Georg Hanssen
H., der einen wichtigen Teil seines beruflichen Lebens in Leipzig verbrachte, begann nach dem Besuch des Gymnasiums in Hamburg 1827 ein Jurastudium in Heidelberg. 1828 relegiert, befasste er sich etwa ein Jahr lang mit agrarökonomischen Studien in Weinheim/Baden und Ellwangen/Württemberg. 1829 in Kiel neu immatrikuliert, wurde er dort 1831 mit einer Arbeit über die Einrichtung landwirtschaftlicher Hochschulen promoviert und übernahm 1833 als „doctor legens“ (Privatdozent) die Stelle seines Lehrers
August Niemann, der die Fächer allgemeine Nationalökonomie und Statistik sowie Finanzwissenschaft vertreten hatte. Bereits 1834 ging er, von der Kieler Universität beurlaubt, in die dänische Hauptstadt als Kammersekretär und Kontorchef in der deutschen Abteilung der Kopenhagener Kommerzkanzlei. Er verfasste dort auf Anregung des Dänen
Oluf Christian Olufsen bis 1836 seine ersten agrarhistorischen Abhandlungen. 1837 wurde er zum Ordinarius für Philosophie in Kiel berufen und hielt in dieser Eigenschaft Vorlesungen über Nationalökonomie und Statistik. Diese Tätigkeit bildete den Zenit seines Schaffens (1841 wurde er mit der Ehrenbürgerschaft Kiels ausgezeichnet), fand jedoch durch die sog. Postkutschenaffäre 1842 ihr jähes Ende. H. war in sehr deutlicher Form öffentlich gegen bestimmte Entwicklungen im dänischen Personenbeförderungswesen in Schleswig-Holstein aufgetreten und erhielt dafür als Staatsbeamter einen „ernstlichen Verweis“. Dies nahm er zum Anlass, Kiel 1842 zu verlassen und einem Ruf an die Universität Leipzig zu folgen. Hier fand er eine geradezu herzliche Aufnahme. An seinem Lehrstuhl für Agrargeschichte fand er sehr gute Arbeitsbedingungen vor. Als einer der bedeutendsten Agrarhistoriker Deutschlands des 19. Jahrhunderts gab er seit 1843 neben
Karl Heinrich Rau das 1835 gegründete „Archiv der politischen Ökonomie und Polizeiwissenschaft“ heraus und behandelte in seiner Lehrtätigkeit und seinen Publikationen auch weiterhin Themen der norddeutschen Agrargeschichte wie 1845 das „Landgemeindewesen in den Herzogtümern Schleswig und Holstein“. H. war ein gefragter Gutachter und beurteilte u.a. im Namen der Ökonomischen Sozietät in Leipzig die Errichtung von Sparkassen. Der heimatverbundene Schleswig-Holsteiner hatte trotzdem Schwierigkeiten, in Leipzig dauerhaft Fuß zu fassen. Zudem war diese Zeit v.a. vom Tod seines ältesten Sohns überschattet. H. verfiel darüber nach und nach in tiefe Melancholie und wechselte, obwohl man ihm großzügige Urlaubsmöglichkeiten anbot, bereits 1848 an den Lehrstuhl für Nationalökonomie in Göttingen, wo er sich erfolgreich für die Gründung der Landwirtschaftlichen Akademie einsetzte. 1855 trat er mit einer Denkschrift an die Öffentlichkeit, in der er die Aspekte zusammenfasste, die für die Einrichtung eines landwirtschaftlichen Studiums an Universitäten sprachen. In dieser Schrift, deren Anliegen später zum großen Teil verwirklicht wurden, forderte er, dass die praktische Ausbildung in der Landwirtschaft dem Studium vorausgehen solle. 1860 übernahm er
Carl Friedrich Wilhelm Dietericis Lehrstuhl für Nationalökonomie in Berlin und veröffentlichte 1861 sein in Russland preisgekröntes Werk über die Aufhebung der Leibeigenschaft in Schleswig-Holstein. Auch hier hielt es ihn nicht auf Dauer, denn er kehrte bereits 1869 nach Göttingen zurück und wirkte dort, 1884 emeritiert, bis zu seinem Tod. Hier kamen seine berühmten „Agrarhistorischen Abhandlungen“ heraus. In seinen Lebenserinnerungen hat er nachträglich bedauert, sich nicht auf die Situation in Leipzig eingestellt zu haben.
Werke Historisch-statistische Darstellung der Insel Fehmarn, Altona 1832; Das Amt Bordesholm im Herzogtum Holstein, Kiel 1842; Ueber das Landgemeindewesen in den Herzogtümern Schleswig und Holstein, in: Volksbuch 2, hrsg. von K. L. Biernatzki, Altona 1845; Die Aufhebung der Leibeigenschaft und der Umgestaltung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse in den Herzogtümern Schleswig und Holstein, St. Petersburg 1861; Die Gehöferschaften im Regierungsbezirk Trier, in: Philologische und historische Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1863, Berlin 1864, S. 75-96; Agrarhistorische Abhandlungen, 2 Bde., Leipzig 1880-1884; Lebenserinnerungen des Agrarhistorikers und Nationalökonomen G. H., hrsg. von H. Hansen, in: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte 40/1910, S. 1-180 (WV).
Literatur A. Meitzen, Georg H. als Agrarhistoriker, Tübingen 1881; A. v. Miaskowski, Georg H. Ein nationalökonomisches Jubiläum, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirthschaft im Deutschen Reich 5/1881, hrsg. von G. Schmoller, S. 837-858; A. Skalweit, Georg H., 1809-94. Ein Zeit- und Lebensbild, Breslau 1930 (P); A. Fürstenberg, Georg H. als Prof. der Nationalökonomie und praktischer Volkswirt um die Mitte des 19. Jahrhunderts, Diss. Göttingen 1933. – ADB 55, S. 771-773; DBA I, II, III; NDB 7, S. 638f.; O. Klose (Hg.), Schleswig-Holsteinisches Biographisches Lexikon, Bd. 3, Neumünster 1974, S. 132-135; W. Böhm, Biographisches Handbuch zur Geschichte des Pflanzenbaus, München 1997, S. 99; Göttinger Gelehrte, Bd. 1, Göttingen 2002, S. 202 (Bildquelle).
Porträt Jugendbildnis, Pastellgemälde, Privatbesitz Freifrau von der Schulenburg, geb. Hanssen.
Heinrich Kaak
22.12.2004
Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Kaak, Artikel: Georg Hanssen,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1922 [Zugriff 2.11.2024].
Georg Hanssen
Werke Historisch-statistische Darstellung der Insel Fehmarn, Altona 1832; Das Amt Bordesholm im Herzogtum Holstein, Kiel 1842; Ueber das Landgemeindewesen in den Herzogtümern Schleswig und Holstein, in: Volksbuch 2, hrsg. von K. L. Biernatzki, Altona 1845; Die Aufhebung der Leibeigenschaft und der Umgestaltung der gutsherrlich-bäuerlichen Verhältnisse in den Herzogtümern Schleswig und Holstein, St. Petersburg 1861; Die Gehöferschaften im Regierungsbezirk Trier, in: Philologische und historische Abhandlungen der Königlichen Akademie der Wissenschaften zu Berlin 1863, Berlin 1864, S. 75-96; Agrarhistorische Abhandlungen, 2 Bde., Leipzig 1880-1884; Lebenserinnerungen des Agrarhistorikers und Nationalökonomen G. H., hrsg. von H. Hansen, in: Zeitschrift der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte 40/1910, S. 1-180 (WV).
Literatur A. Meitzen, Georg H. als Agrarhistoriker, Tübingen 1881; A. v. Miaskowski, Georg H. Ein nationalökonomisches Jubiläum, in: Jahrbuch für Gesetzgebung, Verwaltung und Volkswirthschaft im Deutschen Reich 5/1881, hrsg. von G. Schmoller, S. 837-858; A. Skalweit, Georg H., 1809-94. Ein Zeit- und Lebensbild, Breslau 1930 (P); A. Fürstenberg, Georg H. als Prof. der Nationalökonomie und praktischer Volkswirt um die Mitte des 19. Jahrhunderts, Diss. Göttingen 1933. – ADB 55, S. 771-773; DBA I, II, III; NDB 7, S. 638f.; O. Klose (Hg.), Schleswig-Holsteinisches Biographisches Lexikon, Bd. 3, Neumünster 1974, S. 132-135; W. Böhm, Biographisches Handbuch zur Geschichte des Pflanzenbaus, München 1997, S. 99; Göttinger Gelehrte, Bd. 1, Göttingen 2002, S. 202 (Bildquelle).
Porträt Jugendbildnis, Pastellgemälde, Privatbesitz Freifrau von der Schulenburg, geb. Hanssen.
Heinrich Kaak
22.12.2004
Empfohlene Zitierweise:
Heinrich Kaak, Artikel: Georg Hanssen,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1922 [Zugriff 2.11.2024].