Johannes Drändorf

D. stammte aus einer in der Markgrafschaft Meißen ansässigen Familie des niederen Adels (die Lage der Burg Schlieben im früheren Kreis Schweinitz hat in der Literatur mehrfach zu Verwechslungen mit Schweidnitz in Niederschlesien geführt). Nach dem Besuch der Schule des Nikolaistiftes in Aken an der Elbe immatrikulierte sich D. 1408 an der Universität Prag, die er jedoch infolge des Kuttenberger Dekrets 1409 wieder verließ. Nach einem kurzzeitigen Besuch der neugegründeten Universität Leipzig (deren Matrikel ihn jedoch nicht verzeichnet) studierte er in Dresden und Zittau bei seinen früheren Prager Lehrern Peter von Dresden und Friedrich Eppinge. D. ist deshalb „der erste mit Namen bekannte Dresdner Kreuzschüler“ (H. Butte). In Zittau lernte D. Peter Turnau (Turnow) kennen. Als Peter von Dresden und Friedrich Eppinge 1412 wieder nach Prag zurückkehrten, sind D. und Turnau ihnen gefolgt und ließen sich in der Burse der Dresdner Studenten „Zur Schwarzen Rose“ nieder. Dass sie dort Gesinnungsgenossen des führenden Hussiten Nikolaus von Dresden geworden seien, wie verschiedentlich in der Literatur behaupt wird, beruht wohl auf dessen Verwechslung mit Peter von Dresden. Einen akademischen Studienabschluss strebte D. nicht an, da er der (v.a. in der kirchlichen Armutsbewegung seit langem verbreiteten) Überzeugung war, dass akademische Grade ein Mittel seien, mit denen der Teufel die wahre Kirche bekämpfe. 1417 gehörte D. zu jenen Hussiten, die auf Druck des böhmischen Adligen Cenék von Wartenberg durch den Prager Weihbischof auf Burg Lipnice zu Priestern geweiht werden mussten. Im Anschluss predigte D. zunächst in Prag und dann in Neuhaus (Südböhmen). – D. war einer der rührigsten deutschen Anhänger des Hussitismus. Seit Anfang 1424 zog er predigend von Prag über das Vogtland nach Franken, an den Oberrhein und nach Basel, dann rheinabwärts bis Brabant, schließlich nach Speyer (wo sein früherer Studiengefährte Peter Turnau mittlerweile als Leiter der Domschule wirkte), Heilbronn und in das nahe Weinsberg, wobei er viele Kontakte zu Gesinnungsgenossen knüpfte. Dabei begleitete ihn zumeist sein aus Sachsen stammender Diener Martin Borchard. Zum Verhängnis wurden D. seine Kontakte nach Weinsberg, über das seit 1422 die Reichsacht und seit 1424 das Interdikt verhängt war; in drei Briefen ermunterte D. die Bürgerschaft zum Widerstand gegen das Interdikt, weil es eine weltliche Auseinandersetzung betraf. Dadurch war D. nicht nur häretischer Äußerungen, sondern auch der Aufforderung zum Aufruhr verdächtig. In Heilbronn (Bistum Würzburg) wurde D. zu Beginn des Jahres 1425 verhaftet und an den Bischof von Worms überstellt, der ihm auf Wunsch Pfalzgraf Ludwigs III., eines energischen Gegners der Hussiten, in Heidelberg mit Unterstützung der Magister der Universität den Ketzerprozess machte. Die Prozessakten mit den Verhörprotokollen D.s, Peter Turnaus und Martin Borchards sind die wichtigste Quelle für das Leben dieser Hussiten, für ihre theologischen Überzeugungen und die vielfältigen Kontakte, die sie in Deutschland knüpften. Aus D.s Feder sind zudem mehrere Briefe und das Manifest „Misericors Deus“ überliefert, welches sich gegen ungerechte Exkommunikation, blinden kirchlichen Gehorsam und weltliche Herrschaft der Geistlichkeit richtete (1424 gemeinsam mit Turnau verfasst). Schriften und Äußerungen D.s zeugen von einem „unerbittlichen Prophetenernst“ (H. Heimpel). D. verwarf auch den Ablass, die Unfehlbarkeit der Konzilien, die Messfeier und den päpstlichen Primat. Seine Aussagen enthielten waldensische, wyclifitische und hussitische Positionen: D. verstand sich als Gesandter Christi, wobei er sich auf das Vorbild der alten Kirche und des Gesetzes Christi berief, um das Gebot der „reinen Armut Christi“ zu befolgen. Aufgrund der komplizierten Lehrentwicklungen unter den Hussiten ist es allerdings schwierig, D.s Auffassungen präzise einzuordnen. Da sich D. weigerte, seine Lehren zu widerrufen, wurde er am 17.2.1425 in Heidelberg als Ketzer verbrannt. Sein Gefährte Peter Turnau endete am 11.6.1425 ebenfalls auf dem Scheiterhaufen. Martin Borchard hingegen überlebte, indem er widerrief. D. gehört nicht zuletzt deshalb zu den bekanntesten deutschen Hussiten, weil Martin Luther und Philipp Melanchthon an seinen Märtyrertod erinnerten und ihn als Vorläufer der Reformation betrachteten.

Quellen H. Heimpel (Hg.), Drei Inquisitions-Verfahren aus dem Jahre 1425, Göttingen 1969.

Literatur H. Butte, Geschichte Dresdens bis zur Reformation, Köln u.a. 1967; K.-V. Selge, Heidelberger Ketzerprozesse in der Frühzeit der hussitischen Revolution, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 82/1971, S. 167-202; H. Heimpel, Die Vener von Gmünd und Straßburg 1162-1447, Göttingen 1982; F. Machilek, Deutsche Hussiten, in: F. Seibt (Hg.), Jan Hus, München 1997, S. 267-282; F. Smahel, Die Hussitische Revolution, Hannover 2002. – ADB 5, S. 373; DBA I, II, III; DBE 2, S. 606; NDB 4, S. 96; Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 1, Hamm 1990, Sp. 1376f.; Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, München u.a. 1991, Sp. 570.

Enno Bünz
9.3.2005


Empfohlene Zitierweise:
Enno Bünz, Artikel: Johannes Drändorf,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/18346 [Zugriff 2.11.2024].

Johannes Drändorf



Quellen H. Heimpel (Hg.), Drei Inquisitions-Verfahren aus dem Jahre 1425, Göttingen 1969.

Literatur H. Butte, Geschichte Dresdens bis zur Reformation, Köln u.a. 1967; K.-V. Selge, Heidelberger Ketzerprozesse in der Frühzeit der hussitischen Revolution, in: Zeitschrift für Kirchengeschichte 82/1971, S. 167-202; H. Heimpel, Die Vener von Gmünd und Straßburg 1162-1447, Göttingen 1982; F. Machilek, Deutsche Hussiten, in: F. Seibt (Hg.), Jan Hus, München 1997, S. 267-282; F. Smahel, Die Hussitische Revolution, Hannover 2002. – ADB 5, S. 373; DBA I, II, III; DBE 2, S. 606; NDB 4, S. 96; Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Bd. 1, Hamm 1990, Sp. 1376f.; Lexikon des Mittelalters, Bd. 5, München u.a. 1991, Sp. 570.

Enno Bünz
9.3.2005


Empfohlene Zitierweise:
Enno Bünz, Artikel: Johannes Drändorf,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/18346 [Zugriff 2.11.2024].