Petrus Legge

L. wuchs im ostwestfälischen Brakel auf, wo er zunächst die Volks- und die Rektoratsschule besuchte. Sein Abitur legte er 1903 am Gymnasium in Warburg ab. Dem schlossen sich ein Theologiestudium in Paderborn und Würzburg sowie der Besuch des Priesterseminars Paderborn an. Der Paderborner Bischof Wilhelm Schneider spendete ihm am 22.3.1907 die Priesterweihe. – Zuerst wirkte L. als Vikar in Gerbstedt bei Eisleben. Nach vierjähriger Tätigkeit ging er ab Mai 1911 für 13 Jahre als Kaplan an die Propsteigemeinde Halle/Saale. 1924 wurde er zum Propst von St. Sebastian in Magdeburg berufen. Damit war er zugleich bischöflicher Kommissar für den sächsischen Teil des Bistums Paderborn. In Magdeburg war er auch für die Organisation des ersten deutschen Katholikentags in der Diaspora verantwortlich, der dort 1928 abgehalten wurde. Bei dieser Gelegenheit kam er mit Nuntius Eugenio Pacelli in Kontakt, der später wiederholt als Förderer von L.s Bischofsernennung vermutet wurde. Diese erfolgte im Herbst 1932, als er an die Stelle des zum Erzbischof von Freiburg ernannten Konrad Gröber in das Bistum Meißen gerufen wurde. Die Bischofsweihe erhielt L. am 18.10.1932 in Magdeburg durch den Paderborner Erzbischof Kaspar Klein. Seine Amtseinführung am Bischofssitz Bautzen erfolgte am 6.11.1932. Die Theologische Fakultät der Universität Würzburg verlieh ihrem ehemaligen Studenten 1934 die Ehrendoktorwürde. – L.s Tätigkeit als Bischof wurde v.a. von zwei Aspekten bestimmt: Innerkirchlich hatte er mit der Diasporasituation der Katholiken in Sachsen und in den beiden zum Bistum gehörenden thüringischen Archipresbyteraten (heute Dekanate) Altenburg und Gera umzugehen; im Gebiet des Bistums waren nur ca. 4 % der Bevölkerung katholisch. Aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit in der Diaspora der preußischen Provinz Sachsen trafen ihn solche Aufgaben nicht völlig unvorbereitet, auch wenn die Verhältnisse nur z.T. vergleichbar waren. Seine Vorgänger hatten in den ca. zehn Jahren seit der Wiedererrichtung des Bistums Meißen 1921 zum Aufbau der Seelsorge- und Verwaltungsstrukturen erhebliche finanzielle Mittel aufbringen müssen, wozu u.a. eine Geldanleihe in Holland aufgenommen worden war. Diese materiellen Probleme des Bistums sollten sich auch unter L. nicht wesentlich bessern. Der zweite Aspekt, der L.s Wirken als Bischof wesentlich beeinflusste, war das Aufeinanderfolgen zweier diktatorischer Regime, die mit ihrer ideologischen Ausrichtung und Fundierung den Kirchen prinzipiell feindlich gegenüberstanden. Dies wirkte sich nicht allein auf die kirchlichen Strukturen wie Vereinswesen, katholische Schulen und Presse aus, die unter politischen Druck gerieten und sukzessive zerstört wurden. Auch L. persönlich war der Repressionspolitik ausgesetzt, etwa als er 1935 bei Unstimmigkeiten im Zusammenhang mit der Rückzahlung der holländischen Anleihe kraft seines Amts verantwortlich gemacht und infolgedessen als einziger deutscher Bischof in der Zeit des Nationalsozialismus in Haft genommen wurde. Das Verfahren gegen ihn, seinen Bruder Theodor sowie den Leiter der bischöflichen Verwaltung, Generalvikar Wilhelm Soppa, endete für L. mit der Verurteilung zu einer Geldstrafe, während die anderen beiden zusätzlich eine Haftstrafe verbüßen mussten. Somit rechtskräftig verurteilt, war eine Rückkehr L.s in das Bischofsamt schwierig, zumal auch in kirchlichen Kreisen, namentlich in der Nuntiatur in Berlin und dem Staatssekretariat des Heiligen Stuhls, aus diesem Grund Vorbehalte bestanden. Fast anderthalb Jahre, vom Dezember 1935 bis zum März 1937, blieb L. in seiner Heimatstadt Brakel, während das Bistum Meißen vom Berliner Bischof Konrad Graf von Preysing mitverwaltet wurde. Mit seiner erneuten Amtsaufnahme im April 1937 wurde L. mit Heinrich Wienken ein Koadjutor beigegeben, der allerdings ab Herbst 1937 nach Berlin zurückkehrte. Erst nach L.s Tod kam Wienken dauerhaft nach Bautzen, um dessen Nachfolge als Bischof von Meißen anzutreten. – Nach L.s Rückkehr 1937 in das Bistum begannen fundamentale Auseinandersetzungen mit dem nationalsozialistischen Regime, v.a. im Hinblick auf das Schul- und Vereinswesen. Nicht zuletzt aufgrund seiner Hafterfahrungen scheute L. die direkte Konfrontation. Er versuchte gemeinsam mit seinen Mitarbeitern, die Pfarrseelsorge entsprechend auszubauen und somit den Wegfall von kirchlichen Institutionen auszugleichen. Diese weitgehende politische Zurückhaltung bei einer Betonung seelsorglicher Interessen sollte auch die Zeit nach 1945 prägen. Den Versuchen seitens des SED-Regimes, ihn in die offizielle politische Propaganda einzubinden, konnte L. nicht dauerhaft widerstehen. Besonders sein seelsorglich-moderater, kirchenpolitisch allerdings bedenklicher Friedens-Hirtenbrief von 1949 erregte Aufsehen. Damit setzte er sich auch von den anderen katholischen Jurisdiktionsträgern, den Bischöfen und Kommissaren, in der SBZ/DDR ab, an deren nur teilweise institutionalisierten Beratungen L. bis 1950 ohnehin nicht teilnahm. L. starb an den Folgen eines Autounfalls bei seiner Rückreise von der Beerdigung von Kardinal Preysing. Anlässlich des Begräbnisses von L. stellte der Paderborner Erzbischof Lorenz Jaeger v.a. dessen Selbstverständnis als Seelsorger heraus. – Das Wirken L.s hinterlässt einen ambivalenten Eindruck, da er als Bischof einerseits die Bewahrung des katholischen Glaubens in Sachsen sowie die Stärkung des Kernbereichs der Seelsorge verantwortete und mittrug. Sein persönlich wenig ausgeprägtes, eher unauffälliges Profil lässt ihn - bereits in der zeitgenössischen Wahrnehmung - hinter einige seiner Amtsbrüder im Bischofsrang zurücktreten. Seine politische Naivität, gerade angesichts der Herausforderungen in der NS- und frühen SBZ/DDR-Zeit, hat aber auch Schatten auf sein Wirken geworfen.

Quellen Diözesanarchiv des Bistums Dresden-Meißen, Bischofsakten Petrus L.; Pfarrarchiv Brakel, Ordner Petrus L.

Literatur J. Derksen, Erinnerungen an Bischof Petrus L., Leipzig 1952; M. A. Jörgens, „Wider alle Hoffnung...“. Bischof Petrus L. 1882-1951, Paderborn 1993 (P); B. Mitzscherlich, Diktatur und Diaspora. Das Bistum Meißen 1932-1951, Paderborn/München/Wien/Zürich 2005. – DBA II, III; DBE 6, S. 289; E. Gatz (Hg.), Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1785/1803 bis 1945, Berlin 1983, S. 440f. (Bildquelle); ders. (Hg.), Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945-2000, Berlin 2002, S. 141-143.

Birgit Mitzscherlich
22.5.2006


Empfohlene Zitierweise:
Birgit Mitzscherlich, Artikel: Petrus Legge,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/10795 [Zugriff 13.5.2024].

Petrus Legge



Quellen Diözesanarchiv des Bistums Dresden-Meißen, Bischofsakten Petrus L.; Pfarrarchiv Brakel, Ordner Petrus L.

Literatur J. Derksen, Erinnerungen an Bischof Petrus L., Leipzig 1952; M. A. Jörgens, „Wider alle Hoffnung...“. Bischof Petrus L. 1882-1951, Paderborn 1993 (P); B. Mitzscherlich, Diktatur und Diaspora. Das Bistum Meißen 1932-1951, Paderborn/München/Wien/Zürich 2005. – DBA II, III; DBE 6, S. 289; E. Gatz (Hg.), Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1785/1803 bis 1945, Berlin 1983, S. 440f. (Bildquelle); ders. (Hg.), Die Bischöfe der deutschsprachigen Länder 1945-2000, Berlin 2002, S. 141-143.

Birgit Mitzscherlich
22.5.2006


Empfohlene Zitierweise:
Birgit Mitzscherlich, Artikel: Petrus Legge,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/10795 [Zugriff 13.5.2024].