Moritz von Sachsen-Zeitz

M., der jüngste, auch als Herzog von Sachsen-Naumburg bezeichnete Sohn des Kurfürsten Johann Georg I., gehört zu den bedeutendsten Vertretern des sächsisch-albertinischen Fürstenhauses. Gebildet, kultur- und wissensinteressiert, aber auch pragmatisch und umsichtig veranlagt, zeichnen M. hohe moralische Ansprüche und ein entsprechendes Verantwortungsbewusstsein für sein Herrscheramt aus. Der ihm auch persönlich eng verbundene Kanzler und Konsistorialpräsident (seit 1664), der bekannte Staatstheoretiker, Theologe und Verwaltungsexperte Veit Ludwig von Seckendorff, übte in diesem Sinne zusätzlichen Einfluss auf M. aus. Kaiser Leopold I. lobte M. öffentlich als einen „ehrlichen alten deutschen Fürsten“ (1673). – Gemeinsam mit seinen drei älteren Brüdern am Dresdner Kurfürstenhof erzogen, absolvierte M. 1642 bis 1645 mit seinem Bruder Christian in der Endphase des Dreißigjährigen Kriegs eine ausgedehnte Kavaliersreise, die ihn durch Norddeutschland nach Dänemark, Holland und in die spanischen Niederlande führte. 1648 erhielt er die Statthalterschaft über die Deutschordensballei Thüringen. Bereits 1622 als Nachfolger seines Vaters zum Administrator des Hochstifts Naumburg-Zeitz postuliert (bestätigt 1653), residierte M. zunächst interimsmäßig in Naumburg/Saale. Nach dem Eintritt der Sedisvakanz mit dem Tod Johann Georgs I. (1656) erreichte er nach intensiven Verhandlungen 1658 zunächst die sog. perpetuierliche Eventualpostulation durch das Naumburger Domkapitel auf seine fürstliche Linie und 1659 die Postulation zum Administrator. – Infolge des väterlichen Testaments von 1652, bestätigt und präzisiert durch den Freundbrüderlichen Hauptvergleich 1657, flankiert von ergänzenden bilateralen Vereinbarungen, erhielten die drei jüngeren Söhne nach dem Tod Johann Georgs I. jeweils einen eigenen Herrschaftsbereich mit eingeschränkten Hoheitsrechten. Am 1.5.1657 begann die Eigenverwaltung der drei neugebildeten Territorialkomplexe. Die jüngste albertinische Sekundogeniturherrschaft Sachsen-Zeitz (bis 1718) umfasste im Wesentlichen das Stiftsgebiet von Naumburg-Zeitz, die sog. Erblandesportion mit einigen thüringischen, vogt- und osterländischen Ämtern sowie den albertinischen Anteil an der 1660 mit den Ernestinern geteilten, zum Fränkischen Reichskreis gehörigen, gefürsteten Grafschaft Henneberg. Nach einem Vergleich mit Sachsen-Gotha 1663 gelang es M. schließlich 1676, die Henneberger Ansprüche der Grafen von Stolberg durch Kauf zu erwerben und damit den beim Reichskammergericht anhängigen Prozess zu beenden. Kurfürst Johann Georg II. überließ M. 1658 u.a. die privilegierten Schriftsassen in den vogtländischen Ämtern, 1662 konnte M. noch das Amt Pegau auf Wiederkauf (Erbkauf 1666) von der Kurlinie erwerben. Nach ausgehandelter Kapitulation mit dem Naumburger Domkapitel erhielt M. im Zuge der Gesamthandbelehnung der Wettiner 1660 in Wien die Separatbelehnung mit dem als reichsunmittelbar anerkannten Hochstift Naumburg-Zeitz. Im gleichen Jahr versuchte M., der bereits 1655 gemeinsam mit seinem Bruder Christian eine veränderte Herrschaftsform in den sächsischen Hochstiften Naumburg-Zeitz bzw. Merseburg angestrebt hatte, mit der letztlich gescheiterten Aufhebung des Kollegiatstifts Zeitz zugunsten gemeinnütziger Zwecke sein Hochstift schrittweise in ein weltliches Erbfürstentum umzuwandeln. Die Erneuerung der perpetuierlichen Postulation auf die Zeitzer Linie 1678 steht zugleich für die fortgesetzte „Dynastisierung“ dieses geistlichen Wahlfürstentums. – Wie bei den übrigen Nebenlinien auch, mussten die Emanzipation von der Kurlinie sowie die Realisierung der Reichsstandschaft dieses heterogenen Herrschaftsbereichs die politischen Leitziele M.s sein. Bis zum Tod seines Bruders Johann Georgs II. 1680 konnte M. unbestritten das anteilige Henneberger Reichstagsvotum sowie das Votum (Henneberg-)Schleusingens auf den Fränkischen Kreistagen führen, womit zumindest eine gewisse reichspolitische Präsenz des Sekundogeniturfürstentums Sachsen-Zeitz erreicht werden konnte. Dagegen scheiterte der vom Naumburger Domkapitel unterstützte und gemeinsam mit seinem Merseburger Bruder Christian I. im Vorfeld des Regensburger Reichstags von 1663 unternommene Versuch, die Wiederzulassung der Hochstifte Naumburg-Zeitz bzw. Merseburg mit Sitz und Stimme im Reichsfürstenrat zu erreichen. – Die notwendige Residenzbildung mit einem höfisch-kulturellen und administrativen Zentrum, die mit dem Bau des Schlosses Moritzburg bei Zeitz (1657-1678) abgeschlossen wurde, bedeutete eine schwere Hypothek für das finanzschwache Sekundogeniturfürstentum. Die Präsenz der Herzogsfamilie ab 1663 in dem noch im Bau befindlichen neuen Residenzschloss führte andererseits, unter Einbeziehung der Gutachten von Heinrich Schütz, zu einer Blütezeit der Hofmusik sowie einem bedeutenden Ausbau der Zeitzer Stiftsbibliothek. Die neu gebildete Erblandesregierung sowie die Stiftsregierung folgten dem Herzog nach Zeitz, während für den Henneberger Landesteil eine eigene Zentralverwaltung in Schleusingen bestand. – Durch verschiedene statistische Datenerhebungen ab 1657 untermauert, bemühte sich der „Landespolitiker“ M. mit Erfolg um die Beseitigung von Kriegsfolgen und förderte Landwirtschaft, Handel und Gewerbe. Sein Bruder Johann Georg II. begünstigte 1659 diese Wiederaufbaupolitik, indem er den Untertanen des Sekundogeniturfürstentums rückwirkend die bis 1657 aufgelaufenen Abgabenreste erließ. In seinen verschiedenen Landesteilen betätigte sich M. aber auch über die Moritzburg hinaus als Bauherr, wie die Schlösser in Kühndorf (Neubau), Neustadt/Orla oder Weida belegen. Die Auffassung des glaubensfesten Lutheraners vom christlichen Regiment, von der gottgewollten landesfürstlichen Verantwortung für den gemeinen Nutzen und die Landeswohlfahrt manifestiert sich besonders deutlich in seinen Bildungsbemühungen, wie sie etwa der Neuaufbau der Stiftsschule in Zeitz zum Ausdruck bringt. – Ungeachtet kleinerer Konflikte in Grenz-, Hoheits- und Steuerfragen - wie etwa beim Steuervergleich 1668 - bestand insgesamt gesehen ein enges und freundschaftliches Verhältnis zwischen M. und seinem Bruder, Kurfürst Johann Georg II. So übertrug ihm der Kurfürst während seiner längeren Abwesenheit 1657 und 1664 nicht nur die Statthalterschaft in Kursachsen, sondern erbat sich z.B. 1661 von M. einen mit den Dresdner Behördenspitzen zu erarbeitenden Maßnahmenkatalog zur Beseitigung der Missstände bei Hof und Kammer. In realistischer Einschätzung seiner begrenzten Möglichkeiten folgte M. der kursächsischen Außenpolitik, indem er gemeinsam mit Sachsen-Merseburg 1666 dem Regensburger Bündnis mit Frankreich (1664) beitrat. Zwar nicht ganz uneigennützig, bemühte sich der Kurfürst aber doch, M. gegen die existenzbedrohenden kurbrandenburgischen Einquartierungen während des Reichskriegs gegen Frankreich 1675/1676 in Schutz zu nehmen (Leipziger Konferenz 1676). Gleichwohl rissen die Beschwerden in Dresden, nun über die Einquartierung sächsischer bzw. obersächsischer Kreistruppen (ab 1678), nicht ab. 1677 erteilte Johann Georg II. M. ehrenhalber das Patent eines kursächsischen Generalwachtmeisters zu Pferd. Nach seiner Teilnahme an der brüderlichen Zusammenkunft in Halle/Saale 1661 beteiligte sich M. 1678 in Dresden an den glanzvollen Festivitäten bei der „Durchlauchtigsten Zusammenkunft“ der vier Söhne Johann Georgs I. – Der Regierungsantritt Johann Georgs III. (1680) bedeutete indes eine scharfe Zäsur in den bisher relativ friedlichen Beziehungen zwischen Kur- und Nebenlinien. Der Widerruf des Vertrags von 1658 über die Schriftsassen steht für Sachsen-Zeitz am Beginn eines existenzbedrohenden Konflikts mit dem Kurfürsten, der nach dem Tod M.s um 1685 eskalieren sollte. In diesem Kontext vereinbarte M. mit seinem gleichermaßen betroffenen Merseburger Bruder Christian 1681 eine enge Zusammenarbeit der beiden Nebenlinien (erneuert 1685). Auf den Druck aus Dresden sowie den Verlust seiner Tafelgelder reagierte er ferner 1681 mit einer Testamentsänderung, die den als Testamentsvollstrecker nominierten sächsischen Kurfürsten durch die ernestinischen Herzöge in Gotha und Eisenach ersetzte. – Zumindest mit seiner zweiten Ehefrau Dorothea Maria verband M. offenbar eine enge persönliche Beziehung, was sicherlich auch zu den intensiven familiären und kulturellen Kontakten zum Weimarer Herzogshof beitrug. Dagegen trägt das Verhältnis zu seinem emotional labilen Sohn und potenziellen Nachfolger Moritz Wilhelm alle Züge eines tiefgehenden Vater-Sohn-Konflikts. In dieser zwischenmenschlichen Konstellation könnte möglicherweise ein wesentliches Motiv für die extensive letztwillige Umschreibung der idealen Staatsform zu suchen sein. So gab M. mit seinem wohl weitgehend von Seckendorff konzipierten umfangreichen Testament (1681, posthume kaiserliche Konfirmation 1689) dem Zeitzer Fürstenhaus eine „staatsbildende“ Primogeniturordnung, v.a. aber hinterließ er ein herausragendes (Selbst-)Zeugnis seines Herrschaftsverständnisses. Mit seinen politischen Handlungsanweisungen an den mutmaßlich minderjährigen Regierungsnachfolger erreichte dieses formaljuristische Testament eine weitaus höhere Reflexionsebene als der in vielen anderen Fürstentestamenten oder auch den politischen Testamenten referierte Wertekanon der gängigen Fürstenspiegelliteratur, insbesondere hinsichtlich seiner antiabsolutistischen Staatsauffassung. Für seine Überzeugungen als christlicher Fürst steht die letztwillige Stiftung von 10.000 Gulden für den Bau und Unterhalt eines Waisenhauses. Für sein Begräbnis in der Zeitzer Schlosskirche traf M. präzise Anordnungen, die von der gewünschten Trauerzeremonie bis hin zu einer detaillierten Festlegung seiner Totenbekleidung reichen.

Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 10001 Ältere Urkunden, 10024 Geheimer Rat; Gabriel Tzschimmer, Die Durchlauchtigste Zusammenkunft. Oder: Historische Erzehlung was … Johann George der Ander … Bey Anwesenheit Seiner … Herren Gebrüdere … an … Aufzügen, Ritterlichen Exercitien, Schau=Spielen … Opern, Comoedien … vorstellen lassen, Nürnberg 1680; Johann Christian Lünig, Das Teutsche Reichs=Archiv …, Bd. 8, Leipzig 1712; Jochen Vötsch (Hg.), Sächsische Fürstentestamente 1652-1831, Leipzig 2018.

Literatur Christian Ernst Weiße, Neueste Geschichte des Königreichs Sachsen seit dem Prager Frieden bis auf unsere Zeiten, Bd. 1, Leipzig 1808; Johannes Heckel, Die evangelischen Dom- und Kollegiatstifter Preußens, insbesondere Brandenburg, Merseburg, Naumburg, Zeitz. Eine rechtsgeschichtliche Untersuchung, Stuttgart 1924; Hellmut Kretzschmar, Zur Geschichte der sächsischen Sekundogeniturfürstentümer, Teil 2, in: Sachsen und Anhalt 3/1927, S. 284-315; Die sächsischen Wurzeln des Landes Sachsen-Anhalt und die Rolle der Sekundogenitur Sachsen-Zeitz, hrsg. vom Landesheimatbund Sachsen-Anhalt, Halle/Saale 1997; Joachim Säckl/Karin Heise (Red.), Barocke Fürstenresidenzen an Saale, Unstrut und Elster, Petersberg 2007 (P); Vinzenz Czech (Hg.), Fürsten ohne Land. Höfische Pracht in den sächsischen Sekundogenituren Weißenfels, Merseburg und Zeitz, Berlin 2009; Martina Schattkowsky/Manfred Wilde (Hg.), Sachsen und seine Sekundogenituren, Leipzig 2010.

Porträt M., Herzog zu Sachsen-Zeitz, Johann Dürr/Johann Caspar Höckner, 1658, Kupferstich, Herzog Anton Ulrich-Museum, Braunschweig, Kupferstichkabinett, Signatur JHöckner AB 3.10 (Bildquelle) [CC BY-NC-SA 4.0; dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Attribution-NonCommercial-ShareAlike 4.0 International License]; M., Herzog zu Sachsen-Zeitz, Christian Schäffer, Kupferstich, Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Porträtsammlung, A 18530; M., Herzog zu Sachsen-Zeitz, Philipp Kilian, 1680, Kupferstich, ebd., A 18531; M., Herzog zu Sachsen-Zeitz, ebd., A 27855.

Jochen Vötsch
4.1.2023


Empfohlene Zitierweise:
Jochen Vötsch, Artikel: Moritz von Sachsen-Zeitz,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/9076 [Zugriff 26.4.2024].

Moritz von Sachsen-Zeitz



Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 10001 Ältere Urkunden, 10024 Geheimer Rat; Gabriel Tzschimmer, Die Durchlauchtigste Zusammenkunft. Oder: Historische Erzehlung was … Johann George der Ander … Bey Anwesenheit Seiner … Herren Gebrüdere … an … Aufzügen, Ritterlichen Exercitien, Schau=Spielen … Opern, Comoedien … vorstellen lassen, Nürnberg 1680; Johann Christian Lünig, Das Teutsche Reichs=Archiv …, Bd. 8, Leipzig 1712; Jochen Vötsch (Hg.), Sächsische Fürstentestamente 1652-1831, Leipzig 2018.

Literatur Christian Ernst Weiße, Neueste Geschichte des Königreichs Sachsen seit dem Prager Frieden bis auf unsere Zeiten, Bd. 1, Leipzig 1808; Johannes Heckel, Die evangelischen Dom- und Kollegiatstifter Preußens, insbesondere Brandenburg, Merseburg, Naumburg, Zeitz. Eine rechtsgeschichtliche Untersuchung, Stuttgart 1924; Hellmut Kretzschmar, Zur Geschichte der sächsischen Sekundogeniturfürstentümer, Teil 2, in: Sachsen und Anhalt 3/1927, S. 284-315; Die sächsischen Wurzeln des Landes Sachsen-Anhalt und die Rolle der Sekundogenitur Sachsen-Zeitz, hrsg. vom Landesheimatbund Sachsen-Anhalt, Halle/Saale 1997; Joachim Säckl/Karin Heise (Red.), Barocke Fürstenresidenzen an Saale, Unstrut und Elster, Petersberg 2007 (P); Vinzenz Czech (Hg.), Fürsten ohne Land. Höfische Pracht in den sächsischen Sekundogenituren Weißenfels, Merseburg und Zeitz, Berlin 2009; Martina Schattkowsky/Manfred Wilde (Hg.), Sachsen und seine Sekundogenituren, Leipzig 2010.

Porträt M., Herzog zu Sachsen-Zeitz, Johann Dürr/Johann Caspar Höckner, 1658, Kupferstich, Herzog Anton Ulrich-Museum, Braunschweig, Kupferstichkabinett, Signatur JHöckner AB 3.10 (Bildquelle) [CC BY-NC-SA 4.0; dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Attribution-NonCommercial-ShareAlike 4.0 International License]; M., Herzog zu Sachsen-Zeitz, Christian Schäffer, Kupferstich, Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Porträtsammlung, A 18530; M., Herzog zu Sachsen-Zeitz, Philipp Kilian, 1680, Kupferstich, ebd., A 18531; M., Herzog zu Sachsen-Zeitz, ebd., A 27855.

Jochen Vötsch
4.1.2023


Empfohlene Zitierweise:
Jochen Vötsch, Artikel: Moritz von Sachsen-Zeitz,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/9076 [Zugriff 26.4.2024].