Arthur Schloßmann

S. gründete mit dem Dresdner Säuglingsheim die deutschlandweit erste Anstalt, die sich ausschließlich der Behandlung kranker Säuglinge widmete. Am Dresdner Säuglingsheim wurden erstmals in Deutschland spezielle Kräfte für die Pflege kranker Säuglinge, sog. Säuglingspflegerinnen, ausgebildet. Mit dem Dresdner Säuglingsheim leistete S. einen wichtigen Beitrag zur Lösung der Frage der Anstaltsbehandlung kranker Säuglinge wie überhaupt zur Bekämpfung der Säuglingssterblichkeit in Deutschland. – Seine Kindheit und Jugend verbrachte S. in Dresden, wo er die Kreuzschule besuchte und 1886 sein Abitur machte. Danach studierte er in Freiburg/Breisgau, Leipzig, Breslau und München Medizin und wurde 1891 in München mit dem Thema „Beiträge zur Kenntnis der Rachitis“ promoviert. Seine Assistenzzeit absolvierte er am Kaiser- und Kaiserin-Friedrich-Kinderkrankenhaus in Berlin, das 1890 von Adolf Baginsky und Rudolf Virchow gegründet worden war und wo er bei Baginsky seine kinderärztliche Ausbildung erhielt. Bereits ein Jahr später kehrte S. nach Dresden zurück und richtete dort nach seiner Niederlassung als Kinderarzt eine Poliklinik für kranke Kinder und Säuglinge in der Dresden-Johannstadt - dem damaligen Arbeiterwohnviertel - ein, die er aus eigenen Mitteln unterhielt. Hier bot er auch die kostenlose Behandlung kranker Säuglinge an. Diese Kinderpoliklinik in der Johannstadt, die er am 1.3.1894 eröffnet hatte, bildete den Ausgangspunkt für das spätere Säuglingsheim. Am 20.12.1897 erfolgte, v.a. mittels der Unterstützung des Geheimen Kommerzienrats und Konsuls Theodor Menz, die Gründung des Vereins „Kinderpoliklinik in der Johannstadt mit Säuglingsheim“. Neben Menz und S. als Leiter des Säuglingsheims gehörten auch der Dresdner Oberbürgermeister Gustav Otto Beutler und dessen Frau Marie sowie Karl August Lingner, Unternehmer und Initiator der ersten Internationalen Hygiene-Ausstellung in Dresden, zum Vorstand des Vereins. Am 1.8.1898 wurde schließlich im ersten Stock des Eckhauses an der Arnoldstraße 1 das erste Säuglingsheim mit fünf Betten eröffnet. Hier gelang es S. erstmals die Mortalitätsraten bei der Behandlung kranker Säuglinge auf unter 30 Prozent zu senken. Um 1900 verzeichnete die Säuglingsstation der Berliner Charité eine Sterblichkeitsrate von 51,6 Prozent und das Leipziger Kinderkrankenhaus wies sogar eine Mortalitätsrate von 64,6 Prozent unter den Säuglingen auf. Zur selben Zeit war es S. in seinem Säuglingsheim gelungen, die Sterblichkeitsrate auf fast 25 Prozent zu reduzieren. Bis 1903 sank diese weiter auf 22,9 Prozent. Diesen Erfolg erzielte S. v.a. durch Verbesserungen in der Ernährung und Pflege. So bestand das Leitmotiv des Dresdner Säuglingsheims in dem Gedanken, dass die Frauenmilch bei der Behandlung kranker Säuglinge Heilmittel und Diätetikum war. Zur dauerhaften Ernährung der Säuglinge mit Muttermilch wurden in der benachbarten Königlichen Frauenklinik in Dresden geeignete Ammen ausgewählt und mit ihren Kindern im Säuglingsheim aufgenommen. – Zur Durchsetzung höchstmöglicher Asepsis bei der Anstaltsbehandlung der Säuglinge sollten gut ausgebildete Fachkräfte eingesetzt werden. Hierzu wurde ab 1898 dem Säuglingsheim eine Säuglingspflegerinnenschule angegliedert, an der erstmals in Deutschland spezielle Fachkräfte für die Säuglingskrankenpflege ausgebildet wurden. Neben der Behandlung kranker Säuglinge diente das Heim der Erforschung der Lebensbedingungen und Ernährungsprobleme von Säuglingen. – 1898 habilitierte sich S. auf dem Gebiet der allgemeinen Physiologie und physiologischen Chemie mit seiner Arbeit „Über einige bedeutungsvolle Unterschiede zwischen Kuh- und Frauenmilch in chemischer und physiologischer Beziehung, mit besonderer Berücksichtigung der Säuglingsernährungsfrage“. Am 4.4.1902 wurde S. zum außerordentlichen Professor an der Technischen Hochschule Dresden ernannt. 1906 folgte er dem Ruf nach Düsseldorf als Direktor der Kinderklinik und auf den Lehrstuhl für Kinderheilkunde der Akademie für praktische Medizin. Ein Jahr darauf gründete er den „Verein für Säuglingsfürsorge im Regierungsbezirk Düsseldorf“. An der Kinderklinik wurden Schulen zur Ausbildung von Säuglingspflegerinnen errichtet und S. setzte sich weiter für die Regelung der Ausbildung der Fürsorgerinnen und der Hebung der sozialen Stellung der Hebammen ein. In den ab 1912 in der Stadt eingerichteten Mütterberatungs- und Fürsorgestellen leitete S. selbst jahrelang Fürsorgesprechstunden. In Düsseldorf führte er auch die Freiluftbehandlung ein, mit der er bereits in Dresden bei der Behandlung kranker Kinder positive Erfahrungen gemacht hatte. Während des Ersten Weltkriegs war S. als Chefarzt eines Feldlazaretts an der Westfront eingesetzt. Nach seiner Rückkehr nach Düsseldorf 1917 übernahm er die Neuordnung der Fürsorgeeinrichtungen und führte mit der Polizeiverordnung vom 30.9.1917 strikte Regeln für die Errichtung und den Betrieb von Kinderheimen ein. Im selben Jahr wurde - auch auf seine Initiative hin - die Niederrheinische Frauenakademie zur Herausbildung staatlich geprüfter Wohlfahrtspflegerinnen gegründet. Im August 1918 erfolgte seine Ernennung zum Geheimen Medizinalrat. 1923 wurde S. zum ordentlichen Professor für Kinderheilkunde an der Medizinischen Akademie Düsseldorf berufen. S. war auch einer der Hauptbeteiligten am Zustandekommen des preußischen Hebammengesetzes und Initiator der Ausstellung für „Gesundheit, soziale Fürsorge und Leibesübungen“ (GeSoLei) 1926 in Düsseldorf, zu deren Organisation er maßgeblich beitrug. – Für sein Lebenswerk erhielt S. zahlreiche Ehrungen und Auszeichnungen. So wurde er u.a. mit dem Ehrenzeichen erster Klasse des Deutschen Roten Kreuzes (11.7.1926) ausgezeichnet und von der juristischen Fakultät der Universität Bonn zum Ehrendoktor ernannt (27.11.1926). Am 10.1.1927 erhielt er vom preußischen Minister für Volkswohlfahrt die Große preußische Plakette für Volkswohlfahrt. Noch kurz vor seinem Tod wurde S. 1932 zum Ehrenbürger der Medizinischen Akademie Düsseldorf ernannt. Auf seinen Wunsch hin wurde er auf dem Waldfriedhof Weißer Hirsch in Dresden bestattet. Seit 1996 vergibt die Sächsisch-Thüringische Gesellschaft für Kinderheilkunde den Arthur-Schloßmann-Preis.

Quellen Stadtarchiv Dresden, B XII 168, Akten, den Verein Kinderpoliklinik mit Säuglingsheim in der Johannstadt betreffend; Universität Düsseldorf, Universitätsarchiv, Nachlass Albert Eckstein und Erna Eckstein-Schloßmann.

Werke Beiträge zur Kenntnis der Rachitis, München 1891; Über einige bedeutungsvolle Unterschiede zwischen Kuh- und Frauenmilch in chemischer und physiologischer Beziehung, mit besonderer Berücksichtigung der Säuglingsernährungsfrage, Habil. Dresden 1898; Ueber Errichtung und Einrichtung von Säuglingskrankenanstalten, in: Archiv für Kinderheilkunde 33/1902, S. 177-231; mit Peters, Ueber Häufigkeit und Ursachen des Todes bei der Anstaltsbehandlung kranker Säuglinge, in: ebd., S. 246-284; Über die Fürsorge für kranke Säuglinge unter besonderer Berücksichtigung des neuen Dresdner Säuglingsheims, in: ebd. 43/1906, S. 1-94; Erfahrungen und Gedanken über Anstaltsbehandlung der Säuglinge, in: Monatsschrift für Kinderheilkunde 11/1913, S. 545-577; Die staatlich geprüfte Säuglingspflegerin, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 43/1917, Nr. 24, S. 751; Die Entwicklung der Versorgung kranker Säuglinge in Anstalten, in: Ergebnisse der inneren Medizin und Kinderheilkunde 24/1923, Nr. 2, S. 188-209; mit A. Gottstein/L. Teleky (Hg.), Handbuch der Sozialen Hygiene und Gesundheitsfürsorge, 6 Bde., Berlin 1925-1927.

Literatur A. Baginsky, Säuglingskrankenpflege und Säuglingskrankheiten, Stuttgart 1906; G. Tugendreich, Die Mutter- und Säuglingsfürsorge, Stuttgart 1910; K. Rücker, Professor S. und der Kampf gegen die Säuglingssterblichkeit in Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Berlin 1959; P. Wunderlich, Arthur S. (1867-1932) und die Kinderheilkunde in Dresden, in: ders./K. Renner, Arthur S. und die Düsseldorfer Kinderklinik, Düsseldorf 1967, S. IX-XXIV; K. Renner, Die Geschichte der Düsseldorfer Universitätskinderklinik von ihrer Begründung im Jahre 1907 bis zum Jahre 1967, in: ebd., S. 1-121; U.-N. Funke, Karl August Lingner, München 2007. – DBA II, III; DBE 8, S. 686; NDB 23, S. 108f; V. Klimpel, Dresdner Ärzte, Dresden 1998, S. 132.

Dorothea Eickemeyer
13.3.2017


Empfohlene Zitierweise:
Dorothea Eickemeyer, Artikel: Arthur Schloßmann,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/9834 [Zugriff 2.11.2024].

Arthur Schloßmann



Quellen Stadtarchiv Dresden, B XII 168, Akten, den Verein Kinderpoliklinik mit Säuglingsheim in der Johannstadt betreffend; Universität Düsseldorf, Universitätsarchiv, Nachlass Albert Eckstein und Erna Eckstein-Schloßmann.

Werke Beiträge zur Kenntnis der Rachitis, München 1891; Über einige bedeutungsvolle Unterschiede zwischen Kuh- und Frauenmilch in chemischer und physiologischer Beziehung, mit besonderer Berücksichtigung der Säuglingsernährungsfrage, Habil. Dresden 1898; Ueber Errichtung und Einrichtung von Säuglingskrankenanstalten, in: Archiv für Kinderheilkunde 33/1902, S. 177-231; mit Peters, Ueber Häufigkeit und Ursachen des Todes bei der Anstaltsbehandlung kranker Säuglinge, in: ebd., S. 246-284; Über die Fürsorge für kranke Säuglinge unter besonderer Berücksichtigung des neuen Dresdner Säuglingsheims, in: ebd. 43/1906, S. 1-94; Erfahrungen und Gedanken über Anstaltsbehandlung der Säuglinge, in: Monatsschrift für Kinderheilkunde 11/1913, S. 545-577; Die staatlich geprüfte Säuglingspflegerin, in: Deutsche Medizinische Wochenschrift 43/1917, Nr. 24, S. 751; Die Entwicklung der Versorgung kranker Säuglinge in Anstalten, in: Ergebnisse der inneren Medizin und Kinderheilkunde 24/1923, Nr. 2, S. 188-209; mit A. Gottstein/L. Teleky (Hg.), Handbuch der Sozialen Hygiene und Gesundheitsfürsorge, 6 Bde., Berlin 1925-1927.

Literatur A. Baginsky, Säuglingskrankenpflege und Säuglingskrankheiten, Stuttgart 1906; G. Tugendreich, Die Mutter- und Säuglingsfürsorge, Stuttgart 1910; K. Rücker, Professor S. und der Kampf gegen die Säuglingssterblichkeit in Deutschland zu Beginn des 20. Jahrhunderts, Berlin 1959; P. Wunderlich, Arthur S. (1867-1932) und die Kinderheilkunde in Dresden, in: ders./K. Renner, Arthur S. und die Düsseldorfer Kinderklinik, Düsseldorf 1967, S. IX-XXIV; K. Renner, Die Geschichte der Düsseldorfer Universitätskinderklinik von ihrer Begründung im Jahre 1907 bis zum Jahre 1967, in: ebd., S. 1-121; U.-N. Funke, Karl August Lingner, München 2007. – DBA II, III; DBE 8, S. 686; NDB 23, S. 108f; V. Klimpel, Dresdner Ärzte, Dresden 1998, S. 132.

Dorothea Eickemeyer
13.3.2017


Empfohlene Zitierweise:
Dorothea Eickemeyer, Artikel: Arthur Schloßmann,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/9834 [Zugriff 2.11.2024].