Emerich Ambros
A. wurde in Budapest als uneheliches Kind geboren. Über seine Mutter, die aus Dresden stammte, ist nichts bekannt, sein Vater war ein jüdischer Rechtsanwalt, der in Budapest lebte. Beide Eltern verstarben früh, sodass A. bei seiner Großmutter in Dresden aufwuchs. Hier besuchte er 1902 bis 1910 die Volksschule und erlernte 1910 bis 1913 den Beruf des Klempners. Danach war er bei verschiedenen, zumeist kleinen Dresdner Firmen angestellt, ehe er am 11.1.1916 zum Militärdienst einberufen wurde. Diesen absolvierte er bis zum 20.5.1919, zuletzt als Sanitätsunteroffizier. Im April desselben Jahrs hatte er sich beim Reichsbahnausbesserungswerk (RAW) auf dem „Weißeritzufer“ in Dresden um eine Anstellung als Klempner beworben, wo er auch zum 21.5.1919 eingestellt wurde. In den folgenden Jahren engagierte er sich gemeinsam u.a. mit Robert Wirth, Bruno Siegel und
Max Barth für die Belange der RAW-Arbeiter. Bereits 1919 wurde er in den Betriebsrat gewählt, zudem war er im Deutschen Eisenbahnerverband aktiv und schließlich auch Mitglied im Bezirksbetriebsrat bei der Generaldirektion der Sächsischen Staatseisenbahn. Sein Engagement und sein außergewöhnliches Rednertalent brachten ihm, obwohl als SPD-Mitglied politisch nicht immer der gleichen Meinung wie z.B. seine KPD-Gewerkschaftskollegen, großen Respekt ein. – Am 28.6.1925, und nicht erst 1927, wie in nach 1945 entstandenen Gedenkpublikationen behauptet, verließ A. das RAW. – Ab Sommer 1925 war A. in Löbau als Parteisekretär der örtlichen SPD tätig. Wohl 1931 oder 1932 wechselte er als Geschäftsführer zum Konsumverein „Vorwärts“ in Löbau. Daneben war er Stadtverordneter und Fraktionsführer der Löbauer SPD. – Im September 1933 erstattete eine Konsum-Angestellte Anzeige gegen A. mit dem Vorwurf der sexuellen Belästigung. Das Löbauer Amtsgericht veranlasste daraufhin am 19.9. seine Verhaftung. Bei einem Verhör am 22.9. konnte A. jedoch alle Anschuldigungen entkräften, sodass das Amtsgericht die weitere Aufrechterhaltung des Haftbefehls ablehnte. Darüber setzte sich der Löbauer Stadtrat auf Veranlassung des NSDAP-Kreisleiters Hans Reiter hinweg und überstellte A. am 25.9. in das Schutzhaftlager Hohnstein. Am Nachmittag des folgenden Tags verstarb A. dort infolge von Misshandlungen durch seine SA-Bewacher. In einem 1934 gegen den damaligen Kommandaten des Hohnsteiner Lagers,
Rudolf Jähnichen, sowie gegen die dortigen Wachmannschaften geführten Prozess gaben die Angeklagten zu Protokoll, A. hätte sich, nachdem er bei einem Verhör sein Vergehen doch noch zugegeben habe, in seiner Zelle an einem drei Zentimeter langen Nagel erhängt. Häftlinge, die Zeugen der Geschehnisse gewesen waren, sagten im Zusammenhang mit den sog. Hohnstein-Prozessen 1949 allerdings aus, dass die mutwillige Tötung durch einen der Angeklagten sehr viel wahrscheinlicher gewesen war. – A.s Leichnam wurde, nach der Obduktion in Pirna am 28.9.1933, nach Dresden überführt und am 30.9.1933 im Krematorium Tolkewitz eingeäschert. Seine Witwe muss kurz danach wieder nach Dresden gezogen sein. Sie nahm sich und ihren beiden Kindern am 11.11.1933 durch eine Gasvergiftung das Leben. – Die posthume Verehrung A.s in Dresden nach 1945, begründet durch seine aktiven Gewerkschaftsjahre im RAW, trugen insbesondere die Betriebsangehörigen des RAW und hielten diese bis zur politischen Wende 1989 wach. So wurde am 29.9.1945, dem erstmals begangenen „Tag der Opfer des Faschismus“, ein Sarg, der angeblich A.s sterbliche Überreste enthielt, von Hohnstein in das RAW in Dresden überführt, dort aufgebahrt und schließlich in dem an diesem Tag eröffneten „Ehrenhain für die Opfer des Faschismus“ am Palaisplatz in Dresden beigesetzt. Das „Weißeritzufer“ wurde noch 1945 in „Emmerich-Ambroß-Ufer“ (seit 1988 mit der korrekten Schreibweise „Emerich-Ambros-Ufer“) umbenannt. An ihn erinnerte eine Gedenktafel an seinem ehemaligen Wohnhaus in der Rabenauer Straße in Dresden-Löbtau. 1988 stellte das RAW auf dem Betriebsgelände anlässlich der Verleihung des Ehrennamens „Emerich Ambros“ einen Gedenkstein mit einem Porträtrelief A.s auf.
Quellen Bundesarchiv Berlin, Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR, DY 55 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, 6 Biographische Sammlungen, Nr. 13, Abteilung R Deutsches Reich 1495-1945, NS 36 Oberstes Parteigericht der NSDAP, Helbig, Felix (ehem. BDC), Urteil: ZA I, 10951 A.03; Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 11698 RAW Dresden, Nr. A/139, 13471 NS-Archiv des MfS, Abgabe Sachsen, ZA St 152, Bd. 4.
Literatur Zum Höchsten der Menschheit emporgestrebt, hrsg. vom Museum für Geschichte der Dresdner Arbeiterbewegung, Dresden 1959, S. 103-110 (P); L. Kraushaar, Deutsche Widerstandskämpfer 1933-1945, Bd. 1, Berlin 1970, S. 48-50 (P). – DBA III.
Porträt Josef Emerich Ambros, undatierte Fotografie, Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 11228 Deutsche Reichsbahn, Reichsbahndirektion Dresden, Positive, Nr. 1042; Josef Emerich Ambros, um 1930, Fotografie, Museum für Geschichte der Dresdner Arbeiterbewegung, Dresden (Bildquelle).
Nadine Kulbe
20.3.2012
Empfohlene Zitierweise:
Nadine Kulbe, Artikel: Emerich Ambros,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/161 [Zugriff 6.11.2024].
Emerich Ambros
Quellen Bundesarchiv Berlin, Stiftung Archiv der Parteien und Massenorganisationen der DDR, DY 55 Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, 6 Biographische Sammlungen, Nr. 13, Abteilung R Deutsches Reich 1495-1945, NS 36 Oberstes Parteigericht der NSDAP, Helbig, Felix (ehem. BDC), Urteil: ZA I, 10951 A.03; Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 11698 RAW Dresden, Nr. A/139, 13471 NS-Archiv des MfS, Abgabe Sachsen, ZA St 152, Bd. 4.
Literatur Zum Höchsten der Menschheit emporgestrebt, hrsg. vom Museum für Geschichte der Dresdner Arbeiterbewegung, Dresden 1959, S. 103-110 (P); L. Kraushaar, Deutsche Widerstandskämpfer 1933-1945, Bd. 1, Berlin 1970, S. 48-50 (P). – DBA III.
Porträt Josef Emerich Ambros, undatierte Fotografie, Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 11228 Deutsche Reichsbahn, Reichsbahndirektion Dresden, Positive, Nr. 1042; Josef Emerich Ambros, um 1930, Fotografie, Museum für Geschichte der Dresdner Arbeiterbewegung, Dresden (Bildquelle).
Nadine Kulbe
20.3.2012
Empfohlene Zitierweise:
Nadine Kulbe, Artikel: Emerich Ambros,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/161 [Zugriff 6.11.2024].