Sie sind hier:

Anarg Heinrich von Wildenfels

W. zählt zu den ersten Vertretern seines Stands, die für eine kirchliche Erneuerung im Sinne Martin Luthers eintraten. Seine Leistungen als kursächsischer Rat, Visitator und Kirchenlieddichter sind markante Beispiele für die Mitwirkung des mitteldeutschen Adels an der Durchführung der Reformation. – Widersprüchliche genealogische Angaben machen es unmöglich, verlässliche Aussagen über W.s Abstammung und Geburt zu treffen. Die unsichere Überlieferung, Friedrich III. (der Weise) sei der Taufpate W.s gewesen, lässt auf jenen Anarg von Wildenfels als Vater schließen, der 1493 den Kurfürsten auf seiner Pilgerfahrt ins Heilige Land begleitete. Auch W. selbst erscheint stets in der engeren Umgebung der ernestinischen Kurfürsten, so erstmals 1516 als Hofmeister der Herzöge Otto und Ernst von Braunschweig-Lüneburg, der Neffen Friedrichs III. Neben Schönkirchen in der Oberpfalz, wo W. möglicherweise aufwuchs, erhielt er 1517 die Belehnung mit Stadt und Schloss Ronneburg, während sich die Herrschaft Wildenfels als Stammsitz der Familie zum damaligen Zeitpunkt im Besitz der Herren von Weida (ab 1531 der Grafen von Schwarzburg) befand. Die Wiederinbesitznahme der Stammherrschaft durch W. erfolgte erst am 18.3.1536. – 1521 hielt sich W. während des Reichstags in Worms auf und trat in einem Turnier als Gegner Johann Friedrichs (der Großmütige) von Sachsen in Erscheinung. Unter dem Eindruck der Ereignisse in Worms begann W. Lutherpredigten zu lesen und erwies sich spätestens seit 1523 als offener Anhänger der Reformation. In jenem Jahr gewährte er einem aus dem Franziskanerkloster Weimar geflohenen Mönch in Ronneburg Zuflucht. Auch unter den Nonnen des Dominikanerinnenklosters Cronschwitz förderte W. seit 1525 reformatorische Bestrebungen und unterstützte den dort wirkenden Prediger Wolfgang Calixt, indem er sich bei Luther für eine angemessene Besoldung einsetzte. – Als ernestinischer Rat war W. am Zustandekommen des Ehevertrags zwischen Johann Friedrich von Sachsen und Sibylle von Jülich-Kleve-Berg beteiligt. Zusammen mit Friedrich Myconius begleitete er dazu im Winter 1526/27 Johann Friedrich nach Düsseldorf. Dort kam es am 19.2.1527 auf Anregung W.s zum sog. Düsseldorfer Religionsgespräch zwischen Myconius und dem Franziskanerobservanten und Kölner Domprediger Johann Heller von Korbach. Auch auf dem Reichstag von Augsburg 1530 war W. zugegen. Innerhalb des ernestinischen Kurfürstentums Sachsen beteiligte sich W. zwischen 1528 und 1539 an mehreren Kirchenvisitationen und bemühte sich dabei besonders um die Pfarrstellenbesetzung und die Pfarrausstattung in der Umgebung von Altenburg und Zwickau. W. starb 1539 während einer Visitation in Altenburg. – Dass W. der Verfasser des erstmals 1526 veröffentlichten evangelischen Bekenntnisliedes „O Herre Gott, dein göttlich Wort“ ist, blieb lange Zeit verborgen und wurde erst Ende des 19. Jahrhunderts nachgewiesen. Die schon unter W.s Zeitgenossen populäre Dichtung wurde jahrhundertelang zum identitätsstiftenden Liedgut des Protestantismus gezählt und fand sich noch bis 1985 in verschiedenen Regionalausgaben des Evangelischen Gesangbuchs.

Quellen Turnierbuch des Kurfürsten Johann Friedrich des Großmütigen von Sachsen, Kunstsammlungen der Veste Coburg, Ms 02.

Werke Lied: O Herre Gott, dein göttlich Wort, 1526.

Literatur K. A. H. Burckhardt, Geschichte der sächsischen Kirchen- und Schulvisitationen 1524 bis 1545, Leipzig 1879 (ND Aalen 1981); F. Dibelius, Zur Geschichte der lutherischen Gesangbücher Sachsens seit der Reformation, in: Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte 1/1882, S. 169-255, hier S. 194-197; O. R. Redlich, Das Düsseldorfer Religionsgespräch vom Jahre 1527, in: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 29/1893, S. 193-213; O. Clemen, Anarg von W., in: Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung 29/1911, S. 13f.

Michael Wetzel
19.2.2019


Empfohlene Zitierweise:
Michael Wetzel, Artikel: Anarg Heinrich von Wildenfels,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/25877 [Zugriff 18.4.2024].

Anarg Heinrich von Wildenfels



Quellen Turnierbuch des Kurfürsten Johann Friedrich des Großmütigen von Sachsen, Kunstsammlungen der Veste Coburg, Ms 02.

Werke Lied: O Herre Gott, dein göttlich Wort, 1526.

Literatur K. A. H. Burckhardt, Geschichte der sächsischen Kirchen- und Schulvisitationen 1524 bis 1545, Leipzig 1879 (ND Aalen 1981); F. Dibelius, Zur Geschichte der lutherischen Gesangbücher Sachsens seit der Reformation, in: Beiträge zur sächsischen Kirchengeschichte 1/1882, S. 169-255, hier S. 194-197; O. R. Redlich, Das Düsseldorfer Religionsgespräch vom Jahre 1527, in: Zeitschrift des Bergischen Geschichtsvereins 29/1893, S. 193-213; O. Clemen, Anarg von W., in: Wissenschaftliche Beilage der Leipziger Zeitung 29/1911, S. 13f.

Michael Wetzel
19.2.2019


Empfohlene Zitierweise:
Michael Wetzel, Artikel: Anarg Heinrich von Wildenfels,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/25877 [Zugriff 18.4.2024].