Karl Gottlob Günther

G. war ein führender sächsischer Archivar und Verwaltungsjurist, der als langjähriger Leiter des Geheimen Archivs das sächsische Archivwesen stark beeinflusste und zu dessen Professionalisierung und Neuorganisation beitrug. – G. wuchs in seiner Geburtsstadt Lübben auf und besuchte das dortige Lyzeum. Nach Jurastudium und Promotion an der Universität Leipzig (1770-1773) wurde er 1775 Advokat und Notar in Dresden. Im Jahr darauf ging G. als Privatsekretär des sächsischen Reichstagsgesandten Otto Ferdinand Graf von Loeben nach Regensburg, wo er Zugang zum Gesandtschaftsarchiv und zur Gesandtschaftskanzlei erhielt. Nach seiner Rückkehr nach Dresden entschied sich G. für die Archivlaufbahn, wurde 1778 Geheimer Registrator, 1794 zweiter Geheimer Archivar und zugleich Leiter des Geheimen Archivs. Die Bestallung zum ersten Geheimen Archivar erfolgte erst 1806, nach dem Tod seines Amtsvorgängers Karl Rudolph Gräfe. – Als Archivar erwarb sich G. in 54 Berufsjahren große Verdienste. Er verbesserte die Erschließung der Bestände des Geheimen Archivs, drängte auf dessen angemessene personelle Ausstattung und setzte sich energisch für die Abgabe historisch wertvoller Unterlagen aus den staatlichen Behörden ein. 1802 leitete er die Aufteilung des wettinischen Gesamtarchivs in Wittenberg zwischen Kursachsen und den Ernestinern, wobei der größte Teil der Archivalien in das Geheime Archiv nach Dresden gelangte. Außerdem sorgte G. für den Umzug des Geheimen Archivs aus unzulänglichen Räumen im Kanzleihaus bzw. königlichen Schloss in das sog. Ballhaus (abgeschlossen 1809), womit das Geheime Archiv erstmals ein eigenes Gebäude erhielt. Sein zukunftsweisender Vorschlag aus dem Jahr 1818, das Geheime Archiv und das Geheime Kabinettsarchiv zu einem Landesarchiv zu vereinen, fand zunächst kein Gehör und wurde erst nach G.s Tod mit der Gründung des Sächsischen Hauptstaatsarchivs (1834) verwirklicht. – Neben seiner archivarischen Arbeit war G. mit weiteren Regierungsämtern bzw. -aufgaben betraut. 1794 wurde er Hof- und Justitienrat bei der Landesregierung sowie Geheimer Referendar im Geheimen Konsilium, 1806 Geheimer Legationsrat. Im Geheimen Konsilium war er 1806 bis 1819 im sog. Reichsdepartement tätig. Als Mitglied sächsischer Delegationen nahm er u.a. an den Kaiserwahlen von 1790 und 1792 sowie an den Friedensverhandlungen in Rastatt (1797-1799) und Posen (1806) teil. Ab 1815 war G. als Mitglied der Friedensvollziehungskommission an den Verhandlungen mit Preußen über den Vollzug der sächsischen Gebietsabtretungen beteiligt. – Schriftstellerisch trat G. v.a. mit staats- bzw. völkerrechtlichen Publikationen hervor. 1777 veröffentlichte er einen Grundriss des europäischen Völkerrechts, dem 1787/92 eine zweibändige Abhandlung über das europäische Völkerrecht in Friedenszeiten folgte. 1788 und 1789 erschienen zwei Monografien über das kursächsische Privilegium de non appellando. In seiner einzigen archivfachlichen Publikation (Über die Einrichtung der Hauptarchive, besonders in teutschen Reichslanden) betonte G. 1783 aus aufklärerischer Perspektive den Nutzen der Archive für den Staat und seine Einwohner, gab Ratschläge für die Unterbringung, Ordnung und Verzeichnung von Archivbeständen und entwarf einen idealen „Archivplan“ für die Gliederung eines reichsständischen bzw. Landesarchivs.

Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 10697 Gesamtministerium, Nr. 553.

Werke De origine et auctoritate constitutionum Saxonicarum de anno 1572, Regensburg 1776; Grundriß eines europäischen Völkerrechts nach Vernunft, Verträgen, Herkommen und Analogie, Regensburg 1777; Über die Einrichtung der Hauptarchive, besonders in teutschen Reichslanden, Altenburg 1783; Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände, 2 Bde., Altenburg 1787/92; Das Privilegium de non appellando des Kur- und Fürstlichen Hauses Sachsen, Dresden/Leipzig 1788; Der unbegränzte Umfang der sächsischen Appellationsfreiheit, Dresden/Leipzig 1789.

Literatur Nekrolog, in: Leipziger Zeitung 28.2.1833, S. 509; A. Kobuch, Das Geheime Archiv in Dresden und Karl Gottlob G. (1752-1832). Archivtheoretische und archivpraktische Gedanken in Vorbereitung der Gründung des Hauptstaatsarchivs, in: Archivmitteilungen 35/1985, S. 190-195; K. Wensch/R. Groß/M. Kobuch, Archivgeschichte und Genealogie. Zur sozialen Herkunft leitender sächsischer Archivare, in: R. Groß/M. Kobuch (Hg.), Beiträge zur Archivwissenschaft und Geschichtsforschung, Weimar 1977, S. 146-167. – DBA I, III; DBE 4, S. 238; W. Leesch, Die deutschen Archivare 1500-1945, Bd. 2: Biographisches Lexikon, München u.a. 1992, S. 206.

Jörg Ludwig
19.3.2015


Empfohlene Zitierweise:
Jörg Ludwig, Artikel: Karl Gottlob Günther,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1862 [Zugriff 21.11.2024].

Karl Gottlob Günther



Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 10697 Gesamtministerium, Nr. 553.

Werke De origine et auctoritate constitutionum Saxonicarum de anno 1572, Regensburg 1776; Grundriß eines europäischen Völkerrechts nach Vernunft, Verträgen, Herkommen und Analogie, Regensburg 1777; Über die Einrichtung der Hauptarchive, besonders in teutschen Reichslanden, Altenburg 1783; Europäisches Völkerrecht in Friedenszeiten nach Vernunft, Verträgen und Herkommen mit Anwendung auf die teutschen Reichsstände, 2 Bde., Altenburg 1787/92; Das Privilegium de non appellando des Kur- und Fürstlichen Hauses Sachsen, Dresden/Leipzig 1788; Der unbegränzte Umfang der sächsischen Appellationsfreiheit, Dresden/Leipzig 1789.

Literatur Nekrolog, in: Leipziger Zeitung 28.2.1833, S. 509; A. Kobuch, Das Geheime Archiv in Dresden und Karl Gottlob G. (1752-1832). Archivtheoretische und archivpraktische Gedanken in Vorbereitung der Gründung des Hauptstaatsarchivs, in: Archivmitteilungen 35/1985, S. 190-195; K. Wensch/R. Groß/M. Kobuch, Archivgeschichte und Genealogie. Zur sozialen Herkunft leitender sächsischer Archivare, in: R. Groß/M. Kobuch (Hg.), Beiträge zur Archivwissenschaft und Geschichtsforschung, Weimar 1977, S. 146-167. – DBA I, III; DBE 4, S. 238; W. Leesch, Die deutschen Archivare 1500-1945, Bd. 2: Biographisches Lexikon, München u.a. 1992, S. 206.

Jörg Ludwig
19.3.2015


Empfohlene Zitierweise:
Jörg Ludwig, Artikel: Karl Gottlob Günther,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/1862 [Zugriff 21.11.2024].