Max Pechstein
P. war Mitglied der Künstlergruppe „Brücke“ und gilt als ein bedeutender Vertreter des deutschen Expressionismus der ersten Generation. – P. besuchte 1888 bis 1896 die Bürgerschule in Zwickau. Anschließend begann er eine Maler- und Anstreicherlehre und ging 1900 nach Abschluss der Gesellenprüfung als Schüler von Wilhelm Kreis, Professor für Raumkunst, an die Kunstgewerbeschule nach Dresden. Nach erfolgreicher Beendigung seines dortigen Studiums wechselte P. 1903 als Meisterschüler von Otto Gussmann an die Königlich Sächsische Akademie der bildenden Künste. 1906 beteiligte er sich an der III. Deutschen Kunstgewerbeausstellung in Dresden, wo er von den Architekten William Lossow und Max Hans Kühne mit der Wanddekoration für einen Brunnen und für einen Altar beauftragt wurde; dafür entwarf er mehrere Wand- und Deckenbilder. Hier lernte er auch die Gründungsmitglieder der Künstlergemeinschaft „Brücke“ kennen und trat der Gruppe schon im Mai 1906 bei. Es folgten gemeinsame Atelier-Studien und P. stellte bereits im Herbst desselben Jahres gemeinsam mit der Gruppe in der Lampenfabrik von
Karl Max Seifert in Dresden-Löbtau aus. Im selben Jahr wurde ihm infolge einer Wettbewerbsbeteiligung der sächsische Staatspreis, der sog. Rompreis, zuerkannt, der mit einem akademischen Reisestipendium für vier Monate verbunden war. Zudem erhielt er einen ersten großen Auftrag zur Gestaltung der Glasfenster für das Eibenstocker Rathaus. Im Sommer 1907 wanderte er für Naturstudien mit Ernst Ludwig Kirchner nach Goppeln südlich von Dresden. Auch trieb er gemeinsam mit den „Brücke“-Künstlern seine Aktstudien voran. Ende September beendete P. sein Meisterstudium und löste im Anschluss daran seinen „Rompreis“ ein. Er begab sich auf eine Studienreise, die ihn zuerst nach Italien (Florenz, Ravenna, Rom, Castel Gandolfo) und schließlich nach Paris führte, wo er sich im Dezember 1907 für mehrere Monate niederließ. Hier wurde er erstmals mit Bildern der Künstlergruppe „Fauves“ konfrontiert, zu der er schließlich Kontakt aufnahm. Im August 1908 kehrte P. nach Deutschland zurück und eröffnete in Berlin sein erstes Atelier am Kurfürstendamm 152, wo er im Auftrag des Architekten
Bruno Schneidereit Fassaden- und Innendekorationen ausführte. Er wurde Mitglied der „Berliner Secession“ (1909) und beteiligte sich an deren Ausstellungen (u.a. mit „Das gelbe Tuch“, 1909). Die Sommermonate verbrachte er wiederholt im ostpreußischen Nidden (lit. Nida). Als seine Bilder 1910 von der „Berliner Secession“ abgelehnt wurden, gründete er mit Gleichgesinnten einen „Salon der Zurückgewiesenen“, der die Keimzelle der „Neuen Secession“ wurde, an deren Ausstellungen sich fortan auch die anderen „Brücke“-Künstler beteiligten. In den Sommermonaten 1910 besuchte P. zunächst Erich Heckel und Karl Schmidt-Rottluff in Dangast bei Varel, bevor er sich dann im Juli gemeinsam mit Heckel und Kirchner zu einem ausgedehnten Studienaufenthalt in Moritzburg zusammenfand. Im Frühjahr 1911 heiratete er
Charlotte Kaprolat, mit der er sich auf eine zweite Italienreise begab. Als die übrigen „Brücke“-Künstler auch nach Berlin übergesiedelt waren, gründete P. gemeinsam mit Kirchner das MUIM-Institut (Moderner Unterricht in Malerei), das jedoch wirtschaftlich scheiterte. 1912 stattete er den Speiseraum der Villa Perls, ein Werk des Architekten
Mies van der Rohe, mit Wandbildern aus; es folgten noch mehrere Ausstellungen mit der „Brücke“, u.a. gemeinsam mit dem „Blauen Reiter“ in München und in
Herwarth Waldens Berliner „Sturm“-Galerie. Als die „Brücke“ Ende 1912 aus der „Neuen Secession“ austrat, um fortan nur noch gemeinsam als Gruppe auszustellen, hielt sich P. jedoch nicht daran. Es kam zum Zerwürfnis und P. schied aus der Künstlergruppe aus. Ein Jahr später brach er zu seiner dritten Italienreise nach Florenz auf, um anschließend im Auftrag von
Walter Gropius nach Gent (Belgien) und kurz darauf in Begleitung von
Karl Ernst Osthaus nach Paris und Brüssel zu reisen. P. gelang es, mehrere Sammler zu gewinnen; es kam zu mehreren Bilderverkäufen. – 1914 reiste er mit seiner Frau in die Südsee auf die Palauinseln (pal. Belau). Nach seiner Rückkehr Ende 1915 wurde er in Zwickau zum Kriegsdienst eingezogen, der ihn an die Westfront nach Flandern führte. Bereits 1917 gelang es ihm mit Unterstützung von Freunden vorzeitig aus dem Kriegsdienst auszuscheiden und nach Berlin zurückzukehren. Von seinem Kunsthändler
Wolfgang Gurlitt wurde er beauftragt, Glasfenster und Mosaiken für dessen Wohnung zu schaffen. Als Bekenner zur Novemberrevolution gründete er 1918 mit
Heinrich Richter-Berlin,
Cesar Klein,
Georg Tappert,
Erich Mendelsohn,
Fritz Belling und
Moritz Melzer die „Novembergruppe“ und wurde als Mitbegründer des Arbeitsrats für Kunst aktiv. 1921 reiste er erstmals im Sommer nach Leba (poln. Łeba) in Pommern und gab Nidden als Sommerdomizil auf. Außerdem besuchte er ab 1922 mehrfach seinen Gönner und Förderer, den Arzt
Walter Minnich, in Montreux (Schweiz). Im Oktober 1922 wurde er zum Mitglied der Preußischen Akademie der Künste berufen. Im Jahr darauf lernte P. seine zweite Frau in Leba kennen, die er im September desselben Jahres heiratete und mit der er die Zeit bis zum Frühjahr 1925 überwiegend in der Schweiz und in Italien verbrachte. Danach lebte er bis zum Kriegsende zurückgezogen in Leba. 1945 erhielt er eine Professur an der Berliner Hochschule für Bildende Künste. 1952 wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. – P. nahm innerhalb der Künstlergruppe „Brücke“ eine Sonderstellung ein, da er als akademisch gebildeter Künstler von den Kunstkritikern schon sehr bald als deren erfolgreichstes Talent angesehen und mit Aufträgen bedacht wurde. Die frühe Übersiedlung P.s nach Berlin eröffnete den übrigen „Brücke“-Künstlern einen Zugang zur dortigen Kunstszene, der überaus wichtig für die Außenwirkung der Gruppe war. Mit der Gründung der „Neuen Secession“ 1910 in Berlin begann auch P.s Bestreben, eigene künstlerische Wege zu gehen, was schließlich 1912 zum endgültigen Bruch mit seinen ehemaligen Malerfreunden führte. Sein Stil wurde von der zeitgenössischen Kunstkritik oft im positiven Sinne als dekorativ wahrgenommen. Der Einfluss
Vincent van Goghs blieb für ihn lange bestimmend (z.B. „Das grüne Haus“, 1909). Seine Aktdarstellungen zeigen trotz der mitunter derben Formen eine sinnliche Ausstrahlungskraft (z.B. „Frauen im Grünen“, 1911). Neben der Aktmalerei interessierte ihn v.a. die Landschaft, so die seiner unmittelbaren Wohnumgebung in Nidden an der Kurischen Nehrung. Seine dort entstandenen Landschaftsbilder thematisieren die Auseinandersetzung des Menschen mit den Naturgewalten (z.B. „Das Rettungsboot“, 1913). – P.s Reise nach Palau 1914 führte ihn zu der Auseinandersetzung mit der Kunst der Naturvölker, wofür sich die Künstlergruppe schon in Dresden, angeregt durch die Besuche im Völkerkundemuseum, interessiert hatte. Sie wurde für die folgenden Jahre zur Grundlage seines weiteren künstlerischen Schaffens (z.B. „Palau-Triptychon“, 1917). Mit einem bewusst vereinfachten Malstil vermitteln P.s Bilder aus dieser Zeit den Eindruck von Primitivität. Seit den 1920er-Jahren trat dann der expressionistische Ausdruck seiner Gemälde zugunsten rhythmisch gegliederter dekorativer Kompositionen, besonders in den Landschaftsbildern, zurück.
Werke Die Quelle, 1906, Öl auf Leinwand, Privatbesitz; Das grüne Haus (Nidden), 1909, Öl auf Leinwand, Museum Ludwig, Köln; Zwei Mädchen, 1909, Öl auf Leinwand, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg; Das gelbe Tuch, 1909, Öl auf Leinwand, verschollen; Sitzendes Mädchen, 1910, Öl auf Leinwand, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie; Badende III, 1911, Holzschnitt, Privatbesitz; Frauen im Grünen, 1911, Öl auf Leinwand, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Galerie Neue Meister (Leihgabe); Fischerboote in Nidden, 1912, Öl auf Leinwand, Landesmuseum Oldenburg; Mutter und Kind, 1913, Bronze, Privatbesitz Berlin; Dorfszene auf Palau, 1914, Tusche, Privatbesitz; Palau-Triptychon, 1917, Öl auf Leinwand, Wilhelm-Hack-Museum Ludwigshafen; Lupow-Mündung, 1927, Öl auf Leinwand, Privatbesitz; Schriften: Max P., Erinnerungen, hrsg. von L. Reidemeister, Wiesbaden 1960 (ND Stuttgart 1993).
Literatur P. Fechter, Das graphische Werk Max P.s, Berlin 1921 (WV); M. Osborn, Max P., Berlin 1922; K. Lemmer (Hg.), Max P. und der Beginn des Expressionismus, Berlin 1949; L.-G. Buchheim, Die Künstlergemeinschaft „Brücke“, Feldafing 1956; B. Myers, Die Malerei des Expressionismus, Köln 1957; G. Krüger, Das druckgraphische Werk Max P.s, Tökendorf 1988 (WV); M. M. Möller (Hg.), Max P.: Sein malerisches Werk, Ausstellungskatalog, München 1997; B. Dalbajewa/U. Bischoff (Hg.), Die Brücke in Dresden 1905-1911, Ausstellungskatalog, Köln 2001; A. Soika, Max P. Das Werkverzeichnis der Ölgemälde, 2 Bde., München 2011. – DBA II, III; DBE 7, S. 586; NDB 20, S. 154-156; H. Vollmer (Hg.), Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler des 20. Jahrhunderts, Bd. 3, Leipzig 1956, S. 560f.; W. Stadler (Hg.), Lexikon der Kunst, Bd. 9, Erlangen 1994, S. 104f.; H. Olbrich (Hg.), Lexikon der Kunst, München 1996, Bd. 5, S. 489f.
Porträt Max P., A. Pisarek, 1946, Fotografie, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).
Konstanze Rudert
20.5.2016
Empfohlene Zitierweise:
Konstanze Rudert, Artikel: Max Pechstein,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/3109 [Zugriff 23.11.2024].
Max Pechstein
Werke Die Quelle, 1906, Öl auf Leinwand, Privatbesitz; Das grüne Haus (Nidden), 1909, Öl auf Leinwand, Museum Ludwig, Köln; Zwei Mädchen, 1909, Öl auf Leinwand, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg; Das gelbe Tuch, 1909, Öl auf Leinwand, verschollen; Sitzendes Mädchen, 1910, Öl auf Leinwand, Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie; Badende III, 1911, Holzschnitt, Privatbesitz; Frauen im Grünen, 1911, Öl auf Leinwand, Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Galerie Neue Meister (Leihgabe); Fischerboote in Nidden, 1912, Öl auf Leinwand, Landesmuseum Oldenburg; Mutter und Kind, 1913, Bronze, Privatbesitz Berlin; Dorfszene auf Palau, 1914, Tusche, Privatbesitz; Palau-Triptychon, 1917, Öl auf Leinwand, Wilhelm-Hack-Museum Ludwigshafen; Lupow-Mündung, 1927, Öl auf Leinwand, Privatbesitz; Schriften: Max P., Erinnerungen, hrsg. von L. Reidemeister, Wiesbaden 1960 (ND Stuttgart 1993).
Literatur P. Fechter, Das graphische Werk Max P.s, Berlin 1921 (WV); M. Osborn, Max P., Berlin 1922; K. Lemmer (Hg.), Max P. und der Beginn des Expressionismus, Berlin 1949; L.-G. Buchheim, Die Künstlergemeinschaft „Brücke“, Feldafing 1956; B. Myers, Die Malerei des Expressionismus, Köln 1957; G. Krüger, Das druckgraphische Werk Max P.s, Tökendorf 1988 (WV); M. M. Möller (Hg.), Max P.: Sein malerisches Werk, Ausstellungskatalog, München 1997; B. Dalbajewa/U. Bischoff (Hg.), Die Brücke in Dresden 1905-1911, Ausstellungskatalog, Köln 2001; A. Soika, Max P. Das Werkverzeichnis der Ölgemälde, 2 Bde., München 2011. – DBA II, III; DBE 7, S. 586; NDB 20, S. 154-156; H. Vollmer (Hg.), Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler des 20. Jahrhunderts, Bd. 3, Leipzig 1956, S. 560f.; W. Stadler (Hg.), Lexikon der Kunst, Bd. 9, Erlangen 1994, S. 104f.; H. Olbrich (Hg.), Lexikon der Kunst, München 1996, Bd. 5, S. 489f.
Porträt Max P., A. Pisarek, 1946, Fotografie, Sächsische Landesbibliothek - Staats- und Universitätsbibliothek Dresden, Abteilung Deutsche Fotothek (Bildquelle).
Konstanze Rudert
20.5.2016
Empfohlene Zitierweise:
Konstanze Rudert, Artikel: Max Pechstein,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/3109 [Zugriff 23.11.2024].