Johannes Neefe

N. wurde bereits zu Lebzeiten als humanistischer Gelehrter, besonnener Leibarzt und Stifter von Stipendien hoch geschätzt und verehrt. Er genoss die Wertschätzung der Kurfürsten Moritz und August sowie deren Gemahlinnen, aber auch Kaiser Ferdinands I., dem er in schwerer Krankheit beistand. – N. erhielt zunächst im Haus seines gestrengen Großvaters Privatunterricht und besuchte ab dem 13. Lebensjahr die Lateinschulen in Dresden, Chemnitz, Freiberg, Oschatz und Annaberg. Seit 1518 studierte er mit großem Erfolg an der Universität Leipzig. Ein Jahr später erwarb N. den akademischen Grad des Baccalaureus Artium. An der Universität Wittenberg studierte er v.a. bei Philipp Melanchthon; 1521 promovierte er zum Magister Artium. Nachdem Herzog Georg von Sachsen noch im gleichen Jahr seinen Untertanen das Studium in Wittenberg untersagt hatte, widmete sich N. Studien der Medizin an der Universität Erfurt. Dort wohnte er bei dem Medizinprofessor und Arzt Georg Sturz und schloss sich dem Humanistenkreis um Eobanus Hesse an. Zwei Jahr später reiste N. nach Italien und setzte sein Medizinstudium ab 1523 - zeitweise gemeinsam mit Georgius Agricola - in Bologna fort, wo er anatomischen Sektionen beiwohnte. In Ferrara promovierte N. im Mai 1525 zum Doktor der Medizin und verbrachte danach einige Wochen in Padua. – Zurückgekehrt nach Sachsen wirkte N. seit 1527 als Stadtarzt in Annaberg, wo er Appolonia, eine Tochter des Bürgermeisters Georg Kantz, heiratete. Zeitgleich wirkte Agricola im benachbarten böhmischen St. Joachimsthal (tschech. Jáchymov) als Stadtphysikus und verfasste den lateinischen Dialog „Bermannus“, ein Gespräch zweier Ärzte mit einem Hüttenmann. N. tritt darin als junger Arzt „Naevius“ auf, der mit seiner guten Kenntnis der antiken Literatur und Medizin überzeugt. Seit Oktober 1533 wirkte N. als gut besoldeter Stadtarzt in St. Joachimsthal, was die Betreuung der gräflichen Familie von Schlick einschloss. – N. trat 1544 die Stelle des Ersten Leibarztes bei Herzog Moritz von Sachsen an und übersiedelte mit seiner Gattin nach Dresden. Die näheren Umstände dieser Anstellung sind nicht bekannt. Mit ausschlaggebend dürfte neben seinem Fachwissen auch sein ausgleichendes Wesen gewesen sein. Das Amt des Ersten Leibarztes bei Herzog/Kurfürst Moritz und dann auch bei Kurfürst August füllte N. bis zu seinem Tod 1574 aus. Mit 300 Gulden pro Jahr erhielt er ein höheres Gehalt als die meisten Räte. Während dieser drei Jahrzehnte bei Hof erwarb sich N. das besondere Vertrauen beider Fürstenpaare. Ihm wurde die Patenschaft über einen der Söhne von August übertragen und er erhielt das Amt des Kurators der Hofkapelle; auch wurde seine Frau Appolonia mit der Aufsicht über das fürstliche Laboratorium betraut. – N. genoss einen herausragenden Ruf weit über Sachsen hinaus, sodass er im Auftrag Kurfürst Augusts oft auch an anderen Fürstenhöfen praktizierte. Zu seinen medizinischen Grundsätzen gehörte es, keine Medizin zu verschicken, ohne sich persönlich ein Bild vom Patienten und seiner Erkrankung gemacht zu haben. – Für seine Verdienste wurden N. und seine drei Brüder am 20. Mai 1559 von Kaiser Ferdinand I. in den erblichen Reichsadelsstand erhoben. 1563 begab er sich an den kaiserlichen Hof in Wien und war an der ärztlichen Betreuung Kaiser Ferdinands I. beteiligt. Die Korrespondenz zwischen Prag, Dresden und Wien belegt das große Vertrauen, das der Kaiser N. als Leibarzt entgegenbrachte. In dieser Zeit hielt N. seine ärztlichen Beobachtungen schriftlich fest, so z.B. über die heilsame Wirkung eines Spaziergangs, bei dem sich der Kaiser „erquickte“ und infolgedessen einen guten Schlaf fand. Aber auch die naturkundlichen oder kulturvergleichenden Gespräche an der kaiserlichen Tafel interessierten den gelehrten Arzt sehr. N. plante, Ferdinands Tischgespräche zu veröffentlichen und fertigte umfangreiche Notizen an, die jedoch erst im 17. Jahrhundert gedruckt wurden. Die einzige von N. persönlich herausgegebene Publikation ist eine deutschsprachige Schrift zur Pestvorsorge bzw. zur Behandlung der verschiedenen Symptome der Pest von 1566. Darin warnt er u.a. vor bedenkenlosem Aderlass in Pestzeiten. – Darüber hinaus trat N. als Wohltäter hervor. 1559 bestimmte er 520 Gulden für das Chemnitzer Hospital St. Georg. Selbst kinderlos, stiftete er im darauffolgenden Jahr den männlichen Nachkommen seiner Familie 2.400 Gulden für drei Stipendien zum Universitätsstudium, von denen Generationen der Familie bis ins 20. Jahrhundert hinein profitieren sollten. Zehn Jahre später richtete der hochbetagte N. vier weitere Stipendien mit 2.000 Gulden an der Universität Wittenberg ein, mit denen mittellose Kinder von Chemnitz gefördert werden sollten.

Quellen Stadtarchiv Chemnitz, Bestand Neefe-Lade.

Werke Ein kurtzer Bericht: Wie man sich in denen itzo vorstehenden Sterbensleufften, mit der Praeferuation oder vorwahrungen, dornach auch der Curation der Pestilentz und etzlicher jrer accidentien, oder zufellen verhalten soll, Dresden 1577; Des … Keysers Ferdinand des Ersten denckwürdiger Tafel=Reden …, hrsg. von D. Schirmer, Dresden 1673.

Literatur K. Neefe, Leben und Wirken des kurfürstlich sächsischen Leibarztes Dr. med. Johann N., in: NASG 19/1898, S. 292-314; A. Lesser, Friedrich Christian Lesser (1692-1754) und seine Vorfahren, insbesondere die Pfarrerfamilien Maior, Rothmaler und Sagittarius und die Familien Neefe und Stromer, München 1992, S. 105f.; A. Kramarczyk, Joachimsthaler Ärzte - ihre Publikationen und ihr Auftreten im „Bermannus“ Agricolas, in: F. Naumann (Hg.), Sächsisch-böhmische Beziehungen im 16. Jahrhundert, Chemnitz 2001, S. 101-112 (P); dies., Der Arzt Johannes Naevius (1499-1574) - ein Freund des Joachim Camerarius, in: R. Kößling/G. Wartenberg (Hg.), Joachim Camerarius, Tübingen 2003, S. 337-349 (P); dies./A. Krüger (Hg.), Im Dienste von Kaiser und Kurfürst. Die Leibärzte Johannes und Caspar Neefe und ihre Familie, Chemnitz 2014 (P); A. Lesser, Die albertinischen Leibärzte vor 1700 und ihre verwandtschaftlichen Beziehungen zu Ärzten und Apothekern, Petersberg 2015, S. 63-68; A. Kramarczyk, Naturwissenschaftliche und medizinische Themen an der Tafel Kaiser Ferdinand I. in Wien im Jahr 1564 aus der Sicht des Leibarztes Johannes N., in: dies. (Hg.), Im Dienste von Kaiser und Kurfürst. Die Leibärzte Johannes und Caspar Neefe und ihre Familie, Katalogbuch mit Editionsteil (in Vorbereitung) (P). – DBA I, II; C. G. Joecher (Hg.), Allgemeines Gelehrten-Lexicon, Bd. 3, Leipzig 1751 (ND Hildesheim 1960), Sp. 803.

Porträt Johannes N., Einzelblatt aus: Jobus Fincelius, Epicedium scriptum in obitum clarissimi viri doctrina, virtute, prudentia, et experientia praestantis D. Johannis Naevii, Leipzig 1575, Schlossbergmuseum Chemnitz, Kunstsammlungen (Bildquelle).

Andrea Kramarczyk
13.2.2019


Empfohlene Zitierweise:
Andrea Kramarczyk, Artikel: Johannes Neefe,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/9854 [Zugriff 21.11.2024].

Johannes Neefe



Quellen Stadtarchiv Chemnitz, Bestand Neefe-Lade.

Werke Ein kurtzer Bericht: Wie man sich in denen itzo vorstehenden Sterbensleufften, mit der Praeferuation oder vorwahrungen, dornach auch der Curation der Pestilentz und etzlicher jrer accidentien, oder zufellen verhalten soll, Dresden 1577; Des … Keysers Ferdinand des Ersten denckwürdiger Tafel=Reden …, hrsg. von D. Schirmer, Dresden 1673.

Literatur K. Neefe, Leben und Wirken des kurfürstlich sächsischen Leibarztes Dr. med. Johann N., in: NASG 19/1898, S. 292-314; A. Lesser, Friedrich Christian Lesser (1692-1754) und seine Vorfahren, insbesondere die Pfarrerfamilien Maior, Rothmaler und Sagittarius und die Familien Neefe und Stromer, München 1992, S. 105f.; A. Kramarczyk, Joachimsthaler Ärzte - ihre Publikationen und ihr Auftreten im „Bermannus“ Agricolas, in: F. Naumann (Hg.), Sächsisch-böhmische Beziehungen im 16. Jahrhundert, Chemnitz 2001, S. 101-112 (P); dies., Der Arzt Johannes Naevius (1499-1574) - ein Freund des Joachim Camerarius, in: R. Kößling/G. Wartenberg (Hg.), Joachim Camerarius, Tübingen 2003, S. 337-349 (P); dies./A. Krüger (Hg.), Im Dienste von Kaiser und Kurfürst. Die Leibärzte Johannes und Caspar Neefe und ihre Familie, Chemnitz 2014 (P); A. Lesser, Die albertinischen Leibärzte vor 1700 und ihre verwandtschaftlichen Beziehungen zu Ärzten und Apothekern, Petersberg 2015, S. 63-68; A. Kramarczyk, Naturwissenschaftliche und medizinische Themen an der Tafel Kaiser Ferdinand I. in Wien im Jahr 1564 aus der Sicht des Leibarztes Johannes N., in: dies. (Hg.), Im Dienste von Kaiser und Kurfürst. Die Leibärzte Johannes und Caspar Neefe und ihre Familie, Katalogbuch mit Editionsteil (in Vorbereitung) (P). – DBA I, II; C. G. Joecher (Hg.), Allgemeines Gelehrten-Lexicon, Bd. 3, Leipzig 1751 (ND Hildesheim 1960), Sp. 803.

Porträt Johannes N., Einzelblatt aus: Jobus Fincelius, Epicedium scriptum in obitum clarissimi viri doctrina, virtute, prudentia, et experientia praestantis D. Johannis Naevii, Leipzig 1575, Schlossbergmuseum Chemnitz, Kunstsammlungen (Bildquelle).

Andrea Kramarczyk
13.2.2019


Empfohlene Zitierweise:
Andrea Kramarczyk, Artikel: Johannes Neefe,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/9854 [Zugriff 21.11.2024].