Heinrich Gottlieb Kühn

K. wirkte an der Königlichen Porzellanmanufaktur Meißen an leitender Stelle und war einer der bedeutenden technischen Neuerer und Erfinder. Er stellte die Manufaktur auf wissenschaftlich-ingenieurtechnischer Grundlage zum zeitgemäßen Fabrikbetrieb um. Darüber hinaus gilt K. als Erfinder des Glanzgolds. – K. war Schüler an der Kreuzschule Dresden und studierte 1804 bis 1809 an der Bergakademie Freiberg (Student Nr. 625) bei Wilhelm August Lampadius Chemie und Hüttenkunde sowie bei Abraham Gottlob Werner Mineralogie und Bergbaukunde. Zudem studierte er ab 1809 an der Universität Wittenberg Rechtswissenschaft und besuchte bis 1812 in Berlin Kurse mit chemischen und technischen Studien bei Martin Heinrich Klaproth und Sigismund Friedrich Hermbstädt. Nach dem Studium arbeitete er als Auditer am Bergamt Freiberg und wurde nach der Besetzung Sachsens 1814 Sekretär des russischen Generalgouvernements in der Kommission zur Revision der Porzellanmanufaktur Meißen. Im gleichen Jahr wurde er von Manufakturdirektor Carl Wilhelm von Oppel nach Meißen an die Königliche Porzellanmanufaktur geholt, an der er ab 1.7.1814 als technischer Inspektor wirkte. K. erfand 1827 das Glanzgold, das seitdem rohstoffsparend und arbeitsrationell neben dem bisherigen Poliergold verwendet wird. – Zusammen mit den 1816 eingestellten Bergakademieabsolventen Friedrich August Köttig und Carl Friedrich Selbmann widmete sich K. der Weiterentwicklung der Massen und Glasuren durch eine Erweiterung der Rohstoffbasis. So wurde in Seilitz neben dem werkeigenen Kaolinbergwerk eine Feinschlämmerei für diesen Rohstoff eingerichtet. 1817 untersuchte er die Kaolinvorkommen in Sornzig bei Mügeln hinsichtlich ihrer Verwendbarkeit für die Porzellanmanufaktur Meißen. Das Sornziger Kaolinvorkommen wurde auf dieser Grundlage 1836 bis 1840 aufgeschlossen und 1842 erstmals genutzt. Das 1821 entdeckte Schlettaer Kaolinvorkommen wurde ab 1849 für Lithophanien verwendet. Die feuerfesten Tone aus Mehren, Kaschka, Oberjahna, Löthain und Colditz wurden von K. hinsichtlich ihrer Verwendung untersucht und in der Brennkapselherstellung eingeführt. – Neben der Erweiterung der Rohstoffbasis widmete sich K. intensiv der Modernisierung und Mechanisierung des Manufakturbetriebs. So wurden zwischen 1815 und 1817 nach dem Vorbild der Porzellanmanufakturen in Berlin und Sévres (Frankreich) drei Etagenbrennöfen errichtet, die ca. 50 Prozent der Arbeitskraft einsparten. Ab 1817 wurden in den Produktionsräumen auf der Albrechtsburg Umbauten vorgenommen, die die Wege zwischen den Produktionsschritten verkürzten und rationalisierten. In der Porzellanformgebung wurde unter K. die Schablonendreherei und das Gießen nach dem Vorbild von Sévres eingeführt und 1819 die „Umtriebsmaschine“, d.h. eine Transmission, um u.a. Massemühlen und Schleifmaschinen anzutreiben. – Im Regierungsauftrag unternahm K. 1823 eine Reise nach Berlin, den Thüringer Wald, nach Frankreich, die Schweiz, München und Prag um ausländische Porzellanfabriken zu besuchen. Nach Oppels Tod 1833 übernahm K. die Leitung der Porzellanmanufaktur Meißen. – Auch im Rechnungswesen der Porzellanmanufaktur setzte K. zahlreiche Neuerungen durch, die u.a. die Senkung der Preise im Verkauf zur Folge hatten. K. entwickelte 1837 die Lüster- und Schillerfarben. Die Brennöfen wurden 1839 von Holz- auf Kohlenfeuerung umgestellt. 1852 wurden die Brennöfen für die Aufglasurdekore nach einem holzsparenden System vollständig umgebaut und 1860 experimentierte K. mit Kohlengas als Brennstoff. 1853 wurde die erste Dampfmaschine als Antrieb der Transmission aufgestellt. – Ab 1.10.1849 wurde der bisherige Kommissionsrat K. zum Direktor der Königlichen Porzellanmanufaktur ernannt und ihm der Titel Bergrat verliehen. Das war eine Maßnahme, um einem preußischen Abwerbeversuch an die Berliner Porzellanmanufaktur zu begegnen. In dieser Stellung blieb er bis zu seinem Tod 1870. – Ab 1857 plante K. zusammen mit den Landbaumeistern Carl Moritz Haenel und Robert Schmidt den Bau einer neuen Betriebsstätte für die Porzellanmanufaktur im äußeren Triebischtal. Ziel dieser Planung war es, die Fabrikation rationell zu gestalten. Dies wollte man durch eine übersichtliche Anordnung und Aufstellung der Betriebsabläufe erreichen, was in den Räumlichkeiten der Albrechtsburg nicht möglich war. Der Bau, der von dem Architekten Otto Wanckel konzipiert worden war, begann 1860 und wurde 1863 fertiggestellt. Der daraufhin beginnende Umzug der Betriebsmittel von der Albrechtsburg zur Talstraße wurde im März 1864 abgeschlossen. Danach begann die Würdigung und Pflege der Albrechtsburg als Baudenkmal. – K. war von deren Aufstellung 1830 an bis um 1848 Kommandeur der Meißner Kommunalgarde. Ihm wurde 1860 das Komturkreuz II. Klasse des königlich sächsischen Zivilverdienstordens verliehen.

Quellen Frauenkirchgemeinde St. Afra Meißen, Sterberegister.

Literatur Willi Goder, Über den Einfluss der Produktivkräfte des sächsischen Berg- und Hüttenwesens, insbesondere der Freiberger Montanwissenschaften auf die Erfindung und technologische Entwicklung des Meissener Porzellans als Ausgangspunkt der europäischen Porzellanindustrie, Diss. Freiberg 1978. – DBA II, III; DBE II 6, S. 121; NDB 13, S. 191f.

Porträt Porträt Heinrich Gottlieb Kühn, Fotoabzug einer undatierten Lithografie, Staatliche Porzellan-Manufaktur Meißen GmbH, Historische Sammlungen (Bildquelle).

Steffen Förster
20.4.2023


Empfohlene Zitierweise:
Steffen Förster, Artikel: Heinrich Gottlieb Kühn,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/17856 [Zugriff 2.11.2024].

Heinrich Gottlieb Kühn



Quellen Frauenkirchgemeinde St. Afra Meißen, Sterberegister.

Literatur Willi Goder, Über den Einfluss der Produktivkräfte des sächsischen Berg- und Hüttenwesens, insbesondere der Freiberger Montanwissenschaften auf die Erfindung und technologische Entwicklung des Meissener Porzellans als Ausgangspunkt der europäischen Porzellanindustrie, Diss. Freiberg 1978. – DBA II, III; DBE II 6, S. 121; NDB 13, S. 191f.

Porträt Porträt Heinrich Gottlieb Kühn, Fotoabzug einer undatierten Lithografie, Staatliche Porzellan-Manufaktur Meißen GmbH, Historische Sammlungen (Bildquelle).

Steffen Förster
20.4.2023


Empfohlene Zitierweise:
Steffen Förster, Artikel: Heinrich Gottlieb Kühn,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/17856 [Zugriff 2.11.2024].