Johann Graesse

G. gehört zu den Gelehrten des 19. Jahrhunderts, die heute hauptsächlich durch ihre in großer Fleißarbeit entstandenen Standardwerke weiterwirken. Durch seine Arbeiten im Bereich der Literaturgeschichte, Volks- und Sagenkunde sowie als Direktor der kunsthistorisch wertvollen Sammlungen des sächsischen Königshauses spielte G. eine nachhaltige Rolle im kulturellen Leben des Königreichs Sachsen im 19. Jahrhundert. – Nach dem Besuch der Fürstenschule zu Grimma studierte G. Philosophie und Archäologie in Leipzig, wo er 1834 promoviert wurde. Im Anschluss an einen Studienaufenthalt in Halle/Saale war G. 1838 als Kollaborator und von 1840 bis 1848 als Lehrer für französische Sprache und Literatur an der Dresdner Kreuzschule tätig. Aufgrund seiner weitreichenden Sprach- und Literaturkenntnisse wurde G. 1843 (bis 1854) zum Privatbibliothekar König Friedrich Augusts II. von Sachsen berufen. 1848 folgte G.s Ernennung zum Inspektor (seit 1877 Direktor) der Königlichen Münzsammlung in Dresden; seit 1852 leitete er die Königliche Porzellansammlung. 1853 zum königlichen Hofrat ernannt, übernahm G. 1864 zunächst als Zweiter Direktor (seit 1871 als alleiniger Direktor) die Leitung des „Grünen Gewölbes“ in Dresden. Durch zunehmende Erblindung behindert, trat er 1882 in den Ruhestand. Er starb 1885 auf dem Weingut Wackerbarths Ruhe in Niederlößnitz. – G.s Interessens- und Arbeitsgebiete waren vielfältig und umfassten bibliographische Arbeiten ebenso wie literaturhistorische, kunstgeschichtliche und sagenkundliche Themen. Er trat dabei hauptsächlich mit editorischen Leistungen hervor. Aus seiner Arbeit als Leiter der bedeutendsten kunsthistorischen Sammlungen in Sachsen resultierten mehrere Nachschlagewerke zur Keramiksammlung und Numismatik. Enzyklopädischen Charakter besitzt die seit 1837 herausgegebene „Literärgeschichte aller bekannten Völker der Welt“, in der G. einen umfassenden und vergleichenden literaturhistorischen Überblick gab. Dieses Werk ebenso wie „Orbis Latinus“ und „Biblioteca magica“ zählen bis heute zu unentbehrlichen wissenschaftlichen Nachschlagewerken. Hervorzuheben sind seine Publikationen auf dem Gebiet der Sagenforschung, die trotz editorischer Mängel bedeutende Grundlagenwerke darstellen. Mit dem Ziel der Popularisierung und Verbreitung von Sagenerzählungen veröffentlichte G. zunächst eine Übersetzung der „Gesta Romanorum“ sowie eine neue Ausgabe der „Legenda aurea“. Seine Hauptwerke auf diesem Feld bilden der „Sagenschatz des Königreiches Sachsen“ sowie das „Sagenbuch des Preußischen Staats“. Weiter trat G. als Verfasser volkskundlicher Schriften, so etwa mit dem „Jägerbrevier“ und den „Bierstudien“, hervor.

Werke Lehrbuch einer allgemeinen Literärgeschichte aller bekannten Völker der Welt von den ältesten bis auf die neueste Zeit, 4 Bde., Dresden/Leipzig 1837-1859; Gesta Romanorum, 2 Bde., Dresden/Leipzig 1842; Jacobi a Voragine Legenda aurea vulgo Historio Lombardica dicte, 5 Bde., Dresden 1843-1846; Bibliotheca magica et pneumatica, oder wissenschaftlich geordnete Bibliographie der wichtigsten in das Gebiet der Zauber-, Wunder-, Geister- und sonstigen Aberglaubens vorzüglich älterer Zeit einschlagenden Werke, Leipzig 1843; Bibliotheca psychologica oder Verzeichniss der wichtigsten über das Wesen der Menschen- und Thierseelen und die Unsterblichkeitslehre handelnden Schriftsteller älterer und neuerer Zeit, Leipzig 1845; Beiträge zur Literatur und Sage des Mittelalters, 2 Bde., Dresden 1850; Handbuch der alten Numismatik, Leipzig 1852-1854; Der Sagenschatz des Königreiches Sachsen, Dresden 1855; Jägerbrevier, Dresden 1857; Trésor des livres rares et précieux, 7 Bde., Dresden 1859-1869; Orbis Latinus oder Verzeichniss der wichtigsten lateinischen Orts- und Ländernamen, Dresden 1861; Sagenbuch des Preußischen Staats, 2 Bde., Glogau 1868, 1871; Guide de l’amateur d’objets d’art et de curiosité, Dresden 1871; Bierstudien, Dresden 1872; Geschlechts-, Namens- und Wappensagen des Adels deutscher Nation, Dresden 1876.

Literatur Theodor G. †, in: Neuer Anzeiger für Bibliographie und Bibliothekwissenschaft 46/1885, S. 257-260; G. Heres, Johann Georg G. – ein Dresdener Kulturhistoriker und Museumsdirektor, in: Dresdner Kunstblätter 29/1985, S. 117-119; U. Jacob, Zum 175. Geburtstag von Johann Georg G., in: Zentralblatt für Bibliothekswesen 103/1989, S. 12-23; U. Eckert, Johann Georg Theodor G. (1814-1885), in: Von der kurfürstlichen Landesschule zum Gymnasium St. Augustin zu Grimma, 1550-2000, hrsg. vom Gymnasium St. Augustin zu Grimma, Beucha 2000, S. 71. – DBA I, II, III; DBE 4, S. 123f.; NDB 6, S. 716; T. Bürger/K. Hermann (Hg.), Das ABC der SLUB, Dresden 2006, S. 100.

Sönke Friedreich
1.12.2011


Empfohlene Zitierweise:
Sönke Friedreich, Artikel: Johann Graesse,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1793 [Zugriff 29.3.2024].

Johann Graesse



Werke Lehrbuch einer allgemeinen Literärgeschichte aller bekannten Völker der Welt von den ältesten bis auf die neueste Zeit, 4 Bde., Dresden/Leipzig 1837-1859; Gesta Romanorum, 2 Bde., Dresden/Leipzig 1842; Jacobi a Voragine Legenda aurea vulgo Historio Lombardica dicte, 5 Bde., Dresden 1843-1846; Bibliotheca magica et pneumatica, oder wissenschaftlich geordnete Bibliographie der wichtigsten in das Gebiet der Zauber-, Wunder-, Geister- und sonstigen Aberglaubens vorzüglich älterer Zeit einschlagenden Werke, Leipzig 1843; Bibliotheca psychologica oder Verzeichniss der wichtigsten über das Wesen der Menschen- und Thierseelen und die Unsterblichkeitslehre handelnden Schriftsteller älterer und neuerer Zeit, Leipzig 1845; Beiträge zur Literatur und Sage des Mittelalters, 2 Bde., Dresden 1850; Handbuch der alten Numismatik, Leipzig 1852-1854; Der Sagenschatz des Königreiches Sachsen, Dresden 1855; Jägerbrevier, Dresden 1857; Trésor des livres rares et précieux, 7 Bde., Dresden 1859-1869; Orbis Latinus oder Verzeichniss der wichtigsten lateinischen Orts- und Ländernamen, Dresden 1861; Sagenbuch des Preußischen Staats, 2 Bde., Glogau 1868, 1871; Guide de l’amateur d’objets d’art et de curiosité, Dresden 1871; Bierstudien, Dresden 1872; Geschlechts-, Namens- und Wappensagen des Adels deutscher Nation, Dresden 1876.

Literatur Theodor G. †, in: Neuer Anzeiger für Bibliographie und Bibliothekwissenschaft 46/1885, S. 257-260; G. Heres, Johann Georg G. – ein Dresdener Kulturhistoriker und Museumsdirektor, in: Dresdner Kunstblätter 29/1985, S. 117-119; U. Jacob, Zum 175. Geburtstag von Johann Georg G., in: Zentralblatt für Bibliothekswesen 103/1989, S. 12-23; U. Eckert, Johann Georg Theodor G. (1814-1885), in: Von der kurfürstlichen Landesschule zum Gymnasium St. Augustin zu Grimma, 1550-2000, hrsg. vom Gymnasium St. Augustin zu Grimma, Beucha 2000, S. 71. – DBA I, II, III; DBE 4, S. 123f.; NDB 6, S. 716; T. Bürger/K. Hermann (Hg.), Das ABC der SLUB, Dresden 2006, S. 100.

Sönke Friedreich
1.12.2011


Empfohlene Zitierweise:
Sönke Friedreich, Artikel: Johann Graesse,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1793 [Zugriff 29.3.2024].