. – Im Leipziger Stadtteil Gohlis trägt seit 1945 eine Straße K.s Namen.

Quellen Bundesarchiv Berlin, Abteilung R - Deutsches Reich 1495 bis 1945, R 3017 Oberreichsanwalt beim Volksgerichtshof 119, 1431, 6880, 13416, R 58/3232, R 3016 Volksgerichtshof 16 J 648/37, Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv, DY 55/V 278/4/59, RY 1/I 2/3/Nr. 43, 56, 81, 136, 168; Sächsisches Staatsarchiv - Staatsarchiv Leipzig, 20031 Polizeipräsidium Leipzig, Nr. PP-S 1415, 21690 SED, Sammlung Biografien, Nr. 547.

Werke K. Schilde, Opfer des NS-Terrors 1933 in Berlin, in: C. Kopke/W. Treß (Hg.), Der Tag von Potsdam, Berlin/Boston 2013, S. 178-220. – DBA II; L. Kraushaar, Deutsche Widerstandskämpfer 1933-1945, Bd. 2, Berlin 1970, S. 504f. (Bildquelle); W. Röder/H. A. Strauss (Hg.), Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933, Bd. 1, München u.a. 1999, S. 358; H.-J. Fieber, Widerstand in Berlin gegen das NS-Regime 1933 bis 1945, Bd. 4, S. 45f.

Dieter Kürschner †
27.8.2014


Empfohlene Zitierweise:
Dieter Kürschner †, Artikel: Michael Kazmierczak,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/24045 [Zugriff 23.12.2024].

Michael Kazmierczak



Quellen Bundesarchiv Berlin, Abteilung R - Deutsches Reich 1495 bis 1945, R 3017 Oberreichsanwalt beim Volksgerichtshof 119, 1431, 6880, 13416, R 58/3232, R 3016 Volksgerichtshof 16 J 648/37, Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR im Bundesarchiv, DY 55/V 278/4/59, RY 1/I 2/3/Nr. 43, 56, 81, 136, 168; Sächsisches Staatsarchiv - Staatsarchiv Leipzig, 20031 Polizeipräsidium Leipzig, Nr. PP-S 1415, 21690 SED, Sammlung Biografien, Nr. 547.

Werke K. Schilde, Opfer des NS-Terrors 1933 in Berlin, in: C. Kopke/W. Treß (Hg.), Der Tag von Potsdam, Berlin/Boston 2013, S. 178-220. – DBA II; L. Kraushaar, Deutsche Widerstandskämpfer 1933-1945, Bd. 2, Berlin 1970, S. 504f. (Bildquelle); W. Röder/H. A. Strauss (Hg.), Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933, Bd. 1, München u.a. 1999, S. 358; H.-J. Fieber, Widerstand in Berlin gegen das NS-Regime 1933 bis 1945, Bd. 4, S. 45f.

Dieter Kürschner †
27.8.2014


Empfohlene Zitierweise:
Dieter Kürschner †, Artikel: Michael Kazmierczak,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/24045 [Zugriff 23.12.2024].