Ludwig Kirsch
K. besuchte 1902 bis 1905 das katholische Progymnasium in Dresden als Voraussetzung für die Aufnahme in das Wendische Seminar St. Peter in Prag. Das Seminar war eine internatsähnliche Einrichtung für katholische Gymnasiasten und Studenten aus Sachsen, da es hier keine Ausbildungsmöglichkeiten für den Priesternachwuchs gab. K. war bis zum Abitur Schüler am Kleinseitner Gymnasium. Von dort wechselte er 1910 an die Katholische Fakultät der Karlsuniversität in Prag. Sein Ausbildung beendete er 1913/14 am Priesterseminar Paderborn und erhielt dort 1914 die Priesterweihe. 1914 bis 1919 wirkte er als Kaplan in Leipzig-Lindenau, wo er erstmals auch mit sozialen Fragen konfrontiert wurde, einem Feld, dem in der Folgezeit sein besonderes Engagement galt. Seine nächste berufliche Station als Gemeindepriester war 1919 bis 1924 Bärenstein/Erzgebirge. Dort baute er das erste katholische Gotteshaus, die St.-Bonifatius-Kirche, mit auf. 1924 bis 1935 war K. als Priester in Reichenbach/Vogtland tätig. In diese Zeit fiel die Neugestaltung der Marienkirche, die 1927 geweiht wurde. 1935 bis zu seinem Tod 1950 wirkte er in der Gemeinde St. Joseph in Chemnitz. Im dortigen Arbeiterviertel Sonnenberg war er wiederum häufig mit sozialen Problemen befasst. Sein besonderes Augenmerk galt der Betreuung von Familien. Die Zweite Katholische Schule in Chemnitz, die sich direkt neben seiner Kirche befand, wurde trotz heftigem Widerstand K.s 1938 durch das NS-Regime geschlossen. Außerdem war K. 1933 bis 1941 Leiter des Presse-Apostolats im Bistum Meißen. 1943 wurde er zum Erwachsenenseelsorger im Bistum und zum Bischöflichen Rat ernannt. – K. war seit seiner Versetzung 1919 nach Bärenstein für die Deutsche Zentrumspartei aktiv und 1929 bis 1933 Vorsitzender des Landesverbands Sachsen. Das Zentrum trat in Sachsen als „Partei der Sozialreform“ auf und sprach besonders katholische Arbeiterkreise an. In seiner publizistischen Tätigkeit, insbesondere in der katholischen „Sächsischen Volkszeitung“, bezog K. immer wieder kritisch Stellung zu aktuellen politischen Fragen und unterstützte Anfang der 1930er-Jahre den politischen Kurs seines Parteifreunds Reichskanzler
Heinrich Brüning, der mittels Notverordnungen des Reichspräsidenten ein rigides Sparprogramm durchsetzte. K. führte seine kritische journalistische Tätigkeit nach 1933, auch als Presseleiter des Bistums, fort. Er wurde daher vom 6.9. bis zum 20.12.1935 im Konzentrationslager Sachsenburg festgehalten. – 1945 nahm K. seine politischen Aktivitäten sofort wieder auf und war Mitbegründer der CDU in Chemnitz. Im Oktober 1945 wurde er Kreisvorsitzender und im Oktober 1946 Stadtverordneter in Chemnitz. Ebenfalls 1946 wurde er auf dem Ersten Parteitag in den Hauptvorstand der CDU in der SBZ gewählt. Bei seiner Wiederwahl 1948 erlangte K. die höchste Stimmenzahl aller Vorstandsmitglieder. 1948 ernannten ihn die sächsischen Delegierten auf dem Dritten Landesparteitag der CDU zum stellvertretenden Landesvorsitzenden. Er übte dieses Amt bis zu seinem Tod 1950 aus. Ein Landtagsmandat strebte er jedoch nicht an. 1948 und 1949 nahm K. als Delegierter am Zweiten und Dritten Volkskongress teil und wurde jeweils in den Deutschen Volksrat gewählt. Durch die Umwandlung des Zweiten Deutschen Volksrats in die Provisorische Volkskammer der DDR am 7.10.1949 erlangte er darin ein Mandat, konnte es krankheitshalber jedoch nicht antreten. – K. gehörte in seiner Partei zu den Vertretern einer politischen Richtung, die mit dem Begriff „christlicher Sozialismus“ charakterisiert wird. Die beruflichen und persönlichen Erfahrungen in Leipzig und Chemnitz trugen dazu sicher wesentlich bei. Folglich gehörte er auch zu den Befürwortern der Bodenreform und unterstützte die Zusammenarbeit mit den anderen Parteien im Demokratischen Block. Damit gehörte er zur innerparteilichen Opposition gegen den CDU-Vorsitzenden
Jakob Kaiser, der zusammen mit
Ernst Lemmer am 20.12.1947 von der SMAD hauptsächlich wegen der Ablehnung der „Volkskongressbewegung“ zum Rücktritt gezwungen wurde. Allerdings wandte sich K. gegen den Führungsanspruch der SED und trat immer wieder für freie Wahlen ein. Sein früher Tod bewahrte ihn vor weiterem massiven politischen Druck, der schon 1948 mit persönlichen Verleumdungen seinen Anfang genommen hatte. K. gehörte zu den sozial und politisch engagierten Priestern, die sich aktiv gegen jede diktatorische Entwicklung stellten. Aus der Erfahrungswelt seiner Pfarreien und der Situation der Katholiken in Sachsen heraus gehörte er zu den bedeutenden sächsischen Christen, die im Rahmen ihrer Möglichkeiten versuchten, eine demokratische Entwicklung des Landes in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts fördernd zu begleiten.
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 13795 Personennachlass Ludwig K.
Literatur G. Desczyk, Ludwig K., Berlin 1977 (P); R. Geser, Familie und Vorfahren des Pfarrers Ludwig K. (1891-1950), in: Familie und Geschichte 9/2000, H. 1, S. 385-394 (P); S. Weingart, Ludwig K., in: Von André bis Zöllner, hrsg. vom Stadtarchiv Chemnitz, Chemnitz 2000, S. 51 (P). – DBA III.
Lutz Sartor
20.1.2010
Empfohlene Zitierweise:
Lutz Sartor, Artikel: Ludwig Kirsch,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/9134 [Zugriff 26.11.2024].
Ludwig Kirsch
Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 13795 Personennachlass Ludwig K.
Literatur G. Desczyk, Ludwig K., Berlin 1977 (P); R. Geser, Familie und Vorfahren des Pfarrers Ludwig K. (1891-1950), in: Familie und Geschichte 9/2000, H. 1, S. 385-394 (P); S. Weingart, Ludwig K., in: Von André bis Zöllner, hrsg. vom Stadtarchiv Chemnitz, Chemnitz 2000, S. 51 (P). – DBA III.
Lutz Sartor
20.1.2010
Empfohlene Zitierweise:
Lutz Sartor, Artikel: Ludwig Kirsch,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/9134 [Zugriff 26.11.2024].