Emil Menke-Glückert

M. erwarb sich als Ministerialbeamter Verdienste um das sächsische Volksbildungswesen. – Zunächst besuchte M. die Volksschule und ab 1895 das Realgymnasium in Gotha, das er 1903 mit dem Abitur verließ. Es folgte ein Studium der Kulturgeschichte, Philosophie und Germanistik an den Universitäten Leipzig und Berlin. M. war ein Schüler Karl Lamprechts und promovierte 1906 mit der Dissertationsschrift „ Goethe als Geschichtsphilosoph und die geschichtsphilosophische Bewegung seiner Zeit“. 1907 arbeitete M. als wissenschaftlicher Hilfslehrer an der Realschule beim Doventor in Bremen und legte im selben Jahr mit Erfolg die Staatsprüfung für das höhere Lehramt ab. Von Oktober 1907 bis März 1911 war er als Oberlehrer am Alten Gymnasium in Bremen tätig. In dieser Zeit begründete er mit dem „Wissenschaftlichen Vorlesungswesen“ eine Art Volkshochschule. 1912 habilitierte sich M. an der Universität Leipzig mit der Schrift „Die Geschichtsschreibung der Reformation und Gegenreformation. Bodin und die Begründung der Geschichtsmethodologie durch Bartholomäus Keckermann“. Anschließend arbeitete er als Privatdozent am Institut für Kultur- und Universalgeschichte an der Universität Leipzig. Ehe er eine ihm angetragene Stelle zur wissenschaftlichen Verwertung der kulturgeschichtlichen Schätze im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg antreten konnte, erfolgte im März 1920 die Berufung zum Ministerialrat (Geheimer Schulrat) im Ministerium des Kultus und Öffentlichen Unterrichts (ab September 1923 Ministerium für Volksbildung), das sich zu jener Zeit unter der Leitung von Richard Seyfert (DDP) befand. Seit 1924 war M. wesentlich mit der Neuordnung des sächsischen höheren Schulwesens befasst, dessen Grundsätze er 1926 in einer namens des Volksbildungsministeriums publizierten Denkschrift darlegte. Hiernach folgte die Reform einer ausgangs des 19. Jahrhunderts einsetzenden Vereinheitlichungstendenz, welche die Vielzahl der höheren Schultypen verringerte zugunsten einer „gegliederten höheren Einheitsschule“. Dabei handelte es sich um eine Form der höheren Schule, bei der im Unter- und Mittelbau der Lehrplan möglichst gleichartig war und erst auf der Oberstufe das Charakteristische der einzelnen Schulformen hervortrat. Neben dieser Aufgabe übte M. verschiedene Funktionen aus: Er war Referent für das wissenschaftliche Prüfungswesen an den Hochschulen Sachsens, Mitglied der Dresdner Prüfungskommission für die Lehrerprüfungen in den Fächern Musik, Zeichnen und Turnen sowie Vorsitzender der wissenschaftlichen Prüfungskommission für die Kandidaten des höheren Schulamts und der Pädagogik sowie ihrer sprachlich-geschichtlichen Abteilung. M. vertrat auch den Freistaat Sachsen im Ausschuss für das Unterrichtswesen in Berlin, der ab 1924 in der Nachfolge des Reichsschulausschusses die bildungspolitische Zusammenarbeit der deutschen Länder koordinierte. Er war Mitglied eines Gutachtergremiums für deutsches Schulwesen im Ausland und erwarb sich Verdienste um die Förderung der Volkshochschulbewegung in Sachsen. Gleichzeitig war M. an der Technischen Hochschule Dresden ab 1922 als Privatdozent für Geschichte und 1924 bis Juni 1934 als Honorarprofessor für Staatswissenschaften in der Abteilung für Kulturwissenschaften tätig. Er veranstaltete Vorlesungen und Übungen zur deutschen Geschichte, zur Geschichtsschreibung und zur Entwicklung der politischen Parteien. Außerdem betrieb er Forschungen zur Frankfurter Nationalversammlung. – Politisch engagierte sich M. 1919 als Gemeindrat in Gaschwitz bei Leipzig. Im selben Jahr trat er der DDP bei und wurde zum Abgeordneten der Sächsischen Volkskammer gewählt, wo er dem Gesetzgebungsausschuss angehörte. 1924 wurde er als Mitglied in den „Staatsgerichtshof zum Schutze der Republik“ in Leipzig berufen und gehörte ihm bis zu dessen Abschaffung 1926 an. 1930 bis 1932 war er Vorsitzender der Ortsgruppe Dresden der Deutschen Staatspartei und erklärte sich frühzeitig öffentlich als Gegner des Nationalsozialismus. Nach der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ wurde M. 1934 in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Er verlor seine Professur und wurde gezwungen, den Vorsitz in der Goethe-Gesellschaft niederzulegen. Aufgrund seiner Unterstützung einer jüdischen Familie wurde ein Disziplinarverfahren gegen ihn eröffnet, das sich jahrelang hinzog und mit großen persönlichen Opfern verbunden war. Im Zweiten Weltkrieg verlor M. seine drei Söhne. Die Wohnungseinrichtung samt der mehr als 10.000 Bände zählenden Bibliothek fiel einem Fliegerangriff zum Opfer. – Nach der Kapitulation des Deutschen Reichs wurde M. im Juni 1945 in die neue Landesverwaltung Sachsens berufen, wo ihm zunächst bis September 1945 die kommissarische Leitung der Abteilung Volksbildung im Ressort Inneres und Volksbildung übertragen wurde. Parallel dazu übernahm er im Juli 1945 als Ministerialdirektor im Büro des Präsidenten (und späteren sächsischen Ministerpräsidenten) Rudolf Friedrichs die Abteilung Zentralverwaltung für Bildung und Schule (seit Oktober 1945 Zentralverwaltung für Wissenschaft, Kunst und Erziehung). Ende Januar 1946 wurde die Behörde dem nunmehr selbstständigen Ressort Volksbildung angegliedert, wo M. aufgrund seiner antifaschistischen Grundhaltung sowie seines pädagogisch-wissenschaftlichen und bildungspolitischen Sachverstands als Staatssekretär die Abteilung Wissenschaft und Forschung übernahm. Aus gesundheitlichen Gründen schied M. im Juli 1946 aus der Landesverwaltung aus. Er konzentrierte sich sodann auf seine Tätigkeit als hauptamtlicher Parteifunktionär. Bereits im Juli 1945 war M. in Dresden Mitbegründer und Vorstandsmitglied der DPD (seit August 1945 LDP, seit 1951 LDPD). Im Landesvorstand der Partei führte M. den stellvertretenden, von Dezember 1945 bis April 1947 den geschäftsführenden Vorsitz. Für die LDP übernahm er die organisatorischen Vorbereitungen für die Gemeinde- und Landtagswahlen und referierte auf Parteitagen über demokratische Kultur und Politik. Seit Januar 1946 war M. zudem Vorsitzender der Landesleitung Sachsen des „Kulturbunds zur demokratischen Erneuerung Deutschlands“, die er einen Monat zuvor als Vorstandsmitglied im Initiativkomitee mit konstituiert hatte. Nach langwieriger Krankheit verstarb M. am 13.1.1948 in Dresden.

Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 12737 Personennachlass Emil M., 11125 Ministerium des Kultus und Öffentlichen Unterrichts, Nr. 15432, Personalakte M.; TU Dresden, Universitätsarchiv, Professorenkatalog und -dokumentation.

Werke Goethe als Geschichtsphilosoph und die geschichtsphilosophische Bewegung seiner Zeit, Diss. Leipzig 1907; Die Geschichtsschreibung der Reformation und Gegenreformation, Habil. Osterwieck 1912 (ND Leipzig 1971); Die Novemberrevolution 1918, Leipzig 1919; Über das deutsche Gymnasium, in: Sächsische Schulzeitung 87/1920, S. 593-596; mit P. Börner, Erinnerungen eines Revolutionärs, 2 Bde., Leipzig 1920; Zur Neuordnung des höheren Schulwesens in Sachsen, Dresden 1926; Das höhere Schulwesen in Sachsen, in: Zeitschrift für Kommunalwirtschaft 18/1928, Sp. 923-932; Tausend Jahre Bildungs- und Schulgeschichte Sachsens, in: K. Großmann (Hg.), Sachsen, Berlin/München 1929, Berlin ²1937, S. 87-114; Goethe in Dresden, Dresden 1936; Saßen einmal Kelten in Sachsen?, in: Rasse 4/1937, S. 294-303; Warum missionieren in Deutschland irische Mönche?, in: Forschungen und Fortschritte 14/1938, S. 53f.; Verein Volkswohl 1888-1938, Dresden 1939.

Literatur K. Koloc (Hg.), 125 Jahre Technische Hochschule Dresden 1828-1953, Dresden 1953, S. 62; H. Schleier, Die bürgerliche deutsche Geschichtsschreibung der Weimarer Republik, Bd. 2, Berlin 1975, S. 602 (P); M. Broszat/H. Weber (Hg.), SBZ-Handbuch, München 1990, S. 134, 142, 566, 718, 729; J. Frotscher, Volksschullehrerausbildung in Dresden 1923-1931, Köln u.a. 1997; A. Thüsing, Landesverwaltung und Landesregierung in Sachsen 1945-1952, Frankfurt/Main 2000, S. 61, 91, 161; J. Rohbeck/H.-U. Wöhler (Hg.), Auf dem Weg zur Universität, Dresden 2001, S. 408; A. Reichel, Die sächsische Schulreform in der Weimarer Republik, Dresden 2013 [MS]. – DBA II, III; H. A. L. Degener (Hg.), Wer ist’s?, Berlin 101935, S. 1056; D. Petschel (Bearb.), Die Professoren der TU Dresden 1828-2003, Köln 2003, S. 618.

Porträt Emil M., Fotografie, um 1930, Technische Universität Dresden, Universitätsarchiv, Fotoarchiv (Bildquelle).

Andreas Reichel
9.7.2013


Empfohlene Zitierweise:
Andreas Reichel, Artikel: Emil Menke-Glückert,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/17815 [Zugriff 24.4.2024].

Emil Menke-Glückert



Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 12737 Personennachlass Emil M., 11125 Ministerium des Kultus und Öffentlichen Unterrichts, Nr. 15432, Personalakte M.; TU Dresden, Universitätsarchiv, Professorenkatalog und -dokumentation.

Werke Goethe als Geschichtsphilosoph und die geschichtsphilosophische Bewegung seiner Zeit, Diss. Leipzig 1907; Die Geschichtsschreibung der Reformation und Gegenreformation, Habil. Osterwieck 1912 (ND Leipzig 1971); Die Novemberrevolution 1918, Leipzig 1919; Über das deutsche Gymnasium, in: Sächsische Schulzeitung 87/1920, S. 593-596; mit P. Börner, Erinnerungen eines Revolutionärs, 2 Bde., Leipzig 1920; Zur Neuordnung des höheren Schulwesens in Sachsen, Dresden 1926; Das höhere Schulwesen in Sachsen, in: Zeitschrift für Kommunalwirtschaft 18/1928, Sp. 923-932; Tausend Jahre Bildungs- und Schulgeschichte Sachsens, in: K. Großmann (Hg.), Sachsen, Berlin/München 1929, Berlin ²1937, S. 87-114; Goethe in Dresden, Dresden 1936; Saßen einmal Kelten in Sachsen?, in: Rasse 4/1937, S. 294-303; Warum missionieren in Deutschland irische Mönche?, in: Forschungen und Fortschritte 14/1938, S. 53f.; Verein Volkswohl 1888-1938, Dresden 1939.

Literatur K. Koloc (Hg.), 125 Jahre Technische Hochschule Dresden 1828-1953, Dresden 1953, S. 62; H. Schleier, Die bürgerliche deutsche Geschichtsschreibung der Weimarer Republik, Bd. 2, Berlin 1975, S. 602 (P); M. Broszat/H. Weber (Hg.), SBZ-Handbuch, München 1990, S. 134, 142, 566, 718, 729; J. Frotscher, Volksschullehrerausbildung in Dresden 1923-1931, Köln u.a. 1997; A. Thüsing, Landesverwaltung und Landesregierung in Sachsen 1945-1952, Frankfurt/Main 2000, S. 61, 91, 161; J. Rohbeck/H.-U. Wöhler (Hg.), Auf dem Weg zur Universität, Dresden 2001, S. 408; A. Reichel, Die sächsische Schulreform in der Weimarer Republik, Dresden 2013 [MS]. – DBA II, III; H. A. L. Degener (Hg.), Wer ist’s?, Berlin 101935, S. 1056; D. Petschel (Bearb.), Die Professoren der TU Dresden 1828-2003, Köln 2003, S. 618.

Porträt Emil M., Fotografie, um 1930, Technische Universität Dresden, Universitätsarchiv, Fotoarchiv (Bildquelle).

Andreas Reichel
9.7.2013


Empfohlene Zitierweise:
Andreas Reichel, Artikel: Emil Menke-Glückert,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/17815 [Zugriff 24.4.2024].