Carl Reißner
Nach dem Studium der Fächer Geschichte und Philosophie sowie einer Italienreise gründete R. am 1.10.1878 einen Buch- und Kunstverlag. Der so entstandene Carl-Reißner-Verlag brachte Almanache und kulturphilosophische Reihen heraus und verlegte sowohl Politiker als auch Künstler, Erzähler und Satiriker. Von den zahlreichen Verlagen, die das kulturelle Leben Sachsens vor dem Ersten Weltkrieg maßgeblich mitbestimmten, war der Reißner-Verlag einer der bedeutendsten. Die von der liberalen Gesinnung des Gründers getragene Konzeption des Verlags, die auf universelle humanistische Bildung und Erlebnisfähigkeit, auf Völkerverständigung und Persönlichkeitsentfaltung gerichtet war, erwies sich auch über den frühen Tod R.s hinaus als besonders ertragreich. Unter der Leitung des Schriftstellers und Kulturpsychologen
Harry Schumann erreichte die Verlagsproduktion jene Hochkonjunktur, deren geistige Spannweite durch die Almanache „Der Morgen“ von 1926 und 1928 dokumentiert werden. 1923 übernahm Schumann die Leitung des Verlags, die bisher bei
Erwin Kurtz, dem Schwiegersohn von R., gelegen hatte. – Ein Blick auf das Autoren- und Titelverzeichnis macht deutlich, dass die Belletristik mit den Schriftstellern des Naturalismus, aber auch mit den Dichtern der Verinnerlichung stark vertreten war:
Arno Holz,
Johannes Schlaf, Gerhart Hauptmann,
Franz Werfel,
Herbert Eulenberg oder
Ernst Wiechert zählten zu den Autoren des Reißner-Verlags. In der bildenden Kunst dominierten neben
Frans Masereel und Ludwig von Hofmann v.a.
Käthe Kollwitz,
Heinrich Vogeler,
Heinrich Zille und
Alfred Kubin. – Aber der Reißner-Verlag war nicht schlechthin ein Literatur- und Kunstverlag. Profilbestimmend war vielmehr die Vielzahl der Fachgebiete, auf denen die Verlagsarbeit den geistigen Strömungen der Zeit Rechnung tragen wollte. Die Schriften führender Politiker wie
Otto von Bismarck,
Friedrich Ebert, Gustav Stresemann,
Walther Rathenau,
Philipp Scheidemann oder des französischen Außenministers
Aristide Briand gehören ebenso zum Verlagsprogramm wie die Lebensgeschichte des amerikanischen Industriellen
Henry Ford. Schriften von Philosophen und Sozialreformern waren ebenso Teil des Angebots wie die bildender Künstler und Belletristen. Kultur- und Tiergeschichte bereichern das breite Spektrum der Verlagsproduktion. – 1941 wurde der Reißner-Verlag liquidiert. Der Name Harry Schumann erschien in keinem Nekrolog, was dafür spricht, dass er gewaltsam enteignet worden sein könnte.
Literatur F. Kummer, Deutsche Literaturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Dresden 1909; Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 150/1983, H. 20, S. 418f. – DBA II, III.; N. Weiß/J. Wonneberger, Dichter, Denker, Literaten in Dresden, Dresden 1997, S. 154f.; M. Altner, Sächsische Lebensbilder, Radebeul 2001, S. 74-76; V. Klimpel, Berühmte Dresdner, Dresden 2002, S. 135.
Manfred Altner
19.11.2009
Empfohlene Zitierweise:
Manfred Altner , Artikel: Carl Reißner,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/17912 [Zugriff 22.12.2024].
Carl Reißner
Literatur F. Kummer, Deutsche Literaturgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts, Dresden 1909; Börsenblatt für den deutschen Buchhandel 150/1983, H. 20, S. 418f. – DBA II, III.; N. Weiß/J. Wonneberger, Dichter, Denker, Literaten in Dresden, Dresden 1997, S. 154f.; M. Altner, Sächsische Lebensbilder, Radebeul 2001, S. 74-76; V. Klimpel, Berühmte Dresdner, Dresden 2002, S. 135.
Manfred Altner
19.11.2009
Empfohlene Zitierweise:
Manfred Altner , Artikel: Carl Reißner,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/17912 [Zugriff 22.12.2024].