Paul Büttner
B. stammte aus einfachen Verhältnissen: Sein Vater war ursprünglich Bauer in der Gegend um Glashütte, später - nach dem Umzug nach Dresden - wurde er Arbeiter und schließlich Meister in der Siemensschen Glasfabrik in Löbtau, wo auch B.s Mutter in der Kantine arbeitete. Bereits im Alter von acht Jahren erhielt B. Violinunterricht und komponierte die ersten Stücke. Ein Grundstein für das Studium am Konservatorium in Dresden war damit gelegt. Da ihm seine Eltern jedoch kein Studium finanzieren konnten, studierte er nicht Violine, sondern nahm eine Freistelle an der Oboe an. Des Weiteren studierte er Bratsche und gehörte zur Kompositionsklasse des bereits etablierten Komponisten Felix Draeseke. – Als die Familie nach dem Tod des Vaters in noch größere finanzielle Schwierigkeiten geriet, lag es in B.s Verantwortung, seine Mutter und seine Schwester zu versorgen. So nahm er verschiedene Anstellungen als Oboist in kleineren Orchestern an und bereiste mit diesen ganz Deutschland. Außerdem spielte er in kleineren Kapellen in der Umgebung Dresdens zum Tanz auf. Angeregt durch seine Reisen ging B. nach seinem Studium als Oboist und Bratscher zunächst nach Bremerhaven, später nach Majorenhof (lett. Majori) bei Riga. Erst 1892 kehrte er - einer Anstellung im Gewerbehausorchester Dresden folgend - in seine Heimat zurück. – Den entscheidenden künstlerischen und pädagogischen Durchbruch erlangte B. durch die Berufung zum Chorgesangslehrer an das Konservatorium in Dresden am 1.4.1896. Außerdem übernahm er dort eine Klasse im Fach Musiktheorie. Ab 1907 zog er sich zeitweilig vom Dresdner Konservatorium zurück und widmete sich dem Komponieren. Erst 1918 kehrte B. als Lehrer für Komposition sowie als Orchester- und Chorleiter und Kammermusikbetreuer zurück. Nicht zuletzt durch sein vielseitiges Engagement wuchs sein Ansehen stetig, sodass er 1924 zum künstlerischen Direktor des Dresdner Konservatoriums ernannt wurde. – Geprägt durch seine Kindheit war B. dem Arbeitermilieu sehr verbunden. So hatte er seit seiner Rückkehr nach Dresden 1892 die Leitung verschiedener Arbeiterchöre in der Umgebung der Stadt übernommen, z.B. in Gittersee, Radebeul, Kötzschenbroda, Gorbitz und Zitzschewig. Die eigentliche Bedeutung für Dresden gewann er jedoch erst als Bundesdirigent des hiesigen Arbeitersängerbunds, den er ab etwa 1905 leitete. B. gründete auch selbst einige Chöre, wie z.B. 1910 den ersten Bundesmännerchor in Dresden. Mit viel Engagement und Geduld studierte er sowohl eigene als auch die Werke anderer namhafter Komponisten mit den Arbeitern ein. Oftmals verfügten diese über nur wenige musikalische Grundlagen, was B. dazu brachte, ein eigenes Lehrbuch zu verfassen: die „Musikgrundlehre. Ein Lehr- und Lernbuch“. – Neben der Leitung diverser Arbeiterchöre wirkte B. über drei Jahrzehnte auch als Musikkritiker der „Dresdner Volkszeitung“. Zunächst war er dort als freier Mitarbeiter und ab 1912 in fester Anstellung bis zum Verbot der Zeitung 1933 nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten tätig. Etwa 1.700 Kritiken sammelten seine Frau Eva und seine Freunde aus dieser Zeit. Geschätzt wurde v.a. der Charme und Witz in seinem Schreibstil sowie die für jedermann verständliche Sprache. Nicht nur die „Dresdner Volkszeitung“, sondern auch B. selbst geriet aufgrund seiner sozialdemokratischen Gesinnung und seines Engagements gegen die Nationalsozialisten in deren Visier. So wurde er am 18.5.1933 all seiner Ämter enthoben. Seine Werke galten von da an als „unerwünscht“ und durften nicht weiter aufgeführt werden. B. selbst litt unter Hausdurchsuchungen, Beschlagnahmung von Drucksachen und der „Inschutzhaftnahme“ seiner jüdischen Ehefrau. In den darauffolgenden Jahren war er im Wesentlichen als Privatmusiklehrer und Komponist tätig. – Zu B.s Kompositionen gehören diverse Orchesterwerke, zwei Opern (die einaktige Oper „Anka“ und die Märchenoper „Rumpelstilzchen“), die Operette „Das Wunder der Isis“, einige sinfonische Dichtungen, Ouvertüren, Chorwerke mit und ohne Orchester, Männer- und Frauenchöre sowie Kammer- und Klaviermusik. Besonders hervorzuheben sind seine vier Sinfonien, die B. 1899 bis 1917 komponierte und in denen seine tiefe Verbundenheit zur Sinfonietradition von
Anton Bruckner und
Johannes Brahms deutlich wird. So folgen die Sinfonien in ihrer Anlage, Struktur und Dramaturgie der klassisch-romantischen Tradition, ohne jedoch einer eigenen Ausdrucksweise zu entbehren. – B. verstarb 1943 nach einjähriger Krankheit. Erst nach 1945 durften seine Werke wieder aufgeführt werden. V.a.
Joseph Keilberth, Heinz Bongartz und Kurt Masur trugen zu seiner Würdigung bei.
Werke Bühnenmusik: Anka, Oper; Rumpelstilzchen, Oper; Das Wunder der Isis, Operette; Instrumentalmusik: Sinfonie Nr. 1, F-Dur, 1899; Sinfonie Nr. 2, G-Dur, 1902; Heroische Ouvertüre, 1910; Sinfonie Nr. 3, Des-Dur, 1910; Sinfonie Nr. 4, h-Moll, 1917; Konzertstück G-Dur für Violine und Orchester, 1917; Streichquartett g-Moll, 1917; Heut und Ewig (aus: „Des Knaben Wunderhorn“) für Kinderchor, Solostimmen und Orchester, 1919; Präludium, Fuge und Epilog, 1919; Streichtrio in Kanonform, 1919; Schriften: Musikgrundlehre. Ein Lehr- und Lernbuch, Berlin 1908, 21910.
Literatur K. Laux, Paul B., in: Programmheft der Dresdner Philharmonie 11.4.1935; Festschrift zum 100jährigen Bestehen musikalischer Bildungsstätten in Dresden, hrsg. von der Hochschule für Musik, Dresden 1956; R. Völkel, Paul B. als musikalischer Volkserzieher, Diss. Leipzig 1961 (WV); H. John, Rudolf Zwintscher und Paul B., in: M. Hermann/H.-W. Heister (Hg.), Dresden und die avancierte Musik im 20. Jahrhundert, Teil I: 1900-1933, Laaber 1999, S. 275-282. – DBA II, III; MGG2P 3, Sp. 1436f.; RiemannL, Berlin 101922, S. 177.
Porträt Paul B., R. Hahn, Ölgemälde auf Leinwand, Museen der Stadt Dresden, Städtische Galerie, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek, Fotografie: André Rous, 1993 (Bildquelle).
Kathleen Goldammer
30.3.2011
Empfohlene Zitierweise:
Kathleen Goldammer, Artikel: Paul Büttner,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/922 [Zugriff 21.11.2024].
Paul Büttner
Werke Bühnenmusik: Anka, Oper; Rumpelstilzchen, Oper; Das Wunder der Isis, Operette; Instrumentalmusik: Sinfonie Nr. 1, F-Dur, 1899; Sinfonie Nr. 2, G-Dur, 1902; Heroische Ouvertüre, 1910; Sinfonie Nr. 3, Des-Dur, 1910; Sinfonie Nr. 4, h-Moll, 1917; Konzertstück G-Dur für Violine und Orchester, 1917; Streichquartett g-Moll, 1917; Heut und Ewig (aus: „Des Knaben Wunderhorn“) für Kinderchor, Solostimmen und Orchester, 1919; Präludium, Fuge und Epilog, 1919; Streichtrio in Kanonform, 1919; Schriften: Musikgrundlehre. Ein Lehr- und Lernbuch, Berlin 1908, 21910.
Literatur K. Laux, Paul B., in: Programmheft der Dresdner Philharmonie 11.4.1935; Festschrift zum 100jährigen Bestehen musikalischer Bildungsstätten in Dresden, hrsg. von der Hochschule für Musik, Dresden 1956; R. Völkel, Paul B. als musikalischer Volkserzieher, Diss. Leipzig 1961 (WV); H. John, Rudolf Zwintscher und Paul B., in: M. Hermann/H.-W. Heister (Hg.), Dresden und die avancierte Musik im 20. Jahrhundert, Teil I: 1900-1933, Laaber 1999, S. 275-282. – DBA II, III; MGG2P 3, Sp. 1436f.; RiemannL, Berlin 101922, S. 177.
Porträt Paul B., R. Hahn, Ölgemälde auf Leinwand, Museen der Stadt Dresden, Städtische Galerie, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek, Fotografie: André Rous, 1993 (Bildquelle).
Kathleen Goldammer
30.3.2011
Empfohlene Zitierweise:
Kathleen Goldammer, Artikel: Paul Büttner,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/922 [Zugriff 21.11.2024].