Ernst Kalkowsky

K. war einer der Wegbereiter der modernen mikroskopischen Mineral- und Gesteinsuntersuchung und hat durch seine grundlegenden Arbeiten zur Petrografie einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung der Geologie geleistet. – Als Einzelkind in Tilsit geboren, wo er die Realschule und das Gymnasium besuchte, entwickelte K. schon frühzeitig ein reges Interesse für Mineralogie und Geologie. Deshalb entschloss er sich 1870 zum Studium dieser Fächer an der Universität Leipzig, wo ihn v.a. seine Lehrer Ferdinand Zirkel und Hermann Credner prägten. Nach der 1873 eingereichten Dissertation über „Mikroskopische Untersuchungen von Felsiten und Pechsteinen in Sachsen“ wirkte er zunächst bis 1875 als Mitarbeiter und Assistent von Zirkel, der maßgeblich auf K.s Promotionsthema und dessen Schwerpunktwahl der mikroskopischen Gesteinsuntersuchung Einfluss hatte. Die neue Untersuchungsmethode ging auf den englischen Wissenschaftler Henry Clifton Sorby zurück. Zirkel, der sie 1862 von ihm erlernt hatte, wurde zu einem der bedeutendsten Kenner und Förderer der Dünnschliff-Mikroskopie und gab sein Wissen an K., seinen ersten Schüler, weiter. – 1875 übernahm K. eine Tätigkeit als Sektionsgeologe bei der Königlich Sächsischen Geologischen Landesuntersuchung in Leipzig. Er wurde von Credner mit der vorläufigen Aufnahme der Sektion Zschopau im Erzgebirge beauftragt. Aus gesundheitlichen Gründen musste K. die Kartiertätigkeit allerdings bald wieder aufgeben. Die Erkenntnisse, die er in dieser relativ kurzen Zeit im Erzgebirge gewonnen hatte, publizierte er in verschiedenen Beiträgen und verdeutlichte dort den Einsatz der Dünnschliff-Mikroskopie in der Petrografie. – In Leipzig habilitierte er sich 1878 mit der Arbeit „Die Gneisformation des Eulengebirges“ in den Fächern Mineralogie und Geologie. Anschließend war K. bis 1882 wieder Assistent von Zirkel am Mineralogischen Institut der Universität Leipzig und beschäftigte sich vorwiegend mit dem sächsischen Granulitgebirge. – Nach einem kurzen Aufenthalt als freiberuflicher Wissenschaftler und Privatdozent in Königsberg (russ.: Kaliningrad) 1882, den er aufgrund seiner früheren Lungenerkrankung jedoch abbrechen musste, zog K. nach Gotha. Dort arbeitete er als Privatgelehrter an seinem Lehrbuch „Elemente der Lithologie“, in das alle seine Erfahrungen auf dem Gebiet der mikroskopischen Gesteinsuntersuchung einflossen. Dort führte er auch den Begriff „Prasinit“ für Grünschiefer mit ungefähr gleichen Gemengteilen von Hornblende, Epidot und Chlorit ein. Diese Gesteinsbezeichnung wurde zunächst nur für die Grünschiefer in Sachsen verwendet, später aber auch von anderen Petrografen für Vorkommen in anderen Regionen übernommen. – 1886 wurde K. zunächst als außerordentlicher, ab 1887 als ordentlicher Professor auf den Lehrstuhl für Mineralogie und Geologie der Universität Jena berufen. Außerdem wurde er Direktor der Großherzoglich mineralogischen Sammlungen. Engen Kontakt hatte er in den Jenaer Jahren zum Zoologen Ernst Haeckel, dessen philosophische Haltung und Konzeption zur Entwicklung des Lebens seine späteren Arbeiten nachhaltig beeinflussten. Da die von ihm vertretenen Fächer in Jena eher eine untergeordnete Rolle spielten, folgte K. 1894 dem Ruf auf den Lehrstuhl für Mineralogie und Geologie an der Technischen Hochschule Dresden, wo er als Nachfolger von Hanns Bruno Geinitz bis 1920 als ordentlicher Professor wirkte. Dort übernahm er 1898 auch den Posten des Direktors des Staatlichen Mineralogisch-Geologischen Museums und der Prähistorischen Sammlungen. – Zeitgleich zu K.s Amtsantritt 1894 wurde das Institut für Mineralogie und Geologie an der Technischen Hochschule gegründet und ein Institutsgebäude errichtet, dessen Bau K. überwachte und steuerte. Ebenso sorgte er für den weiteren Ausbau der mineralogischen und geologischen Sammlung. Zudem bot sich die Möglichkeit zur Anschaffung von verschiedenen Gerätschaften für die Herstellung von Gesteinsschliffen sowie von neuen Mikroskopen. K. selbst entwarf 1896 ein nach ihm benanntes Lupenstativ, das durch die Firma R. Fuess konstruiert und gefertigt wurde. Des Weiteren war er um einen anschaulichen Unterricht bemüht. So konstruierte er 32 geotektonische Holzmodelle zum besseren Verständnis der Lagerungsverhältnisse sedimentärer und eruptiver Gesteine sowie tektonischer Prozesse. Ihre Nachbauten gehören noch heute zur Lehrmittelausstattung vieler Hochschulen. – In den 22 Jahren als Direktor des Mineralogisch-Geologischen Museums und der Prähistorischen Sammlungen in Dresden setzte er sich in vielen Bereichen für die Belange des Museums ein. So widmete er sich auch hier der Erweiterung der mineralogischen und petrografischen Sammlungen. In dieser Zeit kamen zahlreiche, wertvolle Mineralstufen durch Schenkung des Privatsammlers Richard Baldauf in den Besitz des Museums. 1900 veranlasste K. den Kauf von 600 Handstücken für die petrografische Sammlung sowie zahlreicher sächsischer Gesteine. Zusätzlich ließ K. Dünnschliffe in Ergänzung zu den Gesteinsstücken anfertigen. Er strebte einen Museumsneubau an, der aber durch den Ausbruch des Ersten Weltkriegs verhindert wurde, sodass das Museum bis zur Zerstörung Dresdens 1945 im Zwinger untergebracht war. – Trotz vielfältiger Aufgaben und Funktionen setzte K. auch in der Dresdner Zeit seine Forschungstätigkeiten fort. 1908 veröffentlichte er den Beitrag „Oolith und Stromatolith im norddeutschen Buntsandstein“, der noch immer zur Standardliteratur zählt. Mit der Erstbeschreibung von Stromatolith und Oolith schuf K. heute weltweit übliche Termini der Geowissenschaften. Eines der wichtigsten Forschungsthemen K.s dieser Zeit war die Erforschung des Nephrits und seiner Vorkommen in Europa und Asien, sodass er auch auf diesem Gebiet zahlreiche Arbeiten verfasste, die eine wichtige Grundlage für weitere Forschungen bildeten. – K. wurden zahlreiche Ehrungen zuteil, so 1902 die Verleihung des sächsischen Albrechts-Ordens, dem 1907 die Ernennung zum Geheimen Hofrat folgte. 1911 erhielt er den Sächsischen Zivilverdienstorden Ritterkreuz I. Klasse. Zudem war K. Mitglied verschiedener wissenschaftlicher Gesellschaften. Insgesamt 64 Jahre engagierte er sich in der Deutschen Geologischen Gesellschaft, der er 1874 beigetreten war. Er wurde 1888 Mitglied der Deutschen Akademie der Naturforscher Leopoldina in Halle/Saale und 1894 der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft Isis in Dresden; letztere nahm ihn 1920 als Ehrenmitglied auf. 1907 gehörte K. zu den Gründungsmitgliedern der Deutschen Mineralogischen Gesellschaft. – Nach seiner Emeritierung 1920 lebte K. noch fast 20 Jahre zurückgezogen in Dresden.

Werke Mikroskopische Untersuchungen von Felsiten und Pechsteinen in Sachsen, in: Tschermaks mineralogische Mitteilungen 1/1874, S. 31-58 (Diss.); Das Glimmerschiefergebiet von Zschopau im sächsischen Erzgebirge, in: Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft 28/1876, S. 682-749; Über grüne Schiefer Niederschlesiens, in: Tschermaks mineralogische Mitteilungen 8/1876, S. 87-116; Die Gneisformation des Eulengebirges, Habilitation Leipzig 1878; Über die Polarisationsverhältnisse an senkrecht gegen eine optische Achse geschnittenen zweiaxigen Krystallplatten, in: Zeitschrift für Krystallographie und Mineralogie 9/1884, S. 486-497; Elemente der Lithologie, Heidelberg 1886; Oolith und Stromatolith im norddeutschen Buntsandstein, in: Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft 60/1908, S. 68-125.

Literatur E. Rimann, Ernst K., in: Sitzungsberichte und Abhandlungen der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft Isis in Dresden 1938/39, S. 69-95 (WV); G. Mathé, Ernst K., in: Beiträge zur Biographie sächsischer Geowissenschaftler, hrsg. vom Staatlichen Museum für Mineralogie und Geologie zu Dresden, Dresden 1993, S. 7-20 (P); J.-M. Lange, Ernst K., Dresden 2008 (P). – DBA II, III; DBE 5, S. 414; H. Prescher/C. Hebig, Ein halbes Jahrtausend Geowissenschaftler aus und in Sachsen, Dresden 1998, S. 35; D. Petschel (Bearb.), Die Professoren der TU Dresden, Köln/Weimar/Wien 2003, S. 432.

Porträt Ernst K., W. Höffert, 1897, Fotografie, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).

Manuela Dämmig
29.7.2009


Empfohlene Zitierweise:
Manuela Dämmig, Artikel: Ernst Kalkowsky,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/25600 [Zugriff 16.11.2024].

Ernst Kalkowsky



Werke Mikroskopische Untersuchungen von Felsiten und Pechsteinen in Sachsen, in: Tschermaks mineralogische Mitteilungen 1/1874, S. 31-58 (Diss.); Das Glimmerschiefergebiet von Zschopau im sächsischen Erzgebirge, in: Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft 28/1876, S. 682-749; Über grüne Schiefer Niederschlesiens, in: Tschermaks mineralogische Mitteilungen 8/1876, S. 87-116; Die Gneisformation des Eulengebirges, Habilitation Leipzig 1878; Über die Polarisationsverhältnisse an senkrecht gegen eine optische Achse geschnittenen zweiaxigen Krystallplatten, in: Zeitschrift für Krystallographie und Mineralogie 9/1884, S. 486-497; Elemente der Lithologie, Heidelberg 1886; Oolith und Stromatolith im norddeutschen Buntsandstein, in: Zeitschrift der deutschen geologischen Gesellschaft 60/1908, S. 68-125.

Literatur E. Rimann, Ernst K., in: Sitzungsberichte und Abhandlungen der Naturwissenschaftlichen Gesellschaft Isis in Dresden 1938/39, S. 69-95 (WV); G. Mathé, Ernst K., in: Beiträge zur Biographie sächsischer Geowissenschaftler, hrsg. vom Staatlichen Museum für Mineralogie und Geologie zu Dresden, Dresden 1993, S. 7-20 (P); J.-M. Lange, Ernst K., Dresden 2008 (P). – DBA II, III; DBE 5, S. 414; H. Prescher/C. Hebig, Ein halbes Jahrtausend Geowissenschaftler aus und in Sachsen, Dresden 1998, S. 35; D. Petschel (Bearb.), Die Professoren der TU Dresden, Köln/Weimar/Wien 2003, S. 432.

Porträt Ernst K., W. Höffert, 1897, Fotografie, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).

Manuela Dämmig
29.7.2009


Empfohlene Zitierweise:
Manuela Dämmig, Artikel: Ernst Kalkowsky,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/25600 [Zugriff 16.11.2024].