Ruth Seydewitz

Obwohl sie aus Oppeln stammte, wuchs S. als in Breslau (poln. Wrocław) auf. Nach dem Besuch des dortigen Lyzeums ging sie auf die Breslauer Handelsschule und erlernte den Beruf der Schneiderin. Als Gasthörerin besuchte S. die Schlesische Friedrich-Wilhelms-Universität zu Breslau, wobei sie v.a. Veranstaltungen zur Philosophie und Kunstgeschichte interessierten. S., die sich in ihrer Jugend im zionistischen Jugendverband Blau-Weiß sowie im Wandervogel engagierte, kam durch ihren Bruder frühzeitig in Kontakt mit sozialdemokratischen und sozialistischen Kreisen und trat 1923 der SPD bei. Im gleichen Jahr ging sie nach Wien und setzte ihre Ausbildung an der Kunstgewerbeschule fort. Hier machte sie die Bekanntschaft mit dem Austromarxisten Max Adler. 1924 kam sie zurück nach Breslau und arbeitete im elterlichen Konfektionsgeschäft. Zugleich engagierte S. sich verstärkt politisch. Sie wurde Vorsitzende der Jungsozialisten in Oppeln und fuhr 1927 als Delegierte der oberschlesischen Jungsozialisten nach Brüssel zum Kongress der Sozialistischen Arbeiter-Internationale. Hier lernte sie Max Seydewitz kennen, den sie wenig später heiratete. – S. zog nach Zwickau und wurde 1928 Mitarbeiterin ihres Ehemanns beim „Sächsischen Volksblatt“. 1929 bis 1933 war sie Verlagsleiterin der Marxistischen Verlagsgesellschaft m.b.H. in Berlin. Ab März 1931 war sie zudem Chefredakteurin der Zeitschrift „Der Klassenkampf - Marxistische Blätter“. Der politischen Linie ihres Ehemanns folgend, trat sie 1931 der linkssozialistischen SAP bei und wurde Mitherausgeberin der SAP-Wochenzeitschrift „Was ist los in Berlin?“. – Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten emigrierte S. mit ihrer Familie - zu der auch die drei Söhne ihres Manns aus erster Ehe gehörten - im April 1933 in die Tschechoslowakei, wo S. als Sekretärin für Friedrich Bill, den Generalsekretär der deutschen Sektion der tschechoslowakischen Liga für Menschrechte und Mitbegründer der Demokratischen Flüchtlingshilfe, arbeitete. Zudem wirkte sie bis zur Denunziation für die Zeitschrift „Aufruf - Streitschrift für Menschenrechte“. Nach dem Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft floh die Familie Seydewitz 1938 über Holland zunächst nach Norwegen und 1940 nach Schweden. In Stockholm schrieb S. unter den Pseudonymen Georg Krüger und Rosa Winzer einige Artikel für die kommunistische Zeitschrift „Die Welt“. Aufgrund ihrer politischen Aktivitäten für die KPD - S. war 1942 der Partei beigetreten - wurden S. und Max Seydewitz 1943 später nach Lund (Schweden) verbannt. – Nach der Rückkehr im Dezember 1945 arbeitete S. als Redakteurin für den Dietz-Verlag in Berlin. Sie leitete das Volksbildungsamt in Teltow und gründete den Verlag „Neues Leben“. 1946 schloss sie sich der SED an und war Mitgründerin des Demokratischen Frauenbunds Deutschlands (DFD) 1946 in Berlin sowie Leiterin der Kulturkommission. 1946/1947 war sie Mitglied der KPD- bzw. SED-Kreisleitung Teltow. Nach der Ernennung von Max Seydewitz zum sächsischen Ministerpräsidenten zog S. 1947 nach Dresden und wurde Leiterin der Pressestelle der Landesregierung Sachsen. Später wurde sie zur Landessekretärin und Vorsitzenden des Kulturbunds zur demokratischen Erneuerung Deutschlands in Sachsen ernannt. Ab 1947 war sie Mitglied im DFD-Landesvorstand in Sachsen und Leiterin der dortigen Kulturkommission. Neben ihrem parteipolitischen Engagement in verschiedenen Positionen arbeitete S. als freischaffende Schriftstellerin. Außerdem beteiligte sie sich am Aufbau der Jugendwerkhöfe. Seit 1951 war sie Landesvorsitzende des DDR-Kulturbunds. 1958 bis 1962 war S. Stadtverordnete in Dresden, ab 1960 Mitglied im Friedensrat der DDR und 1963 bis 1967 Mitglied der SED-Leitung im Deutschen Schriftstellerverband. Ebenso wurde sie Mitglied im Bezirksvorstand Dresden und Mitglied der Kulturkommission des Zentralvorstands der Gesellschaft für Deutsch-Sowjetische Freundschaft (DSF). Im Rahmen ihres schriftstellerischen und politischen Engagements erhielt S. mehrere Auszeichnungen, so die Auszeichnung als Aktivistin des Zweijahresplans (1950), die Medaille für Kämpfer gegen den Faschismus 1933-1945 (1958), die Deutsche Friedensmedaille (1959), den Vaterländischen Verdienstorden in Bronze (1961), den Martin-Andersen-Nexö-Kunstpreis der Stadt Dresden (1962), die DSF-Ehrennadel in Gold (1963), die Artur-Becker-Medaille in Gold (1964), den Vaterländischen Verdienstorden in Bronze (1965), die DFD-Ehrennadel in Gold (1965), die Johannes-R.-Becher-Medaille in Gold (1965), die Verdienstmedaille der DDR (1970) und andere Auszeichnungen.

Werke Was der Tunnel erzählt, 1955; Wo das Leben ist, Berlin 1956; mit Max Seydewitz, Der Antisemitismus in der Bundesrepublik, Berlin 1956 (ND 1956 [niederl.], ND 1956 [dän.], ND 1956 [engl.]); mit Max Seydewitz, Das Dresdener Galeriebuch. 400 Jahre Dresdener Gemäldegalerie, Dresden 1957, 61964 (ND Moskau [1965]); Von Grafen, Baronen und der neuen Zeit, 1957; Das Glückskind, Dresden 1958; Das Neue Dresden, Berlin 1959, 21961; Dresden - geliebte Stadt, Dresden 1960; mit Max Seydewitz, Die Dresdner Kunstschätze. Zur Geschichte des Grünen Gewölbes und anderen Dresdner Kunstsammlungen, Dresden 1960, 21962; Der Klasse treuer Kämpfer. Aus dem Leben von Otto Buchwitz, Berlin 1961; Wenn die Madonna reden könnte. Schätze der Weltkultur der Menschheit bewahrt, Berlin 1962, Leipzig 101988 (ND Prag 1978 [tschech.]); mit Max Seydewitz, Die Dame mit dem Hermelin. Der größte Kunstraub aller Zeiten, Berlin 1963 (ND Prag 1964 [tschech.]; ND Budapest 1965 [ungar.]; ND Krakau 1966 [poln.]; ND Moskau 1966 [russ.]; ND Tallinn 1970 [estn.]; ND Bukarest 1979 [rumän.]); mit Max Seydewitz, Der verschenkte Herkules. Geschichte um Bilder, Berlin 1969, 31972 (ND Moskau 1975 [russ.]; ND Prag 1977 [tschech.]; ND Bratislava 1981 [slowak.]); Liebe durch die Jahrhunderte. Von Minnesang, Frauenrecht und Menschenglück, Leipzig/Jena/Berlin 1970, 31975; Alle Menschen haben Träume. Meine Zeit - Mein Leben, Berlin 1976, Berlin 41985.

Literatur Hanno Drechsler, Die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD), Meisenheim/Glan 1965, S. 21, 170, 197; Werkverzeichnis der Schriftsteller des Deutschen Schriftstellerverbandes, Bezirk Dresden, hrsg. vom Deutschen Schriftstellerverband, Dresden 1973; Max Seydewitz, Es hat sich gelohnt zu leben, 2 Bde., Berlin 1976/1980; H. Mager, Laudatio auf ein Leben, in: Sächsische Zeitung Dresden 26.6.1950, S. 6. – DBA II, III; Werner Röder/Herbert A. Strauss (Hg.), Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933, Bd. 1, München u.a. 1980, S. 691f.; Manja Finnberg, Ruth S. (1905-1989), in: Gisela Notz (Hg.), Wegbereiterinnen. Berühmte, bekannte und zu Unrecht vergessene Frauen aus der Geschichte, Neu-Ulm 2018, S. 297.

Porträt Ruth S., Barbara Morgenstern, Fotografie (Positiv), Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).

Cornelia Herold
1.11.2009


Empfohlene Zitierweise:
Cornelia Herold, Artikel: Ruth Seydewitz,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/9999 [Zugriff 26.11.2024].

Ruth Seydewitz



Werke Was der Tunnel erzählt, 1955; Wo das Leben ist, Berlin 1956; mit Max Seydewitz, Der Antisemitismus in der Bundesrepublik, Berlin 1956 (ND 1956 [niederl.], ND 1956 [dän.], ND 1956 [engl.]); mit Max Seydewitz, Das Dresdener Galeriebuch. 400 Jahre Dresdener Gemäldegalerie, Dresden 1957, 61964 (ND Moskau [1965]); Von Grafen, Baronen und der neuen Zeit, 1957; Das Glückskind, Dresden 1958; Das Neue Dresden, Berlin 1959, 21961; Dresden - geliebte Stadt, Dresden 1960; mit Max Seydewitz, Die Dresdner Kunstschätze. Zur Geschichte des Grünen Gewölbes und anderen Dresdner Kunstsammlungen, Dresden 1960, 21962; Der Klasse treuer Kämpfer. Aus dem Leben von Otto Buchwitz, Berlin 1961; Wenn die Madonna reden könnte. Schätze der Weltkultur der Menschheit bewahrt, Berlin 1962, Leipzig 101988 (ND Prag 1978 [tschech.]); mit Max Seydewitz, Die Dame mit dem Hermelin. Der größte Kunstraub aller Zeiten, Berlin 1963 (ND Prag 1964 [tschech.]; ND Budapest 1965 [ungar.]; ND Krakau 1966 [poln.]; ND Moskau 1966 [russ.]; ND Tallinn 1970 [estn.]; ND Bukarest 1979 [rumän.]); mit Max Seydewitz, Der verschenkte Herkules. Geschichte um Bilder, Berlin 1969, 31972 (ND Moskau 1975 [russ.]; ND Prag 1977 [tschech.]; ND Bratislava 1981 [slowak.]); Liebe durch die Jahrhunderte. Von Minnesang, Frauenrecht und Menschenglück, Leipzig/Jena/Berlin 1970, 31975; Alle Menschen haben Träume. Meine Zeit - Mein Leben, Berlin 1976, Berlin 41985.

Literatur Hanno Drechsler, Die Sozialistische Arbeiterpartei Deutschlands (SAPD), Meisenheim/Glan 1965, S. 21, 170, 197; Werkverzeichnis der Schriftsteller des Deutschen Schriftstellerverbandes, Bezirk Dresden, hrsg. vom Deutschen Schriftstellerverband, Dresden 1973; Max Seydewitz, Es hat sich gelohnt zu leben, 2 Bde., Berlin 1976/1980; H. Mager, Laudatio auf ein Leben, in: Sächsische Zeitung Dresden 26.6.1950, S. 6. – DBA II, III; Werner Röder/Herbert A. Strauss (Hg.), Biographisches Handbuch der deutschsprachigen Emigration nach 1933, Bd. 1, München u.a. 1980, S. 691f.; Manja Finnberg, Ruth S. (1905-1989), in: Gisela Notz (Hg.), Wegbereiterinnen. Berühmte, bekannte und zu Unrecht vergessene Frauen aus der Geschichte, Neu-Ulm 2018, S. 297.

Porträt Ruth S., Barbara Morgenstern, Fotografie (Positiv), Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).

Cornelia Herold
1.11.2009


Empfohlene Zitierweise:
Cornelia Herold, Artikel: Ruth Seydewitz,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/9999 [Zugriff 26.11.2024].