Johann Daniel Titius
Der an der Universität Wittenberg lehrende T. ist noch heute bekannt aufgrund seiner unter dem Namen Titius-Bode-Gesetz angestellten Beobachtungen über den Abstand der Planeten von der Sonne. – Nach dem Besuch des Gymnasiums in Danzig (poln. Gdańsk) ging T. 1749 an die Universität Leipzig, wo er am 20.9.1752 mit einer Arbeit über das Mondlicht den Magistergrad erlangte. Ab 1755 hielt er als Privatdozent Vorlesungen an der Philosophischen Fakultät. Jenseits seiner naturwissenschaftlichen Arbeiten unterhielt T. Kontakte zu Johann Christoph Gottsched, auf dessen Anregung er die ersten deutschen Übersetzungen von
Jean-Jacques Rousseaus „Discours sur les sciences et les arts“ und
Michel de Montaignes Essais publizierte. – Möglicherweise durch Fürsprache Gottscheds oder
Leonhard Eulers wurde T. im April 1756 als Professor der niederen Mathematik an die Universität Wittenberg berufen, bis er 1762 die dortige Professur für Physik übernahm. Neben Physik und Mathematik unterrichtete T. Philosophie, natürliche Theologie und Naturrecht. 1768 wurde er zum Rektor der Wittenberger Universität ernannt. Angebote zur Übernahme von Lehrstühlen in Göttingen, Helmstedt, Kiel und Danzig schlug T. aus. Als er starb, war er Senior der Philosophischen Fakultät. – T. war ein sehr produktiver und enorm vielseitiger Gelehrter, ohne allerdings bedeutende Neuerungen in seinen Disziplinen anzuregen. Als Physiker vertrat er die cartesianischen Anschauungen mit der Betonung der Beobachtung und des Experiments, die er auch für ökonomische und kameralistische Fragestellungen nutzbar zu machen suchte. Intensiv befasste er sich mit den Neuentwicklungen in der Wärmemesstechnik, während seine biologischen Schriften den Forschungen
Carl von Linnés verpflichtet sind. Noch heute bekannt ist ein Nebenprodukt seiner Tätigkeit, das Titius-Bode-Gesetz, eine Formel, die die Abstände der Planeten zur Sonne festlegt. T. publizierte dieses Gesetz zuerst versteckt, indem er es in seine Übersetzung der „Contemplation de la nature“ des Genfer Naturwissenschaftlers
Charles Bonnet einarbeitete. Der Berliner Astronom
Johann Elert Bode integrierte das Gesetz ohne Quellenangabe in seine Anleitung zur Kenntnis des gestirnten Himmels und gab erst nach T.s Tod und der öffentlichen Feststellung von dessen Urheberschaft die Übernahme zu. Aufgrund dieser Entdeckung ist ein Mondkrater nach T. benannt. – Auf dem Gebiet der Geisteswissenschaften sind neben philosophischen und theologischen Abhandlungen im Geist der aufklärerischen Vernunftreligion zwei historische Werke über die Geschichte Westpreußens und die Geschichte der Elbübergänge bei Wittenberg hervorzuheben. – Als Herausgeber mehrerer wissenschaftlicher Zeitschriften und Beförderer preisgünstiger Nachdrucke der Londoner „Philosophical Transactions of the Royal Society“ gehörte T. zu den bekanntesten Persönlichkeiten der gelehrten Welt der deutschen Aufklärung. Dies schlug sich in einer Vielzahl von Mitgliedschaften in gelehrten Gesellschaften nieder, unter denen sich die Gesellschaft Naturforschender Freunde in Berlin, die Naturforschende Gesellschaft Danzig, die Leipziger Ökonomische Sozietät und die Akademie gemeinnütziger Wissenschaften in Erfurt befanden. Als Schüler Gottscheds und produktiver Übersetzer war er Mitglied der Deutschen Gesellschaften in Jena, Erlangen, Leipzig und Bernburg und Begründer einer Wittenberger Deutschen Gesellschaft.
Werke Philosophische Gedanken von dem wahren Begriffe der Ewigkeit, Leipzig 1754; Animadversiones quaedam matbematicae Progr., Wittenberg 1761; Nachricht von den Gelehrten, welche aus der Stadt Conitz des Polnischen Preussens herstammen …, Leipzig 1763; Gemeinnützige Abhandlungen zur Beförderung der Erkenntniss und des Gebrauchs natürlicher Dinge …, Leipzig 1768; Abhandlung über die von der naturforschenden Gesellschaft in Danzig aufgegebene Frage von den dienlichsten Mitteln der Versandung der Danziger Nähring vorzubeugen, Wittenberg 1768; „Charles Bonnet, Contemplation de la nature“ („Betrachtung über die Natur“), Leipzig 1783; Hg., Neue Erweiterungen der Erkenntniss und des Vergnügens, 12 Bde., Leipzig 1753-1762; Hg., Wittenbergisches Wochenblatt zur Aufnahme der Naturkunde, und des ökonomischen Gewerbes, 8 Bde., Wittenberg 1768-1775 (fortgesetzt als: Nützliche Sammlung von Aufsätzen und Wahrnehmungen über die Witterungen, die Haushaltskunde, das Gewerbe, die Naturkenntniss, Polizey und andere damit verknüpfte Wissenschaften, 10 Bde., Leipzig 1783-1792).
Literatur R. Konersmann, Philosoph ohne Nachleben, in: Weimarer Beiträge 44/1998, S. 207-214; H. Zaunstöck, Sozietätsmitgliedschaft und Mitgliederstrukturen, Tübingen 1999; W. Suchier, Die beiden Deutschen Gesellschaften in Wittenberg (1738/40 und 1756/84), in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe VL/5/1957, S. 829-844; H. Kathe, Die Wittenberger Philosophische Fakultät 1502-1817, Köln/Weimar/Wien 2002; A. Kleinert, Facetten eines Wittenberger Gelehrten im mitteldeutschen Raum in der Frühen Neuzeit. Johann Daniel T. (1729-1796), in: K. Blaschke/D. Döring (Hg.), Universitäten und Wissenschaften im mitteldeutschen Raum in der frühen Neuzeit, Leipzig/Stuttgart 2004, S. 227-241. – ADB 38, S. 380; DBA I, II, III; DBE 10, S. 51; J. C. Poggendorff, Biographisch-literarisches Handwörterbuch der exakten Naturwissenschaften, Bd. 2, Leipzig 1863, Sp. 1111f.; J. G. Meusel, Lexikon der vom Jahr 1750 bis 1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller, Bd. 14, Leipzig 1815, S. 74-81; C. C. Gillispie (Hg.), Dictionary of Scientific Biography, Bd. 13, New York 1980, S. 424-426.
Andreas Erb
12.4.2012
Empfohlene Zitierweise:
Andreas Erb, Artikel: Johann Daniel Titius,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/3920 [Zugriff 4.11.2024].
Johann Daniel Titius
Werke Philosophische Gedanken von dem wahren Begriffe der Ewigkeit, Leipzig 1754; Animadversiones quaedam matbematicae Progr., Wittenberg 1761; Nachricht von den Gelehrten, welche aus der Stadt Conitz des Polnischen Preussens herstammen …, Leipzig 1763; Gemeinnützige Abhandlungen zur Beförderung der Erkenntniss und des Gebrauchs natürlicher Dinge …, Leipzig 1768; Abhandlung über die von der naturforschenden Gesellschaft in Danzig aufgegebene Frage von den dienlichsten Mitteln der Versandung der Danziger Nähring vorzubeugen, Wittenberg 1768; „Charles Bonnet, Contemplation de la nature“ („Betrachtung über die Natur“), Leipzig 1783; Hg., Neue Erweiterungen der Erkenntniss und des Vergnügens, 12 Bde., Leipzig 1753-1762; Hg., Wittenbergisches Wochenblatt zur Aufnahme der Naturkunde, und des ökonomischen Gewerbes, 8 Bde., Wittenberg 1768-1775 (fortgesetzt als: Nützliche Sammlung von Aufsätzen und Wahrnehmungen über die Witterungen, die Haushaltskunde, das Gewerbe, die Naturkenntniss, Polizey und andere damit verknüpfte Wissenschaften, 10 Bde., Leipzig 1783-1792).
Literatur R. Konersmann, Philosoph ohne Nachleben, in: Weimarer Beiträge 44/1998, S. 207-214; H. Zaunstöck, Sozietätsmitgliedschaft und Mitgliederstrukturen, Tübingen 1999; W. Suchier, Die beiden Deutschen Gesellschaften in Wittenberg (1738/40 und 1756/84), in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Gesellschafts- und sprachwissenschaftliche Reihe VL/5/1957, S. 829-844; H. Kathe, Die Wittenberger Philosophische Fakultät 1502-1817, Köln/Weimar/Wien 2002; A. Kleinert, Facetten eines Wittenberger Gelehrten im mitteldeutschen Raum in der Frühen Neuzeit. Johann Daniel T. (1729-1796), in: K. Blaschke/D. Döring (Hg.), Universitäten und Wissenschaften im mitteldeutschen Raum in der frühen Neuzeit, Leipzig/Stuttgart 2004, S. 227-241. – ADB 38, S. 380; DBA I, II, III; DBE 10, S. 51; J. C. Poggendorff, Biographisch-literarisches Handwörterbuch der exakten Naturwissenschaften, Bd. 2, Leipzig 1863, Sp. 1111f.; J. G. Meusel, Lexikon der vom Jahr 1750 bis 1800 verstorbenen teutschen Schriftsteller, Bd. 14, Leipzig 1815, S. 74-81; C. C. Gillispie (Hg.), Dictionary of Scientific Biography, Bd. 13, New York 1980, S. 424-426.
Andreas Erb
12.4.2012
Empfohlene Zitierweise:
Andreas Erb, Artikel: Johann Daniel Titius,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/3920 [Zugriff 4.11.2024].