Joseph Friedländer

Der als jüdischer Kaufmann in Bautzen lebende Joseph Friedländer wirkte während der Zeit der Befreiungskriege in der Spreestadt als Dolmetscher und Vermittler zwischen dem Militär und dem Stadtrat und setzte sich dabei uneigennützig für den Schutz und die Belange der Bevölkerung ein. – Friedländer absolvierte vermutlich in Preßburg (slowk. Bratislava, ungar. Pozsony) eine Ausbildung zum Handlungsgehilfen. 1787 bis 1795 arbeitete er an einem unbekannten Ort als Gehilfe und Schreiber für einen Juden Samuel aus Wilna (lit. Vilnius) und erlernte dabei die russische Sprache. Danach war Friedländer für ein jüdisches Handelshaus in Frankfurt/Oder tätig. Ab 1797 lebte er mit seiner Frau Henriette im Haus seines Schwiegervaters Joseph Rinkel in Schlichtingsheim (poln. Szlichtyngowa) bei Glogau (poln. Głogów), wo er als „Schutzjude“ ein eigenes Handelsgewerbe betrieb. – Im März 1813 kam Friedländer nach Dresden und von dort aus im Mai mit russischen Truppen nach Bautzen, wo er wegen seiner sehr guten Deutsch- und Russischkenntnisse als Dolmetscher und Vermittler zwischen dem russischen Militär, dem Stadtrat zu Bautzen und den Bürgern tätig war. Dank seiner Vermittlung vor und während der Schlacht bei Bautzen am 20./21.5.1813 verzichteten die Russen u.a. auf die Zerstörung von Brücken über die Spree sowie Plünderungen in der Stadt und in umliegenden Dörfern. Nach der Schlacht begab er sich zunächst nach Schlichtingsheim, kehrte aber schon im September wieder nach Bautzen zurück, wohin ihm seine Frau und seine Tochter Henriette folgten. Dort arbeitete er bis 1815 für das russische Militär und den Stadtrat als Dolmetscher. Mit diplomatischem Geschick setzte er sich dabei uneigennützig für die Belange und den Schutz der Zivilbevölkerung ein und half einzelnen Bürgern. – Wegen seiner großen Verdienste als Vermittler zum Wohl der Kommune und ihrer Einwohner sowie der Landbevölkerung im Kriegsjahr 1813 und darüber hinaus erteilten ihm die sächsischen Landesbehörden am 10.9.1815 die Erlaubnis zum Aufenthalt in der Spreestadt für die Dauer von zwei Jahren und eine Konzession zum Handel mit gebrauchter Bekleidung sowie Altwaren und -metall. Nachdem seine bereits einmal verlängerte Aufenthaltsgenehmigung 1819 abgelaufen war, sollte er mit seiner Familie aus Bautzen ausgewiesen werden. Da Friedländer, wohl aufgrund einer neuen preußischen Gesetzgebung, nicht nach Schlichtingsheim zurückkehren oder sich in einem anderen Ort in Preußen niederlassen konnte, wandte er sich an König Friedrich August I. mit der Bitte um die Aufhebung der Ausweisungsverfügung und um die Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung in der Stadt für sich und seine Angehörigen. Dies gestattete ihm der Landesherr am 15.6.1820 auf unbegrenzte Zeit unter der Bedingung, dass sein Verhalten zukünftig keinen Anlass zu Beschwerden gab und er mit seiner Handelstätigkeit selbst für seinen Lebensunterhalt sorgte. Zu dieser Zeit lebten die Friedländers im Haus Heringstraße 6 und ab 1830 in der Hohengasse 13. Hier gewährte Friedländer auf der Durchreise befindlichen Juden Quartier und hielt mit ihnen Hausandachten. Er war der einzige Jude, der mit seiner Familie dauerhaft in der Spreestadt leben durfte, feierte aber die Hohen Feste bei der jüdischen Gemeinde in Dresden. Seine zweite Tochter Louise besuchte in Bautzen die protestantische Schule und wurde von ihren Eltern in jüdischer Religion und hebräischer Sprache unterrichtet. 1837 gewährte der Stadtrat zu Bautzen Friedländer das Bürgerrecht der Stadt. – Nach dem Tod seiner Frau Henriette 1839 wurde der von Krankheit Gezeichnete zuerst von einer Verwandten ( Anna Flaschner) und ab dem Sommer 1840 von einer jüdischen Dienstmagd ( Marie Fischer) versorgt und gepflegt. Beide stammten aus Böhmisch Leipa (tschech. Česká Lípa) und hatten für ihren Dienst in Bautzen eine temporäre Aufenthaltsgenehmigung erhalten. Friedländers Töchter lebten zu dieser Zeit in Beuthen (poln. Bytom) beziehungsweise Wollstein (poln. Wolsztyn), Henriette war mit dem Kaufmann Salomon Schlochow Munk (Munck) und Louise mit dem Buchhändler Alexander Alexander verheiratet. Nach seinem Tod 1841 wurde Friedländer wie seine Frau nach Dresden überführt und auf dem Alten Jüdischen Friedhof beigesetzt. In die Geschichte von Bautzen ging Friedländer nicht wegen seiner Zugehörigkeit zur israelitischen Religionsgemeinschaft, sondern als „Helfer im Befreiungskriege“ im Dienst der Stadtgemeinde 1813 bis 1815 ein.

Quellen Stadtarchiv Bautzen, 62010-284 Acta die von der hiesigen Gold- und Silber-Arbeiter-Innung gegen 1. die resp. Kaufleute und Galanteriehaendler, Bauer & Haehnel, 2. die hiesige Guertler-Innung und 3. den Israeliten Friedländer, wegen resp. Handels mit neuen Silberwaaren, Fertigung derselben und des Handels mit altem Silber gefuehrte Beschwerde, 1833, 68001-685 Verzeichnis über in Bautzen ansässige Juden, 1820/1839; Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, 11131 Angelegenheiten des jüdischen Kultus und der jüdischen Schulen, 1834-1837; Sächsisches Staatsarchiv - Staatsfilialarchiv Bautzen, 50012 Kreishauptmannschaft Bautzen, 899 Gesuche des jüdischen Händlers Joseph Friedländers um Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung für Bautzen [Budissin] und um Genehmigung des Zuzuges einer israelischen Dienstmagd aus Böhmen, 1815-1840, 50347 Stadt Bautzen, 237 Nachlass des Joseph Friedländer, israelitischer [jüdischer] Handelsmann, Bautzen, Heringgasse Cat. Nr. 97, 1841.

Literatur Georg Pilk, Josef Friedländer, Bautzens Helfer im Befreiungskriege, in: Heimatklänge. Unterhaltungsbeilage zum Bautzener Tageblatt 7.2.1925, S. 1-3; Ehrhard Hartstock, Ein Jude namens Friedländer, in: Frank Stübner (Hg.), Oberlausitzer Hausbuch 1996, Bautzen 1995, S. 57-61; ders., Geduldet, angesehen und verfolgt. Aus der Geschichte der Juden in der Oberlausitz, Bautzen 1998, S. 36f., 45; Der Alte Jüdische Friedhof Dresden, hrsg. von HATiKVA. Bildungs- und Begegnungsstätte für jüdische Geschichte und Kultur Sachsen e.V., Teetz 2002, S. 252.

Hagen Schulz
5.9.2025


Empfohlene Zitierweise:
Hagen Schulz, Artikel: Joseph Friedländer,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27876 [Zugriff 30.10.2025].

Joseph Friedländer



Quellen Stadtarchiv Bautzen, 62010-284 Acta die von der hiesigen Gold- und Silber-Arbeiter-Innung gegen 1. die resp. Kaufleute und Galanteriehaendler, Bauer & Haehnel, 2. die hiesige Guertler-Innung und 3. den Israeliten Friedländer, wegen resp. Handels mit neuen Silberwaaren, Fertigung derselben und des Handels mit altem Silber gefuehrte Beschwerde, 1833, 68001-685 Verzeichnis über in Bautzen ansässige Juden, 1820/1839; Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 11125 Ministerium des Kultus und öffentlichen Unterrichts, 11131 Angelegenheiten des jüdischen Kultus und der jüdischen Schulen, 1834-1837; Sächsisches Staatsarchiv - Staatsfilialarchiv Bautzen, 50012 Kreishauptmannschaft Bautzen, 899 Gesuche des jüdischen Händlers Joseph Friedländers um Verlängerung seiner Aufenthaltsgenehmigung für Bautzen [Budissin] und um Genehmigung des Zuzuges einer israelischen Dienstmagd aus Böhmen, 1815-1840, 50347 Stadt Bautzen, 237 Nachlass des Joseph Friedländer, israelitischer [jüdischer] Handelsmann, Bautzen, Heringgasse Cat. Nr. 97, 1841.

Literatur Georg Pilk, Josef Friedländer, Bautzens Helfer im Befreiungskriege, in: Heimatklänge. Unterhaltungsbeilage zum Bautzener Tageblatt 7.2.1925, S. 1-3; Ehrhard Hartstock, Ein Jude namens Friedländer, in: Frank Stübner (Hg.), Oberlausitzer Hausbuch 1996, Bautzen 1995, S. 57-61; ders., Geduldet, angesehen und verfolgt. Aus der Geschichte der Juden in der Oberlausitz, Bautzen 1998, S. 36f., 45; Der Alte Jüdische Friedhof Dresden, hrsg. von HATiKVA. Bildungs- und Begegnungsstätte für jüdische Geschichte und Kultur Sachsen e.V., Teetz 2002, S. 252.

Hagen Schulz
5.9.2025


Empfohlene Zitierweise:
Hagen Schulz, Artikel: Joseph Friedländer,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/27876 [Zugriff 30.10.2025].