Bartolomeo Bosco

Als B. im Frühjahr 1863 in seiner Wahlheimat Gruna starb, betrauerten die Dresdner Nachrichten den Tod des „Königs der Zauberei“ (Dresdner Nachrichten 8.3.1863). Auf allen Kontinenten berichteten die Zeitungen vom stillen Ende des Manns, der die Zauberei vom vormodernen Mystizismus befreite, sie zu einem erlernbaren Handwerk und zur Unterhaltungskunst umgewandelt hatte, wie wir sie heute noch kennen. – Als ältester Sohn einer italienischen Adelsfamilie wuchs B. in Turin auf, wo die Eltern das Café Internazionale in der Via della Cittadella betrieben. Bis zum 16. Lebensjahr besuchte B. ein Internat und begann hiernach eine Ausbildung zum Fechtmeister. Um die Jahrhundertwende jedoch erschütterten die Auswirkungen der Französischen Revolution die politische Situation auf der italienischen Halbinsel. Turin wurde Teil des französischen Kaiserreichs und B. selbst trat in die französische Armee ein. Mit dieser nahm er 1812 am Russlandfeldzug Napoleons I. teil, wo er in der Schlacht von Borodino (Russland) kämpfte. Zu den zahlreichen Legenden, die sich um B. und sein Leben ranken, gehört auch, dass er bereits Napoleon I. persönlich mit seiner Kunst unterhalten haben soll. Als wahrscheinlicher gilt, dass er in Kriegsgefangenschaft russische Offiziere und ihre Familien mit originellen Zaubertricks beeindruckte. Diese erwiesen sich als freigiebig und beschenkten ihn mit einem kleinen Vermögen. – Nach Kriegsende 1815 zog sich B. für zwei Jahre nach Paris zurück, wo er den Entschluss fasste, die Zauberei zu seinem Beruf werden zu lassen. In dieser Zeit kreierte B. einige der bekanntesten Elemente seiner späteren Darbietungen, darunter auch die sog. Bosco-Becher. Dieses heute als Hütchenspiel in Verruf geratene Kunststück, bei dem Kugeln unter Metallbechern zum Verschwinden und Erscheinen gebracht werden, diente als fester Teil von B.s Abendvorstellungen ausschließlich der Unterhaltung seines Publikums und nicht dem Betrug. – Nach einem Besuch in seiner Heimatstadt kam B. 1821 nach Dresden, von wo aus eine 40 Jahre andauernde Tournee durch Europa begann. Im Mai ging er nach Leipzig, wo er auftrat und Kurse für Zauberei anbot; B. wurde zu einem der ersten Lehrer der Zauberkunst und gab damit öffentlich die Erlernbarkeit des scheinbar Unbegreiflichen zu. – Besonders in den ersten Jahren suchte B. die Nähe der europäischen Höfe. In Hannover (1821), Berlin (1822) und St. Petersburg (russ. Sankt-Peterburg) (1823) debütierte er in rascher Abfolge und mit großem Erfolg. Er erhielt hierfür königliche Ehrenbezeugungen wie Patente und Geldgeschenke als Lohn. Weitere Stationen waren Warschau (1822), wo B. seine erste Frau kennenlernte, sowie Moskau (1823), Marseille (Frankreich) (1825) und Breslau (poln. Wrocław) (1827). – Der Erfolg B.s lag u.a. in seiner effektiven Selbstvermarktung begründet. Er präsentierte sich seinem Publikum nicht etwa in langen Gewändern, wie dies noch im 18. Jahrhundert üblich gewesen war, sondern kurzärmlig, mit nackten Unterarmen, die sinnbildlich für eine öffentlichkeitswirksame „ehrliche Magie“ standen. – Bereits Anfang 1828 war B. wieder in Sachsen: Im Januar trat er in Leipzig auf, anschließend vor zahlreichem Publikum in Berlin. Im Sommer folgte dann der zweite Aufenthalt in Dresden, bevor es über Teplitz (tschech. Teplice), Karlsbad (tschech. Karlovy Vary) und Prag nach Wien ging. Ein Auftritt vor Kaiser Franz I. krönte die beruflichen Erfolge dieses Jahrs. – Bis zum nächsten Besuch B.s in Sachsen vergingen zehn Jahre, in denen er u.a. in Königsberg (russ. Kaliningrad) (1829), am dänischen Hof in Frederiksborg (1830) und in Hamburg (1830) debütierte. Nach einer Reihe von Auftritten in Belgien (1832) verbrachte er - nicht ganz freiwillig - die nächsten beiden Jahre in Frankreich und ging nach einer geplatzten Tournee durch Großbritannien zurück in seine italienische Heimat. 1835 bis 1838 gastierte er in einem guten Dutzend italienischer Städte, darunter auch in seiner Heimatstadt Turin (1835), wo er vor der sardischen Königin Maria Theresia von Österreich-Toskana auftrat. Nach dieser Reise galt er in einer Zeit der politischen Zersplitterung Italiens als verbindende Figur der italienischen Kultur. – Auch außerhalb Europas machte sich B. einen Namen: So gab er z.B. Vorstellungen in Alexandria (Ägypten) vor dem ägyptischen Vizekönig Mehmet Emin Ali Pascha (1839) und sogar am Hof von Sultan Abdülmecid I. (1840) in Konstantinopel (heute Istanbul). B. soll hier im Stadtteil Pera ein eigenes Theater besessen haben, das er jedoch kurz darauf wieder verkaufte. – In den 1840er-Jahren erreichte und überschritt B. den Zenit seiner Popularität. Seine Darbietungen waren noch immer beliebt und für gewöhnlich restlos ausverkauft, doch die Kritiken bemängelten nun immer öfter, dass sich sein Repertoire kaum erweitere. – Wahrscheinlich lernte B. seine zweite Ehefrau bei Besuchen in Dresden 1838 oder 1844 kennen, was nach der Heirat wohl auch begünstigte, dass B. seinen Alterssitz in Gruna wählte. In den folgenden Jahren gastierte B. vor allem in den Städten des Habsburgerreichs. Einen Unfall mit Pyrotechnik in den Räumen seiner Wiener Unterkunft im Januar 1846 überlebte B. mit viel Glück und ohne schlimmere Verletzungen. – Im Mai 1848 führte B.s Weg erneut nach Leipzig; den Sommer verbrachte er in Dresden, wo er am Inneren Pirnaischen Tor einen Salon für seine Darbietungen aufstellen ließ. Noch vor den Barrikadenkämpfen in der Residenzstadt im Zuge des Maiaufstands im darauffolgenden Jahr war B. bereits weiter nach Hannover gezogen. – Durch Auftritte in den Niederlanden (1849/50), in England (1851) und Spanien (1858) erschloss sich B. auch noch gegen Ende seiner Karriere ständig ein neues Publikum. In London konkurrierte der einstige Publikumsliebling mäßig erfolgreich mit der gleichzeitig stattfindenden Weltausstellung, die ihn schließlich zur Rückkehr auf den Kontinent zwang. Paris wurde erneut ein fester Anlaufpunkt, wo der Zauberkünstler noch immer auf eine gewisse Hausmacht bauen konnte. Bei einem Auftritt 1852 lernte er den jungen Marius Cazeneuve kennen, den er - beeindruckt von den Fähigkeiten des Nachwuchsmagiers - für einige Zeit als Assistent in seine Dienst nahm und förderte. Anfang der 1860er-Jahre beendete B. seine Tourneen mit einigen letzten Aufritten in Potsdam, Berlin, Marseille und in seiner italienischen Heimat, dann erst zog er sich mit seiner zweiten Ehefrau nach Gruna zurück. Hier bewohnte er ein Haus in der Rosenbergstraße 27. Möglicherweise betrieb er noch eine Zeitlang ein Geschäft für Zauberartikel am Pirnaischen Platz, jedoch starb er bald darauf. – Sein Grab auf dem Alten Katholischen Friedhof in Dresden ist bis heute ein Anziehungsort für Zauberkünstler. Dazu dürfte auch beigetragen haben, dass sich der bekannte amerikanische Illusionist und Entfesselungskünstler Harry Houdini persönlich für dessen Erhalt einsetzte. Zur Verbindung B.s mit Dresden gehört auch, dass der dortige Ortszirkel des Magischen Zirkels in Deutschland bis heute B.s Namen trägt.

Werke Gabinetto magico del Cavaliere Bartolomeo B., Mailand 1857; Satanas. Recueil européen. … Aventures de B. B., Poitiers 1854; Der rothe Teufel im Salon oder B. in allen Gesellschaften, Weimar 1858, 41874.

Literatur Leipziger Zeitung 17.6.1848, S. 3920; Dresdner Nachrichten 8.3.1863, S. 2; A. Rusconi, Bartolomeo B., Florenz 2017; R. Kusch, Erneurer der Zauberkunst, Deutschlandfunk, 2018. – F. Regli, Dizionario biografico dei più celebri poeti ed artisti melodrammatici, tragici e comici, maestri, concertisti, giornalisti, impresarii ecc. ecc. che fioriomo in Italia dal 1800 al 1860, Turin 1860, S. 91f.; B. di Porto, B., Giovanni Bartolomeo, in: A. M. Ghisalberti (Hg.), Dizionario Biografico degli Italiani, Bd. 13, Rom 1971.

Porträt Bartolomeo B., G. Decker, 1845, Lithografie, Privatarchiv L. Kranz (Bildquelle).

Lennart Kranz
13.2.2019


Empfohlene Zitierweise:
Lennart Kranz, Artikel: Bartolomeo Bosco,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/695 [Zugriff 26.11.2024].

Bartolomeo Bosco



Werke Gabinetto magico del Cavaliere Bartolomeo B., Mailand 1857; Satanas. Recueil européen. … Aventures de B. B., Poitiers 1854; Der rothe Teufel im Salon oder B. in allen Gesellschaften, Weimar 1858, 41874.

Literatur Leipziger Zeitung 17.6.1848, S. 3920; Dresdner Nachrichten 8.3.1863, S. 2; A. Rusconi, Bartolomeo B., Florenz 2017; R. Kusch, Erneurer der Zauberkunst, Deutschlandfunk, 2018. – F. Regli, Dizionario biografico dei più celebri poeti ed artisti melodrammatici, tragici e comici, maestri, concertisti, giornalisti, impresarii ecc. ecc. che fioriomo in Italia dal 1800 al 1860, Turin 1860, S. 91f.; B. di Porto, B., Giovanni Bartolomeo, in: A. M. Ghisalberti (Hg.), Dizionario Biografico degli Italiani, Bd. 13, Rom 1971.

Porträt Bartolomeo B., G. Decker, 1845, Lithografie, Privatarchiv L. Kranz (Bildquelle).

Lennart Kranz
13.2.2019


Empfohlene Zitierweise:
Lennart Kranz, Artikel: Bartolomeo Bosco,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/695 [Zugriff 26.11.2024].