Gustav Hermann Krumbiegel
Bereits zu Lebzeiten erwarb sich K. insbesondere in Indien Anerkennung als Botaniker, Gartenarchitekt und Planer. Sein Name ist mit Bangalores Ruf als „Garden City“ verknüpft. Er steht stellvertretend und beispielhaft für den planerischen und botanischen Transfer zur Zeit des Kolonialismus. – K. erlernte sein gärtnerisches Handwerk 1880 bis 1884 bei dem Hofgärtner
Georg Albert Wentzel in den Königlichen Gärten Pillnitz. Nach weiteren Fortbildungen in den Schlossgärten von Schwerin (1884-1885) und im Anwesen der verwitweten Etatsrätin
Helene Donner in Hamburg-Ottensen (1885/87) wurde er 1888 in den Royal Botanic Gardens Kew angenommen und erhielt 1891 eine Festanstellung in der dortigen Abteilung für Tropenpflanzen. Sein Fachwissen eröffnete ihm neue Karrieremöglichkeiten in den britischen Kolonien. 1893 wurde K. nach Indien vermittelt. Als Superintendent of Government Gardens (Gartendirektor) war er für die Pflege und Entwicklung verschiedener Palastgärten und öffentlicher Garten- und Parkanlagen zuständig, zunächst im westindischen Fürstenstaat Baroda, ab 1908 im südindischen Mysore. In seiner Verantwortung lagen u.a. die Palastgärten von Baroda, Bangalore und Mysore, der Botanische Garten Lal Bagh und der Cubbon Park in Bangalore, das Sportgelände der Chamundi Gymkhana in Mysore sowie Fernhill Palace Gardens und Woodstock Estate in Ootacamund (heute Udagamandalam). Hinzu kamen 1932 die nach seiner Planung fertiggestellten Brindavan Gardens am Staudamm Krishna Raja Sagara nahe der Stadt Mysore. Im Zentrum von K.s forschender Tätigkeit stand, entsprechend der Maxime der Royal Botanic Gardens Kew, die wirtschaftliche Nutzbarmachung von Pflanzen, die sog. Economic Botany. 1911 richtete K. im Botanischen Garten von Bangalore das Bureau of Economic Botany ein, das Informationen und Saatproben für die Landbevölkerung bereithielt. Ein Jahr später eröffnete er in Bangalore Indiens erste Gartenbauschule sowie ein Fumigatorium, eine Begasungsanlage zur Vorbeugung von Pflanzenschädlingen. Im Seed Testing House und auf ausgedehnten Versuchsanbauflächen wurden Pflanzenimporte und Neuentwicklungen auf Tauglichkeit und Ertrag getestet. Innovativ war zudem sein Konzept zur Entwicklung und Organisation von Gartenbau und Landschaftsgestaltung im Staat Mysore, das er 1920 unter dem Titel „A note on the development of horticulture in Mysore” erarbeitete. Darin entwarf er für die Gartenverwaltung von Mysore ein Arbeitsprogramm, untergliedert in die fünf Hauptarbeitsfelder Botanik, kommerzieller Gartenbau, Landschaftsarchitektur, Stadtplanung sowie Ausbildung und Öffentlichkeitsarbeit. – Nach seiner Pensionierung 1932 wirkte K. selbst nach Indiens Unabhängigkeit weiter landesweit als beratender Architekt und Stadtplaner, u.a. 1948 bei der Planung des Villenviertels „Villa Colony“ in Bangalore. Der 1941 von ihm entworfene Musikpavillon im Stadtpark von Kolar wurde als mustergültiger Betonbau im „The Indian Concrete Journal“ (Februar 1941) abgebildet. Das Gebäude vereinte moderne Technik und Material mit traditionellen Formen. Als Mitglied im City Improvement Trust Board arbeitete K. an städtebaulichen Lösungen für das rasante Wachstum der Städte Bangalore und Mysore und förderte das Stadtgrün. Als Gründungsmitglied der Mythic Society setzte er sich seit 1909 für die Erforschung und Kennzeichnung historischer Bauten im Fürstenstaat Mysore ein. Bis heute sind die Kew Guild in London und die Mysore Horticultural Society in Bangalore aktiv - zwei Institutionen, an deren Entstehung K. maßgeblich mitwirkte. Darüber hinaus engagierte sich K. in zahlreichen Projekten für die Bildung und Gesundheit der Bevölkerung und propagierte den ökonomischen Nutzen des Gartenbaus, u.a. im Rahmen der Bangalore Garten- und Blumenschau, die eine Kombination aus Ausstellung, Informationsveranstaltung und Wettbewerb darstellte und die noch immer zu den alljährlichen Besucherhighlights im Botanischen Garten Lal Bagh zählt. – Während der beiden Weltkriege wurde K. wie viele deutsche Staatsangehörige von der britischen Regierung als „enemy alien“ (feindlicher Ausländer) eingestuft und in Internierungslager, u.a. nach Ahmednagar, verbracht. Dank seiner Wertschätzung und seines Stellenwerts beim Maharaja von Mysore entging K.s Familie der Ausweisung nach Deutschland. Nach seinem Tod 1956 verließen Frau und Töchter Indien in Richtung England, wo die Nachfahren noch heute leben. – K.s Wirken wurde 2016 anlässlich seines 150. Geburtstags in einem Kooperationsprojekt der Staatlichen Schlösser, Burgen und Gärten Sachsen gGmbH und dem Deutschen Generalkonsulat Bangalore mit einer Blumenschau in Bangalore und einer Sonderausstellung im Neuen Palais und Park Pillnitz gewürdigt („Der Gärtner des Maharadschas. Ein Sachse bezaubert Indien“).
Quellen Divisional State Archives of Karnataka Mysore, Bangalore Palace Files, 1903-1956; Familienarchiv Alyia Phelps-Gardiner; Karnataka State Archives Bangalore, Annual report of the Government Gardens Department in Mysore, 1887-1941; Pfarrarchiv Leuben; Pfarrarchiv Lohmen; Stadtarchiv Dresden, Gewerbeamt A, Bürger- und Gewerbeakten, Signatur 2.3.9, Nr. K; The Royal Botanic Gardens, Kew, Library, Art & Archives, staff file no. 94.
Werke A chat on propagation, in: The Journal of the Kew Guild 1/1893, S. 23-29; A note on the development of horticulture in Mysore and the organisation of the Department of Horticulture and Botany, Bangalore 1920.
Literatur The Journal of the Kew Guild, 1893-1954; B. F. Cavanagh, The Gardens of Mysore, in: Garden and Landscape 4/1935, S. 161-163; Kew Guild personalities: Mr. G. H. K., in: The Journal of the Kew Guild 44/1937, S. 673-677; G. H. K., in: The Lal-Baugh. Journal of the Mysore Horticultural Society 1/1956, Nr. 1, S. 5-9; Whatever he touched, he adorned, hrsg. vom Goethe-Institut Bangalore, Bangalore 2010; A. Eppert (Hg.), Der Gärtner des Maharadschas. Ein Sachse bezaubert Indien. Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung in Schloss & Park Pillnitz, 30.04.-01.11.2016, Berlin 2016. – The Cyclopedia of India, Bd. 3: 1907-1909, Kalkutta 1909, S. 224; C. Hayavadana Rao (Hg.), The Indian Biographical Dictionary 1915, Madras 1915, S. 240.
Porträt Gustav Hermann K., 1930er-Jahre, Fotografie, A. Phelps-Gardiner, London (Privatbesitz) (Bildquelle).
Anja Simonsen
4.6.2018
Empfohlene Zitierweise:
Anja Simonsen, Artikel: Gustav Hermann Krumbiegel,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27720 [Zugriff 22.12.2024].
Gustav Hermann Krumbiegel
Quellen Divisional State Archives of Karnataka Mysore, Bangalore Palace Files, 1903-1956; Familienarchiv Alyia Phelps-Gardiner; Karnataka State Archives Bangalore, Annual report of the Government Gardens Department in Mysore, 1887-1941; Pfarrarchiv Leuben; Pfarrarchiv Lohmen; Stadtarchiv Dresden, Gewerbeamt A, Bürger- und Gewerbeakten, Signatur 2.3.9, Nr. K; The Royal Botanic Gardens, Kew, Library, Art & Archives, staff file no. 94.
Werke A chat on propagation, in: The Journal of the Kew Guild 1/1893, S. 23-29; A note on the development of horticulture in Mysore and the organisation of the Department of Horticulture and Botany, Bangalore 1920.
Literatur The Journal of the Kew Guild, 1893-1954; B. F. Cavanagh, The Gardens of Mysore, in: Garden and Landscape 4/1935, S. 161-163; Kew Guild personalities: Mr. G. H. K., in: The Journal of the Kew Guild 44/1937, S. 673-677; G. H. K., in: The Lal-Baugh. Journal of the Mysore Horticultural Society 1/1956, Nr. 1, S. 5-9; Whatever he touched, he adorned, hrsg. vom Goethe-Institut Bangalore, Bangalore 2010; A. Eppert (Hg.), Der Gärtner des Maharadschas. Ein Sachse bezaubert Indien. Begleitband zur gleichnamigen Ausstellung in Schloss & Park Pillnitz, 30.04.-01.11.2016, Berlin 2016. – The Cyclopedia of India, Bd. 3: 1907-1909, Kalkutta 1909, S. 224; C. Hayavadana Rao (Hg.), The Indian Biographical Dictionary 1915, Madras 1915, S. 240.
Porträt Gustav Hermann K., 1930er-Jahre, Fotografie, A. Phelps-Gardiner, London (Privatbesitz) (Bildquelle).
Anja Simonsen
4.6.2018
Empfohlene Zitierweise:
Anja Simonsen, Artikel: Gustav Hermann Krumbiegel,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27720 [Zugriff 22.12.2024].