Ernst Wilhelm Förstemann

Nach dem Studium der vergleichenden Sprachwissenschaft und der Promotion in Berlin war F. 1844 bis 1851 als Lehrer in Danzig tätig. 1851 übersiedelte er nach Wernigerode, wo er am Lyzeum unterrichtete und die Gräflich-Stolbergische Bibliothek verwaltete. In dieser Zeit entstand sein „Altdeutsches Namenbuch“, das die deutschen Personen- und Ortsnamen von den Anfängen bis 1100 erfasst. Seine erwiesene Befähigung als Bibliothekar führte 1865 zur Berufung als Leiter der Königlichen öffentlichen Bibliothek in Dresden, deren Entwicklung seit längerem stagnierte und die einer umfassenden Reform bedurfte. F. profilierte den Bestandsaufbau durch Konzentration auf die traditionell am stärksten vertretenen Fächer Bibliografie, Literargeschichte, Geschichte und deren Hilfswissenschaften, Staatswissenschaft, Sprachwissenschaften, Kunst und Archäologie und durch Abstimmung mit den übrigen Bibliotheken der Region. Er erreichte eine Verdoppelung des Etats und konnte durch Auslagerung anderer Sammlungen die Raumprobleme der im Japanischen Palais untergebrachten Einrichtung lösen. Die Verantwortlichkeiten der Mitarbeiter wurden neu geregelt und die Benutzung nur noch für wissenschaftliche, amtliche und berufliche Zwecke gestattet, um die Archivfunktion der Bibliothek zu gewährleisten. Die Beschaffung der regionalkundlichen Literatur stellte F. nach Aufhebung des Pflichtexemplargesetzes auf eine neue Basis, indem er die freiwillige Einlieferung lokaler Druckerzeugnisse aus Städten und Gemeinden organisierte. Wichtigste und langwierigste Aufgaben waren die Neugliederung und Katalogisierung des 275.000 Bände umfassenden Bestands. Unter F.s Leitung entstanden in zwölf Jahren ein Standort- und ein alphabetischer Katalog sowie ein Porträtkatalog und ein biografisches Repertorium, die bis 1927 bzw. 1973 fortgeführt wurden. Ein eigenes Forschungsfeld erschloss sich F. durch die Beschäftigung mit dem seit 1739 in der Bibliothek befindlichen Maya-Codex. Er gab 1880 einen Faksimiledruck der Handschrift heraus und trug in zahlreichen Veröffentlichungen, u.a. zur Entzifferung des Zahlensystems, zur Erforschung der Mayakultur bei. 1887 beendete F. seinen Dienst. Bis 1899 übernahm er noch die Betreuung der Privatbibliothek König Alberts und der Prinzlichen Sekundogeniturbibliothek.

Werke Altdeutsches Namenbuch, 2 Bde., Nordhausen 1856-1859, Bonn ³1911-1915; Die Gräflich-Stolbergische Bibliothek zu Wernigerode, Nordhausen 1866; Mitteilungen aus der Verwaltung der Königlichen öffentlichen Bibliothek in den Jahren 1866-1880, 3 Bde., Dresden 1871-1881; Mitteilungen aus der Verwaltung der Königlichen öffentlichen Bibliothek in den Jahren 1881-1885, in: Zentralblatt für Bibliothekswesen 3/1886, S. 319-331; Erläuterungen zur Mayahandschrift, Dresden 1886; Commentar zur Mayahandschrift, Dresden 1901; Bibliographie der Familie Förstemann, Leipzig 1906, S. 26-40.

Literatur H. Paalzow, Ernst F. †, in: Zentralblatt für Bibliothekswesen 23/1906, S. 552-563, E. F. Förstemann, Ernst Wilhelm F., in: Altdeutsches Namensbuch, Bd. 2, Bonn 31913, S. I-XXI (P); M. Mühlner, Die Reform der Königlichen öffentlichen Bibliothek in Dresden unter Ernst Wilhelm F., in: F. Krause/H.-E. Teitge (Hg.), Studien zum Buch- und Bibliothekswesen, Bd. 5, Leipzig 1987, S. 81-88. – DBA I, III; DBE 3, S. 361; NDB 5, S. 270f., 10, S. 353; S. Corsten/G. Pflug/F. A. Schmidt-Künsemüller (Hg.), Lexikon des gesamten Buchwesens, Bd. 2, Stuttgart 1989, S. 624f.; T. Bürger/K. Hermann (Hg.), Das ABC der SLUB, Dresden 2006, S. 83f. (P).

Porträt Bildnis des Oberbibliothekars in Dresden Ernst Wilhelm F., Detail, Julius Scholtz, 1882, Ölgemälde, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek, Foto: André Rous, 2012 (Bildquelle) [CC BY-SA 4.0; dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Attribution-ShareAlike 4.0 International License].

Manfred Mühlner
2.12.2011


Empfohlene Zitierweise:
Manfred Mühlner, Artikel: Ernst Wilhelm Förstemann,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/22281 [Zugriff 29.3.2024].

Ernst Wilhelm Förstemann



Werke Altdeutsches Namenbuch, 2 Bde., Nordhausen 1856-1859, Bonn ³1911-1915; Die Gräflich-Stolbergische Bibliothek zu Wernigerode, Nordhausen 1866; Mitteilungen aus der Verwaltung der Königlichen öffentlichen Bibliothek in den Jahren 1866-1880, 3 Bde., Dresden 1871-1881; Mitteilungen aus der Verwaltung der Königlichen öffentlichen Bibliothek in den Jahren 1881-1885, in: Zentralblatt für Bibliothekswesen 3/1886, S. 319-331; Erläuterungen zur Mayahandschrift, Dresden 1886; Commentar zur Mayahandschrift, Dresden 1901; Bibliographie der Familie Förstemann, Leipzig 1906, S. 26-40.

Literatur H. Paalzow, Ernst F. †, in: Zentralblatt für Bibliothekswesen 23/1906, S. 552-563, E. F. Förstemann, Ernst Wilhelm F., in: Altdeutsches Namensbuch, Bd. 2, Bonn 31913, S. I-XXI (P); M. Mühlner, Die Reform der Königlichen öffentlichen Bibliothek in Dresden unter Ernst Wilhelm F., in: F. Krause/H.-E. Teitge (Hg.), Studien zum Buch- und Bibliothekswesen, Bd. 5, Leipzig 1987, S. 81-88. – DBA I, III; DBE 3, S. 361; NDB 5, S. 270f., 10, S. 353; S. Corsten/G. Pflug/F. A. Schmidt-Künsemüller (Hg.), Lexikon des gesamten Buchwesens, Bd. 2, Stuttgart 1989, S. 624f.; T. Bürger/K. Hermann (Hg.), Das ABC der SLUB, Dresden 2006, S. 83f. (P).

Porträt Bildnis des Oberbibliothekars in Dresden Ernst Wilhelm F., Detail, Julius Scholtz, 1882, Ölgemälde, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek, Foto: André Rous, 2012 (Bildquelle) [CC BY-SA 4.0; dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Attribution-ShareAlike 4.0 International License].

Manfred Mühlner
2.12.2011


Empfohlene Zitierweise:
Manfred Mühlner, Artikel: Ernst Wilhelm Förstemann,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/22281 [Zugriff 29.3.2024].