Kurt Schadwill
S. wuchs in der kleinen westpreußischen Gemeinde Heiligenwalde auf. Nach dem Besuch des Realgymnasiums in Elbing (poln. Elblag) und dem Abitur 1937 wollte er ein Studium der Literatur- und Kunstgeschichte aufnehmen. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch an seiner Einberufung zum Arbeits- bzw. Wehrdienst. Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs und nach seiner Entlassung aus sowjetischer Kriegsgefangenschaft kam er im Juli 1947 nach Radebeul. In demselben Jahr begann er eine Ausbildung an der Deutschen Volksbüchereischule in Leipzig, die er 1949 mit der Diplomprüfung abschloss. Anschließend wurde S. durch Vermittlung der damaligen Landesregierung und nach Bestätigung durch den Rat des Kreises Dresden als Kreisbibliothekar eingesetzt und mit dem Aufbau sowie der Leitung der Kreisstelle für Büchereiwesen (seit 1955 Kreisbibliothek Dresden-Land) beauftragt. In dieser Funktion legte er einen zentralen Buchbestand zum Austausch und zur Ergänzung für die Versorgung der Gemeindebüchereien an und koordinierte die Bibliotheksarbeit in den ländlichen und kleinstädtischen Gemeinden. Der Anfangsbestand (ca. 1.800 Bände) der Kreisbücherei (Eröffnung am 7.10.1950) setzte sich aus laufenden Neuerscheinungen seit 1949 und aus Zuweisungen der Sächsischen Landesstelle für Büchereiwesen zusammen. Dementsprechend umfasste die Kreisbücherei 1951/52 neben Klassikern der Schönen Literatur „bürgerlich-kritische“ Literatur des 19. und 20. Jahrhunderts sowie neue „sozialistische“ Literatur, v.a. Werke sowjetischer und junger Gegenwartsautoren der DDR. Daneben wirkte er am Aufbau eines 1952 nahezu flächendeckenden Netzes Allgemeiner öffentlicher Bibliotheken sowie der Organisation und der Verbesserung des Kreisleihverkehrs mit. Außerdem war er mit der Schulung und der fachlichen Anleitung der nebenberuflich tätigen Bibliothekare sowie der Kontrolle und Analyse der Bibliotheksarbeit in den Städten und Gemeinden befasst. In diesem Zusammenhang erarbeitete er für den Landkreis Handreichungen zum Bestandsaufbau und zur Literaturpropaganda, u.a. in Form von Angebotslisten mit ausführlichen Kommentaren. Mit dem Ziel, die Bevölkerung an die Literatur heranzuführen und neue Leserschichten zu gewinnen, initiierte er Literaturveranstaltungen wie Autorenlesungen, Buchbesprechungen und Literaturdiskussionen in den Gemeinden, Schulen und Betrieben. Seit 1952 gehörte S. als Mitglied der im Kreis Dresden gegründeten Arbeitsgruppe „Literaturkritik“ an, die sich mit Fragen der Leserwerbung, Literaturvermittlung und Buchkritik beschäftigte. Im Mai 1952 war er Gründungsmitglied der Arbeitsgemeinschaft Literatur des VEB Kombinat Arzneimittelwerk Dresden-Radebeul und wurde dessen Vorsitzender. Als Mitglied einer Fachkommission und in seiner fachlichen Beratungs- und Aufsichtsfunktion als Kreisbibliothekar setzte er sich seit 1956 zusammen mit Mitgliedern der größten Gewerkschaftsbibliotheken und Leitern der städtischen Bibliotheken in Radebeul für die Schaffung einer planmäßig organisierten Zusammenarbeit mit den Betriebsbibliothekaren ein. Im Zuge der Errichtung ländlicher Zentralbibliotheken (seit 1959/60) leistete er Unterstützung und Hilfe bei der Planung sowie dem Auf- und Ausbau der örtlichen Büchereibestände. Ebenso betreute er in den Jahren 1966 bis 1970/71 die Bibliotheken bei der Umstellung auf die moderne Freihandausleihe. Zur Erhöhung der ländlichen Leserzahlen befürwortete er 1965 die Einführung einer Familienlesekarte zur systematischen Erfassung von Familienmitgliedern. Darüber hinaus war S. Mitglied der Literaturkommission der SED-Kreisleitung Dresden und engagierte sich in der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft. Ferner wirkte er seit 1970 als langjähriges Vorstandsmitglied der Arbeitsgemeinschaft „Allgemeinbildende Bibliotheken“ sowie seit 1986 als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft „Sozialistische Bibliotheksarbeit in ländlichen Bereichen“ im Bibliotheksverband der DDR im Bezirk Dresden mit. In vielen Artikeln und Aufsätzen in Zeitungen und in der Fachzeitschrift „Der Bibliothekar“ propagierte er seit 1955 die sozialistische Gegenwartsliteratur sowie die Sowjetliteratur. Er berichtete über die Arbeit in seinem Landkreis, veröffentlichte thematische Bibliografien zu verschiedenen Themen und Lesepläne für den nebenberuflich tätigen Bibliotheksleiter. Seine publizistische Tätigkeit führte er auch nach seinem Eintritt in den Ruhestand 1987 bis zur Einstellung der Fachzeitschrift 1990 fort. – S.s Wirken stand im Zeichen des Wiederaufbaus und der Ausrichtung des Bibliothekswesens in der DDR auf eine „politische Bewusstseinsbildung“ und eine Erziehung der Leserschaft im Sinne der damaligen gesellschaftspolitischen Zielsetzung. S. leistete einen wesentlichen Beitrag zur Förderung des öffentlichen Bibliothekswesens im Kreis Dresden. Die Wirkung seiner literaturvermittelnden Tätigkeit und seiner Mitarbeit am Auf- und Ausbau des Bibliotheksnetzes zeigte sich am deutlichsten in stetig gewachsenen Leserzahlen des Kreises. Für seine Verdienste wurde S. mehrfach geehrt. So erhielt er die Kurt-Barthel-Medaille (1981), die Ehrennadel des Bibliotheksverbands (1984) und die Wilhelm-Bracke-Medaille des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig (1985).
Quellen Bundesarchiv Berlin, Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR, Archiv des Zentralinstituts für Bibliothekswesen der DDR, Bücherverzeichnis der Kreisbücherei Dresden-Land, 1. Nachtrag zum Bücherverzeichnis der Kreisbücherei Dresden-Land; Städtische Bibliotheken Dresden, Facharchiv (WV).
Werke F. Kunz, Register der Zeitschrift „Der Bibliothekar“. Jahrgänge 1-30 (1946-1976), Leipzig 1978 (WV); F. Marwinski, Von der Dorfbibliothek zur ländlichen Zentralbibliothek, 1990 [Ms.] (WV).
Literatur W. Schäfer/G. Jahn, Zum 65. Geburtstag von BR Kurt S., in: Der Bibliothekar 36/1982, S. 171f.; L. Winckler, Kulturelle Erneuerung und gesellschaftlicher Auftrag, Tübingen 1987.
Porträt Kurt S., undatierte Fotografie, Privatarchiv Familie Schadwill (Bildquelle).
Christiane Schastok
22.10.2009
Empfohlene Zitierweise:
Christiane Schastok, Artikel: Kurt Schadwill,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/25043 [Zugriff 2.11.2024].
Kurt Schadwill
Quellen Bundesarchiv Berlin, Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR, Archiv des Zentralinstituts für Bibliothekswesen der DDR, Bücherverzeichnis der Kreisbücherei Dresden-Land, 1. Nachtrag zum Bücherverzeichnis der Kreisbücherei Dresden-Land; Städtische Bibliotheken Dresden, Facharchiv (WV).
Werke F. Kunz, Register der Zeitschrift „Der Bibliothekar“. Jahrgänge 1-30 (1946-1976), Leipzig 1978 (WV); F. Marwinski, Von der Dorfbibliothek zur ländlichen Zentralbibliothek, 1990 [Ms.] (WV).
Literatur W. Schäfer/G. Jahn, Zum 65. Geburtstag von BR Kurt S., in: Der Bibliothekar 36/1982, S. 171f.; L. Winckler, Kulturelle Erneuerung und gesellschaftlicher Auftrag, Tübingen 1987.
Porträt Kurt S., undatierte Fotografie, Privatarchiv Familie Schadwill (Bildquelle).
Christiane Schastok
22.10.2009
Empfohlene Zitierweise:
Christiane Schastok, Artikel: Kurt Schadwill,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/25043 [Zugriff 2.11.2024].