Francis Koene

K. war eines von drei musizierenden Wunderkindern einer javanischen Mutter und eines holländischen Vaters. K.s Vater feierte Anfang des 20. Jahrhunderts mit dem „Kinder-Trio Koene“ künstlerische und finanzielle Erfolge in mehreren Orten Javas. Der damals neunjährige K. spielte dabei die Violine. Zu seinen ersten Geigenlehrern gehörte ein tschechischer Geiger, genannt Srogl. Nach dem Umzug der Familie nach Holland nahm K. Violinunterricht am Königlichen Konservatorium für Musik, später bei dem holländischen Geigenvirtuosen Louis Zimmermann. Schon 1920 wirkte K. beim Gustav-Mahler-Festival im Concertgebouw-Orchester mit und wurde bereits mit 22 Jahren 2. Konzertmeister des Orchesters in Utrecht. Später machte er noch einmal eine Tournee durch Java. 1926 begann seine Tätigkeit als 1. Konzertmeister in der Sächsischen Staatskapelle Dresden. Obwohl diese Position viel Zeit in Anspruch nahm, musizierte er zusätzlich bei zahlreichen Konzerten als Solist und Kammermusiker. Bei der Veranstaltungsreihe „Neue Musik Paul Aron“ war er u.a. Solist im Kammerkonzert für Klavier und Geige mit 13 Bläsern von Alban Berg, begleitet wurde er dabei von der Dresdner Philharmonie unter dem Dirigenten Fritz Busch und mit dem Pianisten Paul Aron. Mit namhaften Musikern spielte K. auch bei Veranstaltungen des Richard-Wagner-Verbands deutscher Frauen, des Tonkünstlervereins, beim Akademischen Ferienkurs des Sächsischen Lehrervereins sowie im Rahmen einer Schubert-Feier 1928. – 1927 gründete K. das Ensemble „Neues Dresdner Trio“, das nicht nur in Dresden und Freiberg, sondern auch in den Niederlanden Konzerte gab. Mit seinen Triopartnern, dem Pianisten Aron und dem Cellisten Karl Hesse, erarbeitete er bald ein Repertoire, welches von Werken der Wiener Klassiker über Ludwig van Beethoven, Franz Schubert, Antonín Dvořák, Pjotr Iljitsch Tschaikowski, Johannes Brahms, Max Reger und Maurice Ravel bis zu Ildebrando Pizzetti reichte. Nach sechs Jahren brach K. seine künstlerischen Tätigkeiten in Dresden plötzlich ab. Ursachen dafür waren u.a. seine angeschlagene Gesundheit, die eine Ruhepause forderte, sowie das Bestreben, zukünftig noch mehr als Kammermusiker aufzutreten. Als K. Ende 1932 auf eigenen Wunsch aus der Staatskapelle ausschied, würdigte die Dresdner Presse sein Talent als Konzertmeister sowie sein außergewöhnliches Einzelspiel im „Rosenkavalier“ oder in der „Ariadne“. Offiziell beendet wurde die Zusammenarbeit zwischen K. und der Staatskapelle am 1.3.1933. Die Verkündung der Rassenideologie im nationalsozialistischen Staat und die Attacken gegen jüdische Musiker in Dresden verdeutlichten K. offenbar, dass er als Sohn einer Asiatin und eines wahrscheinlich jüdischen Vaters in diesem Land Repressalien zu erwarten hatte. K. ging nach Holland, wo er in der Pianistin und Komponistin Henriette Bosman eine ideale Partnerin für seine künstlerischen Vorhaben fand. Sie schrieb für ihn auch das Konzertstück für Violine und Orchester, das K. zum Musikfest im Mai 1935 in Amsterdam uraufführen wollte. Dazu kam es aber nicht mehr, weil K. fünf Monate vor dem geplanten Konzert an einem Hirntumor verstarb. Die holländische Fach- und Tagespresse brachte zahlreiche ausführliche Nachrufe, in denen auch auf seine Dresdner Zeit und die politischen Veränderungen, die K.s dortige Stellung erschwert hatten, eingegangen wurde. – Obwohl K. zu Beginn seines Engagements an der Staatskapelle hinsichtlich der Opernmusik seiner Meinung nach völlig unerfahren war, verbrachte er gerade aufgrund seines außerordentlichen Talents die persönlich und künstlerisch prägendsten Jahre in Dresden und war an vielen wichtigen Aufführungen der Fritz-Busch- und Paul-Aron-Ära beteiligt.

Quellen Privatarchiv A. Schindler, Schreiben von Günter Mack an Agata Schindler vom 7.12.1998, Sächsisches Staatstheater, Oper und Schauspiel, Rückblick auf die Spielzeit 1932/33 und Personalverzeichnis nach dem Stande von Oktober 1933; Leo Baeck Institute New York, Paul Aron Collection.

Literatur Zeitschrift für Musik 97/1930, H. 9; H. Ruthers, In memoriam Francis K., in: Caecilia en de Muziek 1/1935; A. Schindler, Aktenzeichen „Unerwünscht“, Dresden 1999; dies., Dresdner Liste, Dresden 2003, S. 81-83 (P); Francis K. en zijn loopbaan, in: Zaterdagavond-bijvoegsel van het Algemeen Handelsblad.

Porträt Francis K. (1899-1935), Violist, concertmeester Utrechts Stedelijk Orkest, Atelier J. Merkelbach, 1922, Fotografie, Gemeente Amsterdam, Stadsarchief, 10164 Collectie Atelier J. Merkelbach, Afbeeldingsbestand B00000002216 (Bildquelle) [PDM 1.0 DEED; dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Public Domain Mark 1.0 Universal Lizenz]; Francis K., 1925, Fotografie, Centraal Bureau voor Genealogie (Den Haag), Fotocollecties, Collectie Veenhuijzen.

Agata Schindler
16.10.2009


Empfohlene Zitierweise:
Agata Schindler, Artikel: Francis Koene,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/22484 [Zugriff 21.11.2024].

Francis Koene



Quellen Privatarchiv A. Schindler, Schreiben von Günter Mack an Agata Schindler vom 7.12.1998, Sächsisches Staatstheater, Oper und Schauspiel, Rückblick auf die Spielzeit 1932/33 und Personalverzeichnis nach dem Stande von Oktober 1933; Leo Baeck Institute New York, Paul Aron Collection.

Literatur Zeitschrift für Musik 97/1930, H. 9; H. Ruthers, In memoriam Francis K., in: Caecilia en de Muziek 1/1935; A. Schindler, Aktenzeichen „Unerwünscht“, Dresden 1999; dies., Dresdner Liste, Dresden 2003, S. 81-83 (P); Francis K. en zijn loopbaan, in: Zaterdagavond-bijvoegsel van het Algemeen Handelsblad.

Porträt Francis K. (1899-1935), Violist, concertmeester Utrechts Stedelijk Orkest, Atelier J. Merkelbach, 1922, Fotografie, Gemeente Amsterdam, Stadsarchief, 10164 Collectie Atelier J. Merkelbach, Afbeeldingsbestand B00000002216 (Bildquelle) [PDM 1.0 DEED; dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Public Domain Mark 1.0 Universal Lizenz]; Francis K., 1925, Fotografie, Centraal Bureau voor Genealogie (Den Haag), Fotocollecties, Collectie Veenhuijzen.

Agata Schindler
16.10.2009


Empfohlene Zitierweise:
Agata Schindler, Artikel: Francis Koene,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/22484 [Zugriff 21.11.2024].