Wendel Roskopf
R. war als Baumeister in Görlitz sowie in Böhmen und Schlesien tätig. Er führte die spätgotischen Bautraditionen fort, in denen er verwurzelt war, verwendete aber nach 1520 zunehmend die neuen Formen der Renaissance. R.s Bedeutung ist umstritten. Nur wenige Bauten lassen sich sicher auf ihn zurückführen. Dass er den Renaissancestil in der Oberlausitz und in Schlesien verbreitet und durchgesetzt hat, was oft behauptet wird, lässt sich nicht nachweisen. – R. erhielt seine Ausbildung in der Prager Bauhütte des königlichen Baumeisters
Benedikt Ried und war zunächst in Böhmen tätig. Eine Mitwirkung am Bau der Barbarakirche in Kuttenberg (tschech. Kutná Hora) lässt sich annehmen, aber nicht beweisen. 1515/16 baute R. den Rathaussaal in Tabor (tschech. Tábor), wo er sein Steinmetzzeichen und Monogramm hinterließ. Etwa 1517 kam R. nach Görlitz, wo er zum Ratsbaumeister berufen wurde und 1520 das Bürgerrecht erwarb. Im Protokoll des Hüttentags zu Annaberg 1518 wird er als Meister zu Görlitz und Schlesien erwähnt. Der Neubau der Nikolaikirche in Görlitz geht nicht auf R. zurück. Der Baumeister fügte dieser Kirche 1519 lediglich einen kleinen Turm hinzu, wofür er den Rat Rieds einholte. Obwohl R. in Görlitz wohnte, blieben seine engen Beziehungen nach Böhmen bestehen. 1519 wurde er von
Peter von Rosenberg aus Böhmisch Krumau (tschech. Český Krumlov) nach Sobieslau (tschech. Sobĕslav) gerufen, wo er einen Emporeneinbau in der Kirche begutachtete. 1520/21 besichtigte er auf Anforderung des böhmischen Kanzlers
Ladislaus von Sternberg die Burg Bechin (tschech. Bechynĕ) in Südböhmen. Aus dem Schriftwechsel der Stadt Görlitz mit dem Rat der Stadt Tabor geht hervor, dass R. mit seinen Gesellen dort etliche Bauten errichtete, wofür 1527 die noch ausstehende Entlohnung angefordert wurde. – R. war ein angesehener Bürger der Stadt Görlitz. Er gehörte 1523 bis 1546 dem Görlitzer Rat an. Unbekannt ist, welche Bauten R. in Görlitz ausführte. Ihm wurden nahezu alle Bürgerhäuser zugeschrieben, die zwischen 1526 und 1550 entstanden, darunter auch der Schönhof in der Brüderstraße, aber die Beteiligung R.s lässt sich in keinem Fall eindeutig belegen. Das trifft auch auf die Rathaustreppe mit der bekannten Verkündigungskanzel zu. Nur am Wohnhaus Brüderstraße 11, erbaut 1547, ist sein Steinmetzzeichen mit Monogramm zu finden. Die Bauformen dieses Hauses erlauben es nicht, seine stilistische Eigenart zu bestimmen. Unter R.s Leitung arbeiteten u.a. der Parlier
Hans Richter, der Zimmermann und Unterbaumeister
Jobst Möller, der Brückenbaumeister
Hans Seyboth und die Bauleute
Hans und
Mattis Zacheris. – Auch außerhalb von Görlitz wurde R. wiederholt als Baumeister oder Gutachter herangezogen. Für Herzog
Friedrich II. von Liegnitz errichtete R. 1522 den Saalbau des Schlosses Gröditzberg (poln. Grodziec). Auf dem in Renaissanceformen gestalteten Portal hinterließ er seinen vollen Namen. 1527 bat Herzog Friedrich II. den Rat zu Görlitz, R. nach Liegnitz (poln. Legnica) zu schicken. Ob er dort das Schlossportal ausführte, muss offen bleiben. Zugleich war R. für die Brüder
Ernst und
Georg von Schleinitz auf Tollenstein (tschech. Tolštejn) und Schluckenau (tschech. Šluknov) sowie für Herzog
Karl von Münsterberg als Gutachter tätig. Dass R. auch in Breslau (poln. Wrocław) wirkte, bestätigen 1528, 1529 und 1530 an den Rat zu Breslau gerichtete Briefe. 1529 forderte der Stadtrat zu Posen (poln. Poznań) und 1537 der Rat zu Leitmeritz (tschech. Litomeřice) den Baumeister an. Die Quellen geben jedoch keine Informationen über R.s konkrete Bauprojekte. Von daher entbehrt die Zuschreibung aller frühen Renaissanceformen in Schlesien an R. einer wissenschaftlichen Grundlage; dies nicht nur wegen Unstimmigkeiten hinsichtlich der verschiedenen Steinmetzzeichen, sondern auch, weil die mit R. in Verbindung gebrachten Bauten und Bildhauerarbeiten in ihrer Ausführung, im Stil und im verwendeten Dekor erhebliche Unterschiede aufweisen. So reichen die wenigen gesicherten Bauten nicht aus, um R.s Anteil an der Durchsetzung der Renaissance in Schlesien und Görlitz abschließend bewerten zu können.
Werke Rathaus Tabor, Saal, 1516-1517; Nikolaikirche Görlitz, Turm, 1519; Schloss Gröditzberg, Saalbau, 1522; Haus Brüderstraße 11, Görlitz, 1547.
Literatur E. Wernicke, Wendel R., Meister zu Görlitz und in Schlesien 1518-1549, in: Neues Lausitzisches Magazin 73/1897, S. 242-289; J. Kębłowski, Wendel R. - z zagadnien zwiazków renesansu czeskiego i slaskiego, in: Biuletyn Historii Sztuki 18/1956, H. 3, S. 451-453; V. Kotrba, Baukunst und Baumeister der Spätgotik am Prager Hof, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 31/1968, S. 181-215; I. Arnold, Wendel R. der Ältere und die Renaissance in Görlitz, in: Denkmalpflege in Görlitz 8/1999, S. 4-9; I. Arnold-Geierhos, Wendel R. in den Akten und Annalen des Görlitzer Ratsarchivs, in: Denkmalpflege in Görlitz 10/2001, S. 4-9, 11/2002, S. 56-64; K. Kaczmarek-Patralska, Wendel R., in: A. Bartetzky (Hg.), Die Baumeister der „Deutschen Renaissance“, Beucha 2004, S. 17-43. – ADB 29, S. 263f.; DBA I, II, III; DBE 8, S. 406; Thieme/Becker, Bd. 29, Leipzig 1935, S. 76f.
Matthias Donath
21.8.2006
Empfohlene Zitierweise:
Matthias Donath, Artikel: Wendel Roskopf,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/3380 [Zugriff 22.12.2024].
Wendel Roskopf
Werke Rathaus Tabor, Saal, 1516-1517; Nikolaikirche Görlitz, Turm, 1519; Schloss Gröditzberg, Saalbau, 1522; Haus Brüderstraße 11, Görlitz, 1547.
Literatur E. Wernicke, Wendel R., Meister zu Görlitz und in Schlesien 1518-1549, in: Neues Lausitzisches Magazin 73/1897, S. 242-289; J. Kębłowski, Wendel R. - z zagadnien zwiazków renesansu czeskiego i slaskiego, in: Biuletyn Historii Sztuki 18/1956, H. 3, S. 451-453; V. Kotrba, Baukunst und Baumeister der Spätgotik am Prager Hof, in: Zeitschrift für Kunstgeschichte 31/1968, S. 181-215; I. Arnold, Wendel R. der Ältere und die Renaissance in Görlitz, in: Denkmalpflege in Görlitz 8/1999, S. 4-9; I. Arnold-Geierhos, Wendel R. in den Akten und Annalen des Görlitzer Ratsarchivs, in: Denkmalpflege in Görlitz 10/2001, S. 4-9, 11/2002, S. 56-64; K. Kaczmarek-Patralska, Wendel R., in: A. Bartetzky (Hg.), Die Baumeister der „Deutschen Renaissance“, Beucha 2004, S. 17-43. – ADB 29, S. 263f.; DBA I, II, III; DBE 8, S. 406; Thieme/Becker, Bd. 29, Leipzig 1935, S. 76f.
Matthias Donath
21.8.2006
Empfohlene Zitierweise:
Matthias Donath, Artikel: Wendel Roskopf,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/3380 [Zugriff 22.12.2024].