Bruno Albert Wünsch

In W.s Wanderbühne vereinten sich zwei traditionsreiche sächsische Marionettentheater. W. selbst stammte aus einer der wenigen heute noch bekannten Marionettenspielerfamilien Sachsens, deren Spieltradition nachweislich bis ins 18. Jahrhundert zurückreicht. – W. trat zunächst in den Sommermonaten mit seinem Bruder Bruno Edmund unter dem Namen „Arena Gebrüder Wünsch“ als Seilkünstler auf. In den Wintermonaten unterhielten sie ein Marionettentheater, mit dem sie die sächsische Tiefebene zwischen Dresden und Leipzig bereisten. Nach einem Sturz verlegte sich W. ganz auf das Marionettenspiel. Nach seiner Heirat stieg er in das Theatergeschäft seiner Schwiegermutter Auguste Bonneschky ein. Von nun an nannte sich ihre Wanderbühne „Bonneschky-Wünsch“. Ihr Repertoire glich dem anderer Marionettenbühnen der Zeit und Region und bestand aus regionalen Sagen und Volksbüchern. Berühmt war der Faust-Text der Familie Bonneschky, den W. übernahm. In ihm spielte Kasper, wie in den meisten Faust-Texten der Marionettenbühne des 19. Jahrhunderts, die Hauptrolle. Im Zentrum stand weniger der Seelenhandel als die Teufelserscheinungen, Fausts Zauberkünste und seine Höllenfahrt. Es kam in erster Linie auf die Theatereffekte und die damit verbundenen Überraschungen an. Wilhelm Hamm hatte diese Faust-Version 1850 aufgezeichnet und herausgegeben. W. schloss 1887 Bekanntschaft mit dem Medizinprofessor Artur Kollmann aus Leipzig, der sich für Puppenspiel als alte Volkskunst interessierte und W.s Theater unterstützte. Kollmanns Empfehlungsschreiben ermöglichten W. Auftritte in verschiedenen Gemeinden im Leipziger Umland. Auch spielte er seitdem regelmäßig auf den Leipziger Messen. 1911 ließ er sich als „Albert Wünschs Marionettentheater“ in Meißen nieder. In den Sommermonaten ging W. auf Gastspielreise. Nachdem Kollmann 1912 die „Leipziger Puppenspiele“ gegründet hatte, wurde W. jedes Jahr zu deren Sommerspielen eingeladen. Auch nach Übergabe der Leitung des Marionettentheaters an seinen Sohn Johannes hat W. offenbar bis zu seinem Tod selbst noch gespielt. Unter der Führung von Johannes Wünsch vergrößerte sich das Unternehmen, sodass saisonal sogar Musiker angestellt werden konnten. Neben dem traditionellen Repertoire wie „Dr. Faust“ und den Theatrum mundi-Szenen, mechanisch bewegliche Szenen von exotischen Landschaften und historischen Ereignissen, entstanden Singspiele, von Johannes und seiner Frau gesungen, und Märcheninszenierungen, um der entstehenden Nachfrage nach Kindertheater nachzukommen, sowie Ballette mit Varietémarionetten. Der größer werdenden Konkurrenz durch die Vergnügungsindustrie wie dem Kino begegnete Johannes Wünsch mit Flexibilität, sodass die väterliche Bühne bis nach dem Zweiten Weltkrieg bestehen konnte. In den Nachkriegsjahren fiel das Spiel auf Messen weg. Johannes und sein Bruder Camillo spielten nun zusätzlich mit zwei Handpuppenbühnen in sozialen Einrichtungen und verlegten sich auf die pädagogische Verwendung des Puppenspiels. Doch die 1951/52 einsetzende staatliche Zensur, die das traditionelle Repertoire verbot, machte ihnen ein Fortbestehen unmöglich. Der neuen Ideologie entsprechende Stücke gab es nicht, und die von der Kasperfigur bereinigten selbst erdachten Stücke der Wünsch-Bühne wurden abgelehnt. So nahm die Wandermarionettenbühne der Familie Wünsch in den 1950er-Jahren ihr Ende. Einige Marionetten von W. befinden sich heute im Puppentheatermuseum des Münchner Stadtmuseums. Das Theater von W.s Bruder Bruno Edmund wurde 1951 verkauft und gelangte 1952 in die Staatliche Puppentheatersammlung Dresden.

Quellen Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Archiv der Puppentheatersammlung, Spielerakte Familie Wünsch.

Literatur O. Bernstengel, Sächsisches Wandermarionettentheater, Dresden/Basel 1995; K. Bille, Chronik der Marionettenspieler aus Sachsen, Hameln 21999.

Porträt Albert W., 1895, Foto, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Puppentheatersammlung, Fotoarchiv (Bildquelle).

Dorothee Carls
23.6.2006


Empfohlene Zitierweise:
Dorothee Carls, Artikel: Bruno Albert Wünsch,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/22930 [Zugriff 4.11.2024].

Bruno Albert Wünsch



Quellen Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Archiv der Puppentheatersammlung, Spielerakte Familie Wünsch.

Literatur O. Bernstengel, Sächsisches Wandermarionettentheater, Dresden/Basel 1995; K. Bille, Chronik der Marionettenspieler aus Sachsen, Hameln 21999.

Porträt Albert W., 1895, Foto, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Puppentheatersammlung, Fotoarchiv (Bildquelle).

Dorothee Carls
23.6.2006


Empfohlene Zitierweise:
Dorothee Carls, Artikel: Bruno Albert Wünsch,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/22930 [Zugriff 4.11.2024].