Max Curt Bille
B. gehörte zu einer der wenigen heute noch bekannten und aktiven Dynastien sächsischer Wandermarionettenspieler, die sich schon vor 1780 etablierten. Rechnungen der Leipziger Messen von 1734 und 1737 führen den Puppenspieler
Johann Georg Billand aus Sandtheim, der ein Vorfahre der Puppenspielerfamilie Bille aus Saathain bei Liebenwerda gewesen sein könnte. Die ersten nachweisbaren Komödianten in der Familiengenealogie sind der Ururgroßvater B.s,
Johann Bernhard Bill, und dessen Bruder, der Marionettenspieler
Johann Georg Bille. Letztgenannter kaufte 1803 ein Haus in Saathain, wo auch andere Marionettenspielerfamilien ansässig waren (Gaßmann, Hähnel, Richter, Winter und Wolf). – B. bereiste in der Tradition der Wanderbühnen des 16. und 17. Jahrhunderts mit dem elterlichen Unternehmen die Lausitzen, das östliche Erzgebirge und die Mark Meißen. 1905 beantragte er einen Wandergewerbeschein und machte sich zusammen mit seiner künftigen Frau
Antonie, die bei dem Marionettenspieler
August Richter aufgewachsen und dann Theatergehilfin bei B.s Vater gewesen war, selbstständig. Als Soldat im Ersten Weltkrieg spielte B. zeitweise an der Westfront mit seinem Theater. 1919 kaufte er auf Abzahlung das Marionettentheater von
Max Kleinhempel (gegründet 1857). Zu seinem für sächsische Marionettenspieler dieser Zeit typischen Repertoire zählten Stücke nach den Volksbüchern der Renaissance wie „Dr. Faust“, sächsische Sagen und Begebenheiten wie „Karl Stülpner, der Wildschütz“, Stücke des bürgerlichen Schauspieltheaters, für das Puppentheater zugeschnitten, wie „Die Räuber“ oder „Hamlet“, Operetten und Singspiele wie „Der Freischütz“ und Lustspiele wie „Kasper als Scheintoter“. In allen Stücken übernahm der Kasper die handlungsbestimmende Rolle. Die Repertoireentwicklung von B.s Theater steht exemplarisch für seine Zeit: Der Konkurrenz der sich um 1900 herausbildenden Vergnügungsindustrie und der Weltwirtschaftskrise nach dem Ersten Weltkrieg begegnete B. mit der Repertoireerweiterung um Stoffe moderner Dramen wie „Der Biberpelz“, Filmstoffe und Märchen zum Aufbau eines Kinderrepertoires. Die über mehr als ein Jahrhundert überlieferten Stücke und die z.T. noch barocke Theaterelemente enthaltende Spielweise waren nicht mehr Publikumsmagnet genug. B. hielt der Konkurrenz nicht stand. 1922 war er zwar mit der Abzahlung des Kleinhempelschen Theaters fertig. Die Inflation zwang ihn aber, neben dem Spielbetrieb hausieren zu gehen. 1927 musste er sein Theater verkaufen. Zeitweise lebte er von der Gemeindewohlfahrt oder arbeitete als Hilfsarbeiter. 1931 bekam B. ein kleineres Marionettentheater von seinem Bruder
Oswin. Doch die Zuschauer blieben aus. B. musste die Gemeindefürsorge einklagen. Zwischen 1941 und 1949 gelang es ihm, mit dem Theater wieder auf Reisen zu gehen, bevorzugt in die Sächsische Schweiz, die Oberlausitz und vor 1945 auch nach Niederschlesien. 1943 vergrößerte er sein Theater durch den Erwerb eines Marionettentheaters aus Leipzig, wurde aber 1944 zum Kriegsdienst eingezogen. In den Nachkriegsjahren rentierte sich B.s Theaterunternehmen aufgrund der Konkurrenz durch die neu eingerichteten Kulturhäuser kaum noch. 1949 wurde es zwangsversteigert und in Einzelteilen verkauft. Wegen seines schlechten Gesundheitszustands war B. danach nicht mehr berufstätig und lebte bis zu seinem Tod von einer Invalidenrente. Doch die Familientradition blieb durch B.s Söhne und Brüder erhalten. Bis heute betreibt ein Neffe B.s, Sohn seines Bruders Oswin,
Johann Friedrich Otto Bille, die Marionettenspielstätte „Ludwig Krafft Theater in der Au“ in München.
Quellen Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Archiv der Puppentheatersammlung, Spielerakte Familie Bille.
Literatur O. Bernstengel, Sächsisches Wandermarionettentheater, Dresden/Basel 1995; K. Bille, Chronik der Marionettenspieler aus Sachsen, Hameln 21999 (P).
Porträt Curt B., Foto, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Puppentheatersammlung, Fotoarchiv, Familie Bille, Karte 39 (Bildquelle).
Dorothee Carls
26.6.2006
Empfohlene Zitierweise:
Dorothee Carls, Artikel: Max Curt Bille,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/22928 [Zugriff 2.11.2024].
Max Curt Bille
Quellen Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Archiv der Puppentheatersammlung, Spielerakte Familie Bille.
Literatur O. Bernstengel, Sächsisches Wandermarionettentheater, Dresden/Basel 1995; K. Bille, Chronik der Marionettenspieler aus Sachsen, Hameln 21999 (P).
Porträt Curt B., Foto, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Puppentheatersammlung, Fotoarchiv, Familie Bille, Karte 39 (Bildquelle).
Dorothee Carls
26.6.2006
Empfohlene Zitierweise:
Dorothee Carls, Artikel: Max Curt Bille,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/22928 [Zugriff 2.11.2024].