Paul Wagner

W. besuchte das Lehrerseminar in Nossen und war zunächst Volksschullehrer in Leipzig-Gohlis, ehe er 1894 bis 1897 Naturwissenschaften und Geografie an der Leipziger Albertina studierte. Seine Lehrer waren u.a. der Geologe Hermann Credner und die Geografen Friedrich Ratzel und Alfred Hettner. Nach erfolgreicher Promotion über ein quartärgeologisches Thema und Staatsexamen 1897 ging er in den höheren Schuldienst nach Dresden, wo er zunächst an der Realschule in der Johannstadt lehrte. Daneben unterstützte er Alphons Stübel beim Aufbau von dessen „Museum für Länderkunde“ in Leipzig und gab 1905 einen Führer durch die Sammlungen heraus. 1911 wechselte W. an die neu gegründete Dresdner Studienanstalt (ausgebaut zum Gymnasium) für Mädchen, wo er 1918 bis zu seiner Pensionierung 1928 als Konrektor wirkte. – W.s Bedeutung lag v.a. in seinem Engagement für die Verbesserung des Erdkundeunterrichts. Zwischen 1910 und 1925 gehörte er zu den entschiedenen Verfechtern einer Schulreform und legte mehrere Lehrplanentwürfe vor. Höhepunkt seines Schaffens war 1918 ein „Lehrplanentwurf für den erdkundlichen Unterricht an den höheren Schulen Sachsens“, der ein Jahr später im Freistaat offiziell eingeführt wurde. Darin wurde Erdkunde als „nationales Bildungsfach“ deutlich aufgewertet und sollte durchgehend in der Oberstufe unterrichtet werden. Der sächsische Lehrplan galt unter den Schulgeografen als vorbildlich und diente als Grundlage in den Diskussionen um die Schulreform in Preußen. In der Standesorganisation der Erdkundelehrer, dem „Verband deutscher Schulgeographen“ (VdS), gehörte W. 1912 zum Gründungsausschuss. Bis 1927 war W. Mitglied des Hauptvorstands und wurde 1928 zum Ehrenmitglied des VdS ernannt. 1922 trug er maßgeblich zu der Gründung der Ortsgruppe Dresden des VdS bei und wurde deren Vorsitzender. In der Verbandszeitschrift „Geographischer Anzeiger“ findet man ihn über drei Jahrzehnte lang unter den aktivsten Mitarbeitern; 1938 wurde ihm ein Heft der Zeitschrift als Festschrift gewidmet. W.s Hauptwerk im unterrichtsmethodischen Bereich erschien 1919 in zwei Bänden bei Quelle & Meyer. Die „Methodik des erdkundlichen Unterrichts“ galt als Standardwerk dieser Zeit und erfuhr 1926 eine Übersetzung in die schwedische Sprache. Allerdings war W. kein in engen Fachgrenzen denkender Schulgeograf. Vor dem Ersten Weltkrieg engagierte er sich energisch für die Einführung von Unterricht in Geologie und Mineralogie in den Schulen, was ihm unter den Verbandsfunktionären der Geografen heftige Kritik einbrachte. Als Vertreter der Deutschen Geologischen Vereinigung, zu deren Gründungsmitgliedern er 1910 ebenfalls gehörte und in deren Organ, der „Geologischen Rundschau“, er regelmäßig über schulgeologische Neuerscheinungen berichtete, wurde er 1910 Mitglied im „Deutschen Ausschuß für den mathematischen und naturwissenschaftlichen Unterricht (DAMNU)“. Sein 1920 im Auftrag des DAMNU verfasster Lehrplanentwurf orientierte sich an seinem sächsischen Lehrplan. Durch die Betonung der Allgemeinen Geografie in den oberen Klassen stieß er wiederum auf Ablehnung bei den Geografen, die sich für einen rein länderkundlichen Unterricht einsetzten. Außerdem gab W. zwischen 1912 und 1923 die Zeitschrift „Aus der Natur. Zeitschrift für den naturwissenschaftlichen und erdkundlichen Unterricht“ mit heraus. – Auch als Schulbuchautor betätigte sich W. Beim Teubner-Verlag in Leipzig erschien zunächst ein „Lehrbuch der Geologie und Mineralogie“ (1907), das in zwei Ausgaben bis in die 1930er-Jahre aufgelegt wurde. Für das im Münchner Oldenbourg-Verlag von Heinrich Fischer und Alois Geistbeck erscheinende geografische Lehrwerk bearbeitete W. 1913/14 die sächsischen Ausgaben für Mädchen- und Knabenschulen. 1922 wurden beide Ausgaben zu einer fünfbändigen „Einheitsausgabe“ vereint und um zwei Oberklassen-Hefte ergänzt. An der umgearbeiteten (nationalsozialistischen) Ausgabe des „Fischer-Geistbeck“ war W. als Mitverfasser des Bands „Die staatliche und wirtschaftliche Gestaltung der Erde“ (1940) beteiligt. – Neben seinem Engagement für den Geografieunterricht war W. in zahlreichen sächsischen Vereinen und Funktionen aktiv und setzte sich für die Erforschung Sachsens ein. 1907 gründete er in Dresden die erste Lichtbildstelle Deutschlands. Im Landesverein „Sächsischer Heimatschutz“ gutachtete er für den geologischen Heimatschutz und erreichte z.B., dass der Scheibenberg als Naturdenkmal ausgewiesen wurde. In zahlreichen Vorträgen, Exkursionen und Ausstellungen trug er den Heimatschutz- und Naturschutzgedanken in die Bevölkerung. Unter seiner Leitung formierte sich Anfang der 1920er-Jahre eine Gruppe sächsischer Erdkundelehrer, die „Sächsische Wanderbücher“ verfassten. So stammen aus W.s Feder zwei „Dresdner Wanderbücher“ (1921/22), ein „Wanderbuch für das östliche Erzgebirge“ (1923) sowie ein „Wanderbuch für das obere Erzgebirge“ (1935). Als Abschluss und Zusammenfassung seiner langjährigen Erfahrungen gab er 1936 „Handreichungen für heimatkundliche Arbeiten in Sachsen“ heraus. Außerdem stand er mehrfach der „Geographischen Gesellschaft Dresden“ vor, die ihn 1933 zum Ehrenmitglied ernannte und ihm 1938 eine Festschrift widmete. Die Naturwissenschaftliche Gesellschaft ISIS und der Verein für Erdkunde zu Dresden dienten ihm als Plattformen für heimatkundliche und wissenschaftliche Vorträge und Publikationen. – W. war zweifellos der einflussreichste sächsische Geografiedidaktiker zwischen 1910 und 1930 und einer der profiliertesten deutschen Schulgeografen seiner Zeit. Seine hohe Fachkompetenz und die ausgleichende, über enge Disziplingrenzen hinausgehende Denkweise verhalfen ihm zu großem Ansehen nicht nur innerhalb der Schulkreise, sondern auch in der Fachwissenschaft. Während der zeitweise äußerst hitzig geführten Kontroversen um die Schulreform blieb W. seiner Linie treu und konnte einerseits zwischen Schule und Wissenschaft und andererseits zwischen der Geografie und den Naturwissenschaften vermittelnd wirken.

Quellen Leibniz-Institut für Länderkunde Leipzig, Archiv für Geographie, Nachlass W.

Werke Die Seen des Böhmerwaldes. Eine geologisch-geographische Studie. Zugleich ein Beitrag zur Lösung des Karproblems, Diss. Leipzig 1897; Die mineralogisch-geologische Durchforschung Sachsens in ihrer geschichtlichen Entwicklung, Dresden 1902; Illustrierter Führer durch das Museum für Länderkunde (Alphons-Stübel-Stiftung), Leipzig 1905 (Ergänzung 1912); Lehrbuch der Geologie und Mineralogie für höhere Schulen, insbesondere für Realanstalten und Seminare, große Ausgabe, Leipzig 1907, 101929, kleine Ausgabe, Leipzig 101935; Grundfragen der allgemeinen Geologie in kritischer und leichtverständlicher Darstellung, Leipzig 1912, 21919; Erdkunde für die höheren Mädchenschulen in Sachsen, 7 Teile, München 1913/14; Erdkunde für die höheren Lehranstalten in Sachsen, 6 Teile, München 1914; Die Stellung der Erdkunde im Rahmen der Allgemeinbildung, Leipzig 1918; Geographischer Unterricht und Auslandskunde, Berlin 1919; Methodik des erdkundlichen Unterrichts, 2 Bde., Leipzig 1919, 21926; Dresdner Wanderbuch, 2 Bde., Wachwitz 1921/22, Dresden 31934; Erläuterungen zu 144 Lichtbildern zur Landeskunde von Sachsen, Stuttgart 1922; Erdkunde für höhere Lehranstalten in Sachsen. Einheitsausgabe, 5 Bde., München 1922, 71936; Geographie für die Oberklassen höherer Lehranstalten, München 1922; Wanderbuch für das östliche Erzgebirge, Wachwitz 1923, Dresden 21934; Erdgeschichtliche Natururkunden aus dem Sachsenlande, Dresden 1930; Wanderbuch für das obere Erzgebirge, Dresden 1935; Handreichungen für heimatkundliche Arbeiten in Sachsen, Leipzig 1936; mit R. Liebscher, Die staatliche und wirtschaftliche Gestaltung der Erde, Berlin 1940.

Literatur F. Knieriem, P. W.s Methodik des erdkundlichen Unterrichts, in: Geographischer Anzeiger 27/1926, S. 122-124; H. Beier, Paul W., in: ebd. 29/1928, H. 4, S. 105-110 (P); ders., Prof. Dr. Paul W. zum 70. Geburtstagsfeste, in: Mitteilungen des Vereins für Erdkunde Dresden NF 1936/38, S. 9-16; ders., Paul W. 70 Jahre, in: Geographischer Anzeiger 39/1938, H. 7, S. 146-148 (WV); Kurt Hassert und Paul W. zum 70. Geburtstag gewidmet, Dresden 1936/38 (P); Fünf Jahrzehnte im Dienste an Schule und Heimat. Paul W. 70 Jahre, in: Politische Erziehung 1938, Nr. 3, S. 71f.; G. Engelmann, Paul W. †, in: Petermanns geographische Mitteilungen 95/1951, S. 261-263; ders., Paul W. und die deutsche Landeskunde, in: Berichte zur deutschen Landeskunde 10/1951, H. 2, S. 316-320; H. P. Brogiato, „Wissen ist Macht – geographisches Wissen ist Weltmacht“, 2 Bde., Trier 1998. – E. Banse, Lexikon der Geographie, Bd. 2, Braunschweig 1923, S. 721.

Porträt Fotografie, um 1935, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).

Heinz Peter Brogiato
1.7.2009


Empfohlene Zitierweise:
Heinz Peter Brogiato, Artikel: Paul Wagner,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/19407 [Zugriff 29.3.2024].

Paul Wagner



Quellen Leibniz-Institut für Länderkunde Leipzig, Archiv für Geographie, Nachlass W.

Werke Die Seen des Böhmerwaldes. Eine geologisch-geographische Studie. Zugleich ein Beitrag zur Lösung des Karproblems, Diss. Leipzig 1897; Die mineralogisch-geologische Durchforschung Sachsens in ihrer geschichtlichen Entwicklung, Dresden 1902; Illustrierter Führer durch das Museum für Länderkunde (Alphons-Stübel-Stiftung), Leipzig 1905 (Ergänzung 1912); Lehrbuch der Geologie und Mineralogie für höhere Schulen, insbesondere für Realanstalten und Seminare, große Ausgabe, Leipzig 1907, 101929, kleine Ausgabe, Leipzig 101935; Grundfragen der allgemeinen Geologie in kritischer und leichtverständlicher Darstellung, Leipzig 1912, 21919; Erdkunde für die höheren Mädchenschulen in Sachsen, 7 Teile, München 1913/14; Erdkunde für die höheren Lehranstalten in Sachsen, 6 Teile, München 1914; Die Stellung der Erdkunde im Rahmen der Allgemeinbildung, Leipzig 1918; Geographischer Unterricht und Auslandskunde, Berlin 1919; Methodik des erdkundlichen Unterrichts, 2 Bde., Leipzig 1919, 21926; Dresdner Wanderbuch, 2 Bde., Wachwitz 1921/22, Dresden 31934; Erläuterungen zu 144 Lichtbildern zur Landeskunde von Sachsen, Stuttgart 1922; Erdkunde für höhere Lehranstalten in Sachsen. Einheitsausgabe, 5 Bde., München 1922, 71936; Geographie für die Oberklassen höherer Lehranstalten, München 1922; Wanderbuch für das östliche Erzgebirge, Wachwitz 1923, Dresden 21934; Erdgeschichtliche Natururkunden aus dem Sachsenlande, Dresden 1930; Wanderbuch für das obere Erzgebirge, Dresden 1935; Handreichungen für heimatkundliche Arbeiten in Sachsen, Leipzig 1936; mit R. Liebscher, Die staatliche und wirtschaftliche Gestaltung der Erde, Berlin 1940.

Literatur F. Knieriem, P. W.s Methodik des erdkundlichen Unterrichts, in: Geographischer Anzeiger 27/1926, S. 122-124; H. Beier, Paul W., in: ebd. 29/1928, H. 4, S. 105-110 (P); ders., Prof. Dr. Paul W. zum 70. Geburtstagsfeste, in: Mitteilungen des Vereins für Erdkunde Dresden NF 1936/38, S. 9-16; ders., Paul W. 70 Jahre, in: Geographischer Anzeiger 39/1938, H. 7, S. 146-148 (WV); Kurt Hassert und Paul W. zum 70. Geburtstag gewidmet, Dresden 1936/38 (P); Fünf Jahrzehnte im Dienste an Schule und Heimat. Paul W. 70 Jahre, in: Politische Erziehung 1938, Nr. 3, S. 71f.; G. Engelmann, Paul W. †, in: Petermanns geographische Mitteilungen 95/1951, S. 261-263; ders., Paul W. und die deutsche Landeskunde, in: Berichte zur deutschen Landeskunde 10/1951, H. 2, S. 316-320; H. P. Brogiato, „Wissen ist Macht – geographisches Wissen ist Weltmacht“, 2 Bde., Trier 1998. – E. Banse, Lexikon der Geographie, Bd. 2, Braunschweig 1923, S. 721.

Porträt Fotografie, um 1935, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).

Heinz Peter Brogiato
1.7.2009


Empfohlene Zitierweise:
Heinz Peter Brogiato, Artikel: Paul Wagner,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/19407 [Zugriff 29.3.2024].