Ulrich Schütz der Ältere
S. gilt als namhaftester Repräsentant der finanzkräftigen Nürnberger Kaufmannsfamilie Schütz, die an zahlreichen Bergbauunternehmungen im Erzgebirge beteiligt war und Chemnitz als einen wichtigen Standort des sächsischen Hüttenwesens etablierte. – Über Kindheit und Jugend von S. liegen keine Informationen vor. Während einzelne Genealogen ein Verwandtschaftsverhältnis zu dem Nürnberger Losungsschreiber
Hans Schütz behaupten, neigt die Forschung mehrheitlich dazu, den aus Augsburg stammenden und später in Nürnberg ansässigen
Sebastian Schütz als seinen Vater anzusehen. Die ersten Berührungen der Familie mit dem erzgebirgischen Montanwesen gehen auf S.s älteren Bruder
Hans zurück, der 1466 als Mitgewerke des von dem Chemnitzer Ratsherrn Nikol Tyle (Thiele) in Geyer betriebenen Bergbaus genannt wird. Sein wirtschaftlicher Erfolg mag S. bewogen haben, ebenfalls eine Beteiligung an Tyles Unternehmungen anzustreben. S. ließ sich deshalb noch im selben Jahr in einem Haus am Chemnitzer Marktplatz nieder. Einige Zeit später ging er die Ehe mit einer Tochter Tyles ein. In die Geschäftsbeziehung mit seinem nunmehrigen Schwiegervater brachte S. offenbar nicht nur Kapital, sondern auch wichtiges Fachwissen ein. Von zentraler Bedeutung war hier die anfangs des 15. Jahrhunderts in Nürnberg entwickelte Technologie des Saigerns, eine Methode, um durch Zugabe von Blei Silber aus Kupfererzen auszuschmelzen. S. begann um 1470 gemeinsam mit Tyle am Chemnitzfluss unweit der heutigen Treffurthbrücke den Aufbau einer Saigerhütte. Die Saigerhüttengesellschaft erhielt am 5.2.1471 ein landesherrliches Privileg, das nicht nur die Verarbeitung in- und ausländischer Erze, sondern auch den freien Verkauf des gewonnenen Kupfers und Silbers erlaubte. Etwa zeitgleich tritt S. auch in der Tyleschen Tirmannstolln-Gesellschaft in Geyer in Erscheinung, die er spätestens 1479 mit seinem Bruder Hans und seinem Schwager
Merten Pauer aus Leipzig als Hauptgewerken übernahm. In den 1470er- und 1480er-Jahren erbrachte S. den weitaus größten Teil der Silberausbeute im Bergrevier Geyer. Noch 1497 wurden ihm drei Viertel der dortigen Silberförderung zugeschrieben. Dieser exponierten Stellung angemessen, erwarb S. 1484 in Geyer ein repräsentatives Anwesen, den sogenannten Schützhof. Der befestigte Bau mit Turm und drei großen Häusern verfügte über Gerichts- und Braurechte und gab der Weiterentwicklung von Geyer als Bergstadt wichtige Impulse. 1490 erhielt S. von Herzog Georg (dem Bärtigen) außerdem eine zwölfjährige Münzfreiheit, da er auf dem Bergwerk des Saubergs bei Ehrenfriedersdorf eine kostspielige Wasserkunst errichtet hatte. Ebenso zahlten sich hohe Investitionen in verschiedene Silber- und Kupferbergwerke in Schneeberg, Schlema, Annaberg, Freiberg und Goslar aus. Die dort ausgebrachten Erze trugen wiederum zum wirtschaftlichen Erfolg der Chemnitzer Saigerhütte bei. Auch diese übernahm S. schließlich ganz von seinem Schwiegervater und arbeitete nun zielstrebig daran, ihre Kapazität zu erweitern. Da er zum Saigern Wasserkraft benötigte, begann S. in den späten 1470er-Jahren systematisch zahlreiche Grundstücke, Mühlen und Wasserrechte entlang des Chemnitzflusses zu erwerben und Wehre zu bauen. 1477 wandelte er die Mahlmühle am Klostermühlgraben in einen Kupferhammer um, zehn Jahre später kaufte er die Reißigmühle am Hüttenberg und eröffnete im darauffolgenden Jahr auch dort einen Kupferhammer sowie am gegenüberliegenden Flussufer eine neue Saigerhütte. Der alte Standort wurde aufgegeben. Als infrastrukturell nicht minder bedeutsam erwies sich der Bau einer Walkmühle, die S. 1479 an die Tuchmacherinnung verpachtete. Auf weiteren Besitzungen am Nikolaimühlgraben legte S. Färberhäuser und Gärten zur Verleihung an Chemnitzer Bürger an. – Diese Initiativen zur Förderung des städtischen Wirtschaftslebens brachten S. nicht nur großen Reichtum ein, sondern führten zwischen 1484 und 1502 auch zur Aufnahme in das Chemnitzer Ratskollegium. Mehrfach wurde S. in dieser Zeit zum Bürgermeister gewählt. Währenddessen war S. konsequent bestrebt, der ökonomischen Blüte der Stadt auch architektonisch Ausdruck zu geben. Mit seinem Namen verbinden sich u.a. die Errichtung eines repräsentativen Uhrturms an der Frontseite des Rathauses, die Backsteinverblendung des Roten Turms und der Neubau des spätgotischen Gewandhauses mit aufwendigem Schaugiebel sowie der Lateinschule. Außerdem zählte seine Familie zu den Stiftern des 1481 begonnenen und 1485 mit einer päpstlichen Bestätigung versehenen Franziskanerklosters. – S. starb kurz vor seinem älteren Bruder Hans, dessen Beisetzung am 19.9.1506 erfolgte. Auch nach dem Tod von S. und dem Übergang in andere Hände bestand die Saigerhütte noch etwa 50 Jahre fort. Möglicherweise fiel die 1560 bereits stillgelegte Hütte der großen Flut dieses Jahrs zum Opfer. Es gilt heute als sehr wahrscheinlich, dass Georgius Agricola, seit 1542 mit S.s Enkeltochter
Anna verheiratet, in seiner Beschreibung des Saigerhüttenbetriebs im 11. Buch seines Hauptwerks „De re metallica“ explizit auf die zweite Schützsche Anlage am Hüttenberg Bezug nimmt und Aufbau, Ausrüstung und Funktion der Hütte somit exakt literarisch festgehalten sind. Bodenfunde (1972) und industriearchäologische Grabungen (2011) haben Hinweise auf den ungefähren Standort zumindest einer der beiden Saigerhütten im Chemnitzer Stadtpark erbracht, wenngleich eine genaue Lokalisierung noch aussteht.
Quellen G. Agricola, De re metallica libri XII, Basel 1556.
Literatur J. Falke, Geschichte der Bergstadt Geyer, Dresden 1866, S. 39-42; C. W. Zöllner, Geschichte der Fabrik- und Handelsstadt Chemnitz von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart, Chemnitz 1888; P. Uhle, Die Schützeschen Unternehmungen im mittelalterlichen Chemnitz, in: Mitteilungen des Vereins für Chemnitzer Geschichte 24/1925/1926, S. 12-23; R. Abigt, Der Chemnitzer Bürgermeister Ulrich S. und sein Geschlecht, in: ebd. 26/1927/1928, S. 53-88; A. Kunze, Die Entwicklung der Produktivkräfte und der Produktionsverhältnisse in Chemnitz in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung der Einflüsse des oberdeutschen Handelskapitals, in: Beiträge zur Heimatgeschichte von Karl-Marx-Stadt 4/1955, S. 19-47, hier S. 24-27; ders., Der Frühkapitalismus in Chemnitz. Beiträge zur Heimatgeschichte von Karl-Marx-Stadt H. 7, Karl-Marx-Stadt 1958, S. 140-145; E. Stimmel, Die Familie Schütz. Ein Beitrag zur Familiengeschichte des Georgius Agricola, in: Abhandlungen des Staatlichen Museums für Mineralogie und Geologie zu Dresden 11/1966, S. 377-417; R. Klier, Zur Genealogie der Bergunternehmerfamilie Schütz in Nürnberg und Mitteldeutschland im 15. und 16. Jahrhundert, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 55/1967/1968, S. 185-213; A. Laube, Studien über den erzgebirgischen Silberbergbau von 1470 bis 1546, Berlin 1974, S. 147-151; H.-H. Kasper, Die sächsischen Saigerhütten zur Zeit Georg Agricolas und ihre Widerspiegelung in seinem Werk „De re metallica“, in: Sächsische Heimatblätter 27/1981, H. 2, S. 69-73; K.-P. Herschel, Die Familie Schütz und der Schützhof in Geyer, Annaberg-Buchholz 2000; A. Kramarczyk, Die Kupfersaigerhütte des Ulrich S. in Chemnitz. Unternehmensgeschichte, Dokumentation, Perspektiven eines Bodendenkmals, in: Agricola-Rundbrief 2003, S. 3-19; H. Bräuer, Chemnitz zwischen 1450 und 1650. Menschen in ihren Kontexten, Chemnitz 2005; H. Albrecht, Auf den Spuren der Saigerhütte in Chemnitz, in: Agricola-Rundbrief 2009, S. 44-50. – Von Alberti bis Zöppel. 125 Biografien zur Chemnitzer Geschichte, hrsg. vom Stadtarchiv Chemnitz, Chemnitz 2000, S. 100; S. Pfalzer, Der erste Chemnitzer „Großindustrielle“ Ulrich S., in: K. Keller/G. Viertel/G. Diesener (Hg.), Stadt, Handwerk, Armut. Eine kommentierte Quellensammlung zur Geschichte der Frühen Neuzeit. Helmut Bräuer zum 70. Geburtstag zugeeignet, Leipzig 2008, S. 208-212; Grabungen nach Kupfersaigerhütte im Chemnitzer Stadtpark gehen zu Ende, in: Archäologie in Sachsen, hrsg. vom Landesamt für Archäologie, 2011.
Michael Wetzel
29.11.2019
Empfohlene Zitierweise:
Michael Wetzel, Artikel: Ulrich Schütz der Ältere,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/3636 [Zugriff 2.11.2024].
Ulrich Schütz der Ältere
Quellen G. Agricola, De re metallica libri XII, Basel 1556.
Literatur J. Falke, Geschichte der Bergstadt Geyer, Dresden 1866, S. 39-42; C. W. Zöllner, Geschichte der Fabrik- und Handelsstadt Chemnitz von den ältesten Zeiten bis zur Gegenwart, Chemnitz 1888; P. Uhle, Die Schützeschen Unternehmungen im mittelalterlichen Chemnitz, in: Mitteilungen des Vereins für Chemnitzer Geschichte 24/1925/1926, S. 12-23; R. Abigt, Der Chemnitzer Bürgermeister Ulrich S. und sein Geschlecht, in: ebd. 26/1927/1928, S. 53-88; A. Kunze, Die Entwicklung der Produktivkräfte und der Produktionsverhältnisse in Chemnitz in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts unter besonderer Berücksichtigung der Einflüsse des oberdeutschen Handelskapitals, in: Beiträge zur Heimatgeschichte von Karl-Marx-Stadt 4/1955, S. 19-47, hier S. 24-27; ders., Der Frühkapitalismus in Chemnitz. Beiträge zur Heimatgeschichte von Karl-Marx-Stadt H. 7, Karl-Marx-Stadt 1958, S. 140-145; E. Stimmel, Die Familie Schütz. Ein Beitrag zur Familiengeschichte des Georgius Agricola, in: Abhandlungen des Staatlichen Museums für Mineralogie und Geologie zu Dresden 11/1966, S. 377-417; R. Klier, Zur Genealogie der Bergunternehmerfamilie Schütz in Nürnberg und Mitteldeutschland im 15. und 16. Jahrhundert, in: Mitteilungen des Vereins für Geschichte der Stadt Nürnberg 55/1967/1968, S. 185-213; A. Laube, Studien über den erzgebirgischen Silberbergbau von 1470 bis 1546, Berlin 1974, S. 147-151; H.-H. Kasper, Die sächsischen Saigerhütten zur Zeit Georg Agricolas und ihre Widerspiegelung in seinem Werk „De re metallica“, in: Sächsische Heimatblätter 27/1981, H. 2, S. 69-73; K.-P. Herschel, Die Familie Schütz und der Schützhof in Geyer, Annaberg-Buchholz 2000; A. Kramarczyk, Die Kupfersaigerhütte des Ulrich S. in Chemnitz. Unternehmensgeschichte, Dokumentation, Perspektiven eines Bodendenkmals, in: Agricola-Rundbrief 2003, S. 3-19; H. Bräuer, Chemnitz zwischen 1450 und 1650. Menschen in ihren Kontexten, Chemnitz 2005; H. Albrecht, Auf den Spuren der Saigerhütte in Chemnitz, in: Agricola-Rundbrief 2009, S. 44-50. – Von Alberti bis Zöppel. 125 Biografien zur Chemnitzer Geschichte, hrsg. vom Stadtarchiv Chemnitz, Chemnitz 2000, S. 100; S. Pfalzer, Der erste Chemnitzer „Großindustrielle“ Ulrich S., in: K. Keller/G. Viertel/G. Diesener (Hg.), Stadt, Handwerk, Armut. Eine kommentierte Quellensammlung zur Geschichte der Frühen Neuzeit. Helmut Bräuer zum 70. Geburtstag zugeeignet, Leipzig 2008, S. 208-212; Grabungen nach Kupfersaigerhütte im Chemnitzer Stadtpark gehen zu Ende, in: Archäologie in Sachsen, hrsg. vom Landesamt für Archäologie, 2011.
Michael Wetzel
29.11.2019
Empfohlene Zitierweise:
Michael Wetzel, Artikel: Ulrich Schütz der Ältere,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/3636 [Zugriff 2.11.2024].