Albert von Carlowitz
C. war der Sohn von Hans Georg von Carlowitz, der als Minister einen der beiden Entwürfe zur sächsischen Verfassung des Jahres 1831 verfasste. C. erhielt die Elementarbildung durch einen Hauslehrer und kam erst mit 15 Jahren auf die Fürstenschule St. Afra nach Meißen. Als Externer lebte er bei einem Lehrer und folgte ihm, als dieser 1819 nach St. Augustin in Grimma berufen wurde. 1820 bis 1824 studierte C. Jura an der Universität Leipzig. Schule und Universität absolvierte er mit glänzenden Zeugnissen. 1826 trat er in Dresden als Assessor bei der Landesregierung ein, die noch nach frühneuzeitlichem Modus Aufgaben einer zentralen Gerichts- und Verwaltungsbehörde ausübte. Obwohl er bereits nach zwei Jahren zum Referendar avancierte, fand er die Zeit, um 1829 unter dem Pseudonym Alwin von Candia einen Gedichtband zu publizieren. Am letzten vorkonstitutionellen Landtag nahm C. als Deputierter der Amtssassen des Amts Pirna teil, da er vier Generationen adliger Vorfahren nachweisen konnte und - teils durch Erbschaft, teils durch Vereinbarung mit einem Onkel - das Rittergut Naundorf besaß. Die Allgemeine Ritterschaft wählte den Neuling zu ihrem Kondirektor und entsandte ihn in die Deputation, die die Regierungsvorlage zur Verfassung begutachtete. Nach dem Ende des Landtags von 1831 wechselte C. als Regierungsrat in sachsen-coburg-gothaische Dienste. Auf Vorschlag des Hauses Schönburg berief ihn das Königreich Sachsen aber bereits 1833 zurück in die Kreisdirektion Zwickau, sodass C. 1833/34 beim ersten Landtag nach der neuen Verfassung für die standesherrliche Familie von Schönburg ein Mandat in der Ersten Kammer wahrnehmen konnte. Er etablierte sich rasch als bedeutendster Wortführer der konservativen Mitglieder des sächsischen Oberhauses. Nachdem er auf vier Landtagen das Haus Schönburg vertreten hatte und bereits 1839/40 und 1842/43 Vizepräsident der Ersten Kammer gewesen war, ernannte ihn der König 1845 auf Lebenszeit zum Mitglied der Rittergutsvertreter in diesem Haus. Dies wurde möglich, da C. inzwischen seinen verstorbenen Vater beerbt hatte und nun zu den reichsten Rittergutsbesitzern Sachsens gehörte. Auf dem Landtag 1845/46 wurde der als „Führer der [sächsischen] Hochtorrys“ (Bernhard Hirschel) geltende C. auch zum Präsidenten der Ersten Kammer nominiert und vom König bestätigt. – C. hatte nicht, wie andere Adlige, sogleich mit der Heirat den Staatsdienst quittiert, sondern er gab erst 1837 seine Beamtenstellung auf. 1844 publizierte er eine im Versmaß gehaltene Übersetzung von Homers Ilias. Als C. nach dem Ende des Landtags 1845/46 zum Justizminister berufen wurde, verdankte er diese Position nicht wie allgemein üblich einer Beamtenkarriere, sondern v.a. seinem parlamentarischen Engagement. Einige Biografen nannten ihn daher zugespitzt Sachsens ersten „parlamentarischen“ Minister. Wegen dieses Amts verzichtete C. ab 1847 auf seinen Sitz in der Ersten Kammer. Die Trennung zwischen parlamentarischer Legislative und der Spitze der Exekutive beachtete man im konstitutionellen Königreich Sachsen genauer als in einem parlamentarischen System, da der König die Minister einsetzte. Als die revolutionäre Bewegung, die seit Februar 1848 von Frankreich ausgehend auf Europa übergriff, im März desselben Jahrs Sachsen erreichte, entsandte die Regierung C. als ihren Kommissar nach Leipzig, wo sich die Forderungen nach Veränderung am lautesten artikulierten. Der Spiritus rector des vormärzlichen Kabinetts, Julius Traugott von Könneritz, hatte dem König bereits geraten, vor der Macht der neuen Verhältnisse zurückzuweichen und ein neues liberales Kabinett zu ernennen. In der Konsequenz dieser Linie vermied auch C. einen bewaffneten Konflikt in Leipzig. Wie das Gros des sächsischen Adels entschied er sich kurz vor dem Dresdner Maiaufstand 1849 gegen eine nur militärisch durchzusetzende Zurückweisung der Reichsverfassung. Er lehnte es ab, in ein Ministerium einzutreten, das beabsichtigte, den Maiaufstand niederzuschlagen. Diese reformkonservative Position hielt er auch in der Reaktionszeit durch, weil er der Ansicht war, dass ein kleines Land wie Sachsen den gesellschaftlichen Bewegungen der Zeit nicht standhalten könne. 1850 ließ er sich zwar noch einmal nach dem Wahlrecht von 1848 in die Erste Kammer des Sächsischen Landtags wählen, als dieser aber scheiterte und durch einen Staatsstreich der Regierung der vormärzliche Landtag restituiert wurde, verkaufte er seine sächsischen Rittergüter und übersiedelte nach Preußen. Bereits im Dezember 1848 hatte C. im Auftrag des Königs
Friedrich Wilhelm IV. an den Verhandlungen über die preußische Verfassung teilgenommen. Im März 1850 übernahm er das Amt eines preußischen Kommissars im Verwaltungsrat beim Erfurter Unionsparlament. Er engagierte sich 1852 bis 1855 in der Zweiten preußischen Kammer und 1859 bis 1867 als Vertreter des Kreises Görlitz im preußischen Abgeordnetenhaus. Dem konstituierenden Reichstag des Norddeutschen Bunds gehörte C. für Görlitz-Lauban an. Politisch näherte sich der einstige Reformkonservative ab 1862 der linksliberalen Fortschrittspartei an. 1871 verkaufte C. seinen preußischen Landbesitz, ging nach Dresden und widmete sich hier privaten Studien und dem Geschlechtsverein seiner Familie. Im Lauf seines Lebens erwarb und verkaufte er nacheinander acht Rittergüter. Sein Vermögen wandelte der kinderlose C. in Fideikommiss um und verpflichtet damit die Erben innerhalb der Familie, seinen Nachlass immer wieder in Landbesitz anzulegen. 1874 starb C. in seiner Weinbergvilla Wackerbarths Ruhe bei Kötzschenbroda.
Werke Alwin von Candia’s Gedichte, Dresden 1829; Homers Ilias in Reimen übersetzt, 2. Bde., Leipzig 1844.
Literatur B. Hirschel, Sachsens Regierung, Stände und Volk, Mannheim 1846, S. 24, 187; Albert von C., in: Männer der Zeit 2/1862, S. 494f.; Albert von C., in: Neues Lausitzisches Magazin 51/1874, S. 292; Albert von C., in: Leipziger Zeitung, Wissenschaftliche Beilage 70/1874, S. 425-427; O. R. v. Carlowitz, Aus dem Archiv der Familie von Carlowitz, Dresden 1875, S. 76-82; H. J. Scheuffler, Albert von C., in: Grimmaisches Ecce 24/1903, S. 68-74; B. Haunfelder/K. E. Pollmann (Bearb.), Reichstag des Norddeutschen Bundes 1867-1870, Düsseldorf 1989, S. 388f.; J. Lengemann, Das Deutsche Parlament (Erfurter Unionsparlament) von 1850, München/Jena 2000; J. Matzerath, Adel und Hauptstadt in der militärischen Gegenrevolution 1848/49, in: H. Reif (Hg.), Adel und Bürgertum in Deutschland, Bd. 1, Berlin 2000, S. 155-172; J. Matzerath, Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte. Präsidenten und Abgeordnete von 1833 bis 1952, Dresden 2001, S. 13f. (P). – ADB 3, S. 783-788; DBA I, III; DBE 2, S. 282; NDB 3, S. 144f.
Josef Matzerath
21.7.2008
Empfohlene Zitierweise:
Josef Matzerath, Artikel: Albert von Carlowitz,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/953 [Zugriff 2.11.2024].
Albert von Carlowitz
Werke Alwin von Candia’s Gedichte, Dresden 1829; Homers Ilias in Reimen übersetzt, 2. Bde., Leipzig 1844.
Literatur B. Hirschel, Sachsens Regierung, Stände und Volk, Mannheim 1846, S. 24, 187; Albert von C., in: Männer der Zeit 2/1862, S. 494f.; Albert von C., in: Neues Lausitzisches Magazin 51/1874, S. 292; Albert von C., in: Leipziger Zeitung, Wissenschaftliche Beilage 70/1874, S. 425-427; O. R. v. Carlowitz, Aus dem Archiv der Familie von Carlowitz, Dresden 1875, S. 76-82; H. J. Scheuffler, Albert von C., in: Grimmaisches Ecce 24/1903, S. 68-74; B. Haunfelder/K. E. Pollmann (Bearb.), Reichstag des Norddeutschen Bundes 1867-1870, Düsseldorf 1989, S. 388f.; J. Lengemann, Das Deutsche Parlament (Erfurter Unionsparlament) von 1850, München/Jena 2000; J. Matzerath, Adel und Hauptstadt in der militärischen Gegenrevolution 1848/49, in: H. Reif (Hg.), Adel und Bürgertum in Deutschland, Bd. 1, Berlin 2000, S. 155-172; J. Matzerath, Aspekte sächsischer Landtagsgeschichte. Präsidenten und Abgeordnete von 1833 bis 1952, Dresden 2001, S. 13f. (P). – ADB 3, S. 783-788; DBA I, III; DBE 2, S. 282; NDB 3, S. 144f.
Josef Matzerath
21.7.2008
Empfohlene Zitierweise:
Josef Matzerath, Artikel: Albert von Carlowitz,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/953 [Zugriff 2.11.2024].