Ernst Meier

Mit der Konstruktion der städtischen Dresdner Luftschiffhalle schuf der Bauingenieur M. eine neue Bauform, die später als aerodynamisch günstig erkannt und international adaptiert wurde. Die wenigen ihm nachweisbaren Ingenieurbauwerke zeichnen sich durch eine unkonventionelle Herangehensweise und eine klare, zweckhafte Form aus, die zumindest auf den Luftschiffhallenbau stilprägend wirkte. – Der als viertes von fünf Kindern in Siegen in ärmliche Verhältnisse geborene M. arbeitete 14-jährig unter Tage im Siegerländer Eisenerzbergbau, bevor er sich vier Jahre später eine Schlosserlehre leisten konnte. Verschiedene Anstellungen an wechselnden Orten führten ihn um 1898 nach Berlin-Charlottenburg. Die Städtische Gasanstalt II stellte M. als Ingenieur und Vorsteher des Eisenhochbaubüros ein. Sein Vorgesetzter und Förderer, Georg Schimming, empfahl seine Weiterbildung an der Technischen Hochschule Charlottenburg. 1899/1900 ist M. als Hospitant im Bauingenieurwesen nachweisbar, u.a. studierte er bei Heinrich Müller-Breslau. Ab 1902 betrieb M. als Zivilingenieur in Berlin ein eigenes Ingenieurbüro für Eisenhoch- und Brückenbau, Spezialgebiet Gaswerksbauten. Von Schimming, inzwischen Direktor der Städtischen Gaswerke Berlin, erhielt M. den Auftrag zum Bau des damals weltgrößten Kohlenspeichers mit 574 Meter Länge und 780.000 Kubikmeter Fassungsvermögen für die ab 1902 neu entstandene Fabrikstadt des Gaswerkes VI in Tegel vor den Toren Berlins. M. entwickelte dafür einen eigenen Speicheraufbau, dessen Entnahmeöffnung in den zwischen Pfeilern gespannten Speicherböden er sich international patentieren ließ und der zahlreich publiziert und gewürdigt wurde. 1908 beteiligte sich M. am Wettbewerb für eine Werfthalle der neu gegründeten Luftschiffbau Zeppelin GmbH in Friedrichshafen. Sein Entwurf wurde wegen der besonderen Torkonstruktion angekauft. Für den Plan einer Rundhalle für Luftschiffe erhielt er den zweiten Platz auf der „Ersten Internationalen Luftschiffahrt-Ausstellung“ (ILA) 1909 in Frankfurt/Main, auf der M.s Ingenieurbüro mit einem eigenen Stand vertreten war. Ab da gehörten feststehende, schwimmende und transportable Luftschiffhallen offiziell zu seinem Firmenprofil. 1910 entwickelte M. eine versetzbare Militärluftschiffhalle, deren Binder er sich als aus der Strecklage hochwindbares, kettenartiges Baugebilde patentieren ließ und deren Tore bereits als faltbare Kuppeln ausgebildet waren. Insgesamt sind zwölf ihm international erteilte Patente nachweisbar. – 1913 beauftragte das Preußische Kriegsministerium den Bau dieses Hallentyps in Liegnitz (poln. Legnica) und Posen (poln. Poznań). Gleichzeitig trieb der Dresdner Stadtrat unter Oberbürgermeister Otto Beutler die Planung eines Luftschiffhafens voran und entschied sich auf Empfehlung des Kriegsministeriums für den gleichen, allseits abgerundeten Hallentyp, für Dresden vergrößert zur Doppelluftschiffhalle. Die Dresdner Variante dieses Luftschiffhallentyps wurde zuerst fertiggestellt und am 26.10.1913 eingeweiht. Für Dresden entwickelte M. die Tore weiter zu Kuppeldrehtoren aus festen Kugeldreiecken. M. war für Konstruktion und Ausführung der drei Hallen verantwortlich und arbeitete dabei als Subunternehmer der Zeppelin Hallenbau GmbH in Berlin. Auf dem Höhepunkt seines beruflichen Erfolgs erwarb M. Anfang 1914 eine Villa in Berlin-Grunewald. M. nahm rege am gesellschaftlichen Leben teil. Er war Mitglied im Verein Deutscher Ingenieure, im Deutschen Beton-Verein, im Freimaurerbund der Berliner Johannisloge „Zum goldenen Pflug“, in der Berliner Mathematischen Gesellschaft, im Verein zur Förderung des Gewerbefleißes, in der Deutschen Gesellschaft für Bauingenieurwesen und im Berliner Verein für Luftschifffahrt e.V. – Der problembehaftete Bau der drei Luftschiffhallen wie auch zahlreiche der neuartigen Konstruktion und der kurzen Bauzeit geschuldeten Baumängel führten zu juristischen Auseinandersetzungen und Zerwürfnissen. Damit endete M.s innovative Schaffensphase. Infolge des Versailler Vertrags wurden 1921 M.s Luftschiffhallen in Dresden und Liegnitz abgerissen. Im gleichen Jahr erwarb M. das 85 Hektar große Anwesen Taubenmühle mit Fischteich und Sägewerk in der Neumark, Kreis Weststernberg, auf das er sich 1928 ganz zurückzog. Bis 1933 ist M. unter einer gemeinsamen Büroadresse mit seinem Sohn Eugen, ebenfalls Bauingenieur, in Berlin-Moabit nachweisbar. M. starb 1934 vergessen in Taubenmühle, nachdem er das Gut verkaufen musste. – 1928 wurden M.s Pläne zum Bau der Dresdner Luftschiffhalle von 1913 als Grundlage für die Konstruktion des Airdocks der Goodyear-Zeppelin Corporation in Akron (USA) herangezogen, weil die inzwischen als strömungsgünstig erkannte Form dieses Hallentyps und der Kuppeldrehtore auch durch Windkanalversuche bestätigt wurde. Weder erfuhr M. davon, noch wurde er beteiligt. Der Erfolg des 1929/1930 errichteten und bis heute bestehenden Airdocks erregte internationales Aufsehen, wurde zahlreich adaptiert und beeinflusste den Luftschiffhallenbau bis in die Gegenwart.

Quellen Geheimes Staatsarchiv, Preußischer Kulturbesitz, Berlin, Abt. FM Sig. 5.2.B46, Abt. FM Sig. 5.1.3. Freimaurerarchiv.

Werke Zwei Fertigungshallen für Gasgeräte, Fürstenwalde/Spree, Julius Pintsch A.G., 1906/1907 (beide abgerissen); Kohlenspeicher des städtischen Gaswerk VI Berlin-Tegel, 1908 (nach 1958 abgerissen); Luftschiffhalle Dresden, 1913 (1921 abgerissen); Heeresluftschiffhalle Liegnitz, 1913 (1921 abgerissen); Heeresluftschiffhalle Posen, 1913 (1946 abgerissen).

Literatur Max Buhle, Massentransport. Ein Hand- und Lehrbuch über Förder- und Lagermittel für Sammelgut, Stuttgart/Leipzig 1908; Fritz Eiselen, Vom Wettbewerb um die Luftschiffbauhalle Zeppelin’s, in: Deutsche Bauzeitung 43/1909, Nr. 18, S. 114-120; Ansbert Vorreiter, Luftschiffhallen auf der I.L.A., in: Deutsche Techniker-Zeitung. Rundschau auf dem Gebiete der gesammten Technik 26/1909, H. 49, S. 943-945; Alfred Haenig, Luftschiffhallenbau. Sammlung moderner Luftschiffhallen-Konstruktionen mit statischen Berechnungen, Rostock 1910; Bernhard Lepsius/Richard Wachsmuth (Hg.), Denkschrift der Ersten Internationalen Luftschiffahrts-Ausstellung (ILA) zu Frankfurt A/M. 1909, Bd. 2, Berlin 1911; Heimgang eines erfolgreichen Siegerländers, in: Siegener Zeitung 15.6.1934, S. 4f.; Roland Fuhrmann, Ernst M. Schöpfer der windschnittigen Luftschiffhalle, in: Stahlbau 83/2014, Nr. 7, S. 498-502; ders., Dresdens Tor zum Himmel. Die erste aerodynamisch geformte Luftschiffhalle und ihr Einfluss auf die Baugeschichte, Dresden 2019.

Porträt C. Dietermann, um 1900, Fotografie, Nachlass Ernst M., Siegen.

Roland Fuhrmann
10.6.2020


Empfohlene Zitierweise:
Roland Fuhrmann, Artikel: Ernst Meier,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/29150 [Zugriff 23.11.2024].

Ernst Meier



Quellen Geheimes Staatsarchiv, Preußischer Kulturbesitz, Berlin, Abt. FM Sig. 5.2.B46, Abt. FM Sig. 5.1.3. Freimaurerarchiv.

Werke Zwei Fertigungshallen für Gasgeräte, Fürstenwalde/Spree, Julius Pintsch A.G., 1906/1907 (beide abgerissen); Kohlenspeicher des städtischen Gaswerk VI Berlin-Tegel, 1908 (nach 1958 abgerissen); Luftschiffhalle Dresden, 1913 (1921 abgerissen); Heeresluftschiffhalle Liegnitz, 1913 (1921 abgerissen); Heeresluftschiffhalle Posen, 1913 (1946 abgerissen).

Literatur Max Buhle, Massentransport. Ein Hand- und Lehrbuch über Förder- und Lagermittel für Sammelgut, Stuttgart/Leipzig 1908; Fritz Eiselen, Vom Wettbewerb um die Luftschiffbauhalle Zeppelin’s, in: Deutsche Bauzeitung 43/1909, Nr. 18, S. 114-120; Ansbert Vorreiter, Luftschiffhallen auf der I.L.A., in: Deutsche Techniker-Zeitung. Rundschau auf dem Gebiete der gesammten Technik 26/1909, H. 49, S. 943-945; Alfred Haenig, Luftschiffhallenbau. Sammlung moderner Luftschiffhallen-Konstruktionen mit statischen Berechnungen, Rostock 1910; Bernhard Lepsius/Richard Wachsmuth (Hg.), Denkschrift der Ersten Internationalen Luftschiffahrts-Ausstellung (ILA) zu Frankfurt A/M. 1909, Bd. 2, Berlin 1911; Heimgang eines erfolgreichen Siegerländers, in: Siegener Zeitung 15.6.1934, S. 4f.; Roland Fuhrmann, Ernst M. Schöpfer der windschnittigen Luftschiffhalle, in: Stahlbau 83/2014, Nr. 7, S. 498-502; ders., Dresdens Tor zum Himmel. Die erste aerodynamisch geformte Luftschiffhalle und ihr Einfluss auf die Baugeschichte, Dresden 2019.

Porträt C. Dietermann, um 1900, Fotografie, Nachlass Ernst M., Siegen.

Roland Fuhrmann
10.6.2020


Empfohlene Zitierweise:
Roland Fuhrmann, Artikel: Ernst Meier,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/29150 [Zugriff 23.11.2024].