Ludwig von Zehmen

Wo Z. seine Jugend verbrachte und seine Schulausbildung erhielt, ist nicht überliefert. Nach einem Jurastudium in Leipzig, an das sich 1834 bis 1836 noch ein Universitätsaufenthalt in Heidelberg anschloss, reiste er mit seinem drei Jahre älteren Bruder Emil Ludwig über die Schweiz nach Norditalien und anschließend nach Holland, Belgien, Frankreich und in die deutschen Alpen. Am 11.6.1838 trat Z. als Assessor bei der Kreisdirektion Dresden in den sächsischen Staatsdienst. Bereits am 30.9. desselben Jahres verheiratete sich der 26-Jährige auf Zschepplin nördlich von Eilenburg mit Victoire Genovefa Louise Gräfin von Mengersen, der Tochter eines der vermögendsten Rittergutsbesitzer im weiteren Umkreis Leipzigs. Trotz seiner Heirat und obwohl er 1844 das fideikommissarisch gebundene Rittergut Stauchitz erbte, setzte Z. seine Karriere in der Zivilverwaltung fort. Am 19.6.1845 avancierte er zum Regierungsrat. – Im Mai 1848 zog Z. als Abgeordneter der Rittergutsbesitzer des Meißner Kreises in die Erste Kammer des Sächsischen Landtags ein. In der Debatte über das politische Vereinswesen am 6.10.1848 sprach er sich dafür aus, den Parteien als Vertretern von Sonderinteressen eine von ihnen unabhängige Regierung gegenüberzustellen, die die „widerstrebenden Sonderinteressen auch in das Ganze“ einzufügen vermöge. Mit diesem dezidierten Votum gegen eine parlamentarische Regierung verfocht er die Position der alten Mächte in der Zentralbürokratie, die ihn übrigens für sein Landtagsmandat von den Dienstverpflichtungen freigestellt hatte. Für die beiden Landtage, die sich 1849 und 1849/50 nach dem liberalen Wahlrecht konstituierten, konnte der Reformkonservative kein Mandat erringen. – Kurz vor dem Tod seines Vaters erwarb Z. im Mai 1849 dessen Rittergüter Graupzig und Gödelitz. Als einen der einkommensstärksten Rittergutsbesitzer ernannte ihn König Friedrich August II. bei der Restituierung des vormärzlichen Landtags im Juli 1850 zum Mitglied der Ersten Kammer. Daraufhin gab Z. seine Zivilstaatskarriere auf. Diese hatte ihn inzwischen als Rat in die Kreisdirektion Dresden und ins Innenministerium geführt. 1855 nahm er jedoch den Titel eines Kammerherrn an. Diese Würde verpflichtete ihn, jährlich etwa zwei Wochen als Begleitperson des sächsischen Königs oder der Königin zur Verfügung zu stehen. Nachdem Sachsen an der Seite Österreichs den Deutsch-Deutschen Krieg verloren hatte und in den preußisch dominierten Norddeutschen Bund hatte eintreten müssen, kandidierte Z. für den Reichstag. Von einer partikularistischen Grundstimmung getragen, wurde der konservative sächsische Adlige Mitglied dieses Parlaments und positionierte sich als Befürworter des Föderalismus v.a. gegen die Nationalliberalen. Aufgrund der nationalen Euphorie, die der Sieg der deutschen Staaten gegen Frankreich und die anschließende Reichsgründung auslösten, verlor die politische Programmatik der sächsisch gesinnten Konservativen an Boden. Einen Sitz im Reichstag des Deutschen Reichs erlangte Z. nicht mehr. Er folgte jedoch beim Landtag 1871/72 dem ebenfalls konservativen, aber inzwischen verstorbenen Friedrich von Friesen als Präsident des sächsischen Oberhauses nach. Da die Erste Kammer in der sächsischen Wahlrechtsreform von 1868 weithin unverändert blieb, symbolisierte auch die kontinuierliche konservative Ausrichtung der Präsidenten dieses Hauses eine stabile Gegenposition zum wachsenden Einfluss der weltanschaulichen Parteien in der Zweiten Kammer. Bis zum 25.4.1890 sollte Z. dem Oberhaus des Sächsischen Landtags präsidieren. – Mit 60 Jahren rückte Z. 1872 als Domherr in das weithin adlig besetzte Kapitel des Meißner Hochstifts ein. 1879 erhielt er den Titel eines Dompropsts in Bautzen. 1886 wurde er zum Wirklichen Geheimen Rat ernannt, und 1891 erhob ihn König Albert in den Freiherrenstand.

Werke Einige Erläuterungen zu der Berathung des Verfassungsentwurfs für den Norddeutschen Bund im ersten Reichstage, Dresden 1867; Bemerkungen zu dem Bundesgesetze über den Unterstützungswohnsitz mit specieller Beziehung auf das gegenwärtige im Königreiche Sachsen geltende Heimathrecht, Dresden 1870; Die Entstehung der allgemeinen Meissnischen Kreis-Casse und die Verwendung ihrer Einkünfte, Dresden 1880, 21887.

Literatur Z., in: Jahrbuch des Deutschen Adels 3/1899, S. 935f.; H. M. von Zehmen, Genealogische Nachrichten über das Meißnische Uradelsgeschlecht von Zehmen 1206 bis 1906, Dresden 1906, S. 118-120; B. Haunfelder/K. E. Pollmann (Bearb.), Reichstag des Norddeutschen Bundes 1867-1870, Düsseldorf 1989, S. 490; J. Matzerath, Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte. Präsidenten und Abgeordnete von 1833 bis 1952, Dresden 2001, S. 23f. (P). – DBE 10, S. 629; DBA III.

Porträt Ludwig von Z., Ölgemälde, Privatbesitz der Familie von Zehmen, Auskunft Familienstiftung von Zehmen-Markersdorf e.V., Wipperfürth (Bildquelle).

Josef Matzerath
24.3.2009


Empfohlene Zitierweise:
Josef Matzerath, Artikel: Ludwig von Zehmen,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/16625 [Zugriff 2.11.2024].

Ludwig von Zehmen



Werke Einige Erläuterungen zu der Berathung des Verfassungsentwurfs für den Norddeutschen Bund im ersten Reichstage, Dresden 1867; Bemerkungen zu dem Bundesgesetze über den Unterstützungswohnsitz mit specieller Beziehung auf das gegenwärtige im Königreiche Sachsen geltende Heimathrecht, Dresden 1870; Die Entstehung der allgemeinen Meissnischen Kreis-Casse und die Verwendung ihrer Einkünfte, Dresden 1880, 21887.

Literatur Z., in: Jahrbuch des Deutschen Adels 3/1899, S. 935f.; H. M. von Zehmen, Genealogische Nachrichten über das Meißnische Uradelsgeschlecht von Zehmen 1206 bis 1906, Dresden 1906, S. 118-120; B. Haunfelder/K. E. Pollmann (Bearb.), Reichstag des Norddeutschen Bundes 1867-1870, Düsseldorf 1989, S. 490; J. Matzerath, Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte. Präsidenten und Abgeordnete von 1833 bis 1952, Dresden 2001, S. 23f. (P). – DBE 10, S. 629; DBA III.

Porträt Ludwig von Z., Ölgemälde, Privatbesitz der Familie von Zehmen, Auskunft Familienstiftung von Zehmen-Markersdorf e.V., Wipperfürth (Bildquelle).

Josef Matzerath
24.3.2009


Empfohlene Zitierweise:
Josef Matzerath, Artikel: Ludwig von Zehmen,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/16625 [Zugriff 2.11.2024].