Margarethe Sibylle von Löser

Margarethe Sibylle von Löser entstammte mit der Familie von Einsiedel einer der einflussreichsten Adelsfamilien Kursachsens und galt als eine der gebildetsten Frauen ihrer Zeit. Zeitgenossen berichteten, dass sie neben ihrer Muttersprache die hebräische, die griechische, die lateinische und die italienische Sprache beherrschte. Sie schrieb Gedichte und verfasste Betrachtungen zur Theologie sowie geistliche Andachten. Ein von ihr in lateinischer Sprache verfasstes Prosawerk mit dem Titel „Politica Christiana“ wurde mehrfach erwähnt. Von diesem Werk ist jedoch bisher keine Abschrift und auch kein Druck bekannt. Löser wurde für ihre juristischen Kenntnisse sowie für ihr Wissen in der Mathematik und in der Astronomie gerühmt. Sie galt als sehr gute Kennerin des medizinischen Werks von Daniel Sennert und korrespondierte mit Jacob Jodocus Raabe, dem herzoglichen Hof- und Leibarzt in Altenburg und später in Gotha, über ihre medizinischen und chemischen Experimente mit Arzneimitteln und über ihre Beobachtungen zu deren Wirkungen. – Zu den wenigen heute noch bekannten Werken Lösers gehören zwei 1663 in Altenburg gedruckte Gedichte, eines in deutscher und eines in lateinischer Sprache. Diese Gedichte verfasste die damals zwanzig Jahre alte Witwe nach dem Tod ihres Mannes Rudolf von Bünau zum Begräbnis der im Kindbett verstorbenen Anna Sibylla von Löser, Ehefrau Kurt von Lösers. Dieser, wie ihr erster Ehemann ein Cousin Lösers, sollte später auch ihr zweiter Ehemann werden. Die Gedichte verdeutlichen ihre stilistische Differenziertheit und zeichnen aufgrund der darin enthaltenen Hinweise auf die Werke von Seneca, Plinius dem Älteren, Aristoteles und Plutarch auch ein Bild der Bandbreite ihrer Lektüre. Das Verfassen von Trauergedichten in Leichenpredigten war damals eine Möglichkeit für Frauen, im kirchlich-kulturellen Bereich eine selbstständige Schreibtätigkeit zu entwickeln. – Lösers Interesse an den Wissenschaften und ihre dichterischen Aktivitäten waren nicht nur ihrem direkten Umfeld bekannt. So widmeten 1671 Johann Sauerbrei und Jacob Schmaltz ihre akademische Streitschrift über die Bildung von Frauen Löser und der ebenfalls hochgebildeten Henriette Katharina von Gersdorf. Die Streitschrift war Teil der zeitgenössischen Diskurse um die Stellung und Würde der Frau, der sog. Querelle des femmes. In diesen Diskursen wurden der Annahme einer geistigen Unterlegenheit der Frau Beispiele gebildeter, ja sogar gelehrter Frauen gegenübergestellt. Diese wurden als Quelle patriotischen Stolzes betrachtet, doch war ein berufliches Wirken in der Öffentlichkeit, etwa in Disputationen oder im Rahmen von Vorträgen, undenkbar. Ergänzt wurde diese Streitschrift durch eine Liste von Namen gelehrter Frauen. Sauerbrei und der Altenburger Schmaltz, der als Sohn des damaligen Archidiakons in Altenburg, Magnus Schmaltz, Löser, die zeitweise auf dem Gut Syhra bei Altenburg lebte, möglicherweise persönlich kannte, beschrieben diese als eine äußerst gelehrte, in den drei Fachgebieten Theologie, Jurisprudenz und Medizin sehr bewanderte Frau. Sie bezeichneten die zweifache Witwe als „Misnica Minerva“, also „Meißnische Minerva“. Auch Johann Friedrich Heckel lobte die Weisheit Lösers und titulierte sie 1688 im Widmungstext seiner Rede als Minerva, die römische Göttin der Weisheit und der schönen Künste. Diese Rede widmete er nicht nur Löser, sondern auch der Kirchenlieddichterin Aemilie Juliane von Schwarzburg-Rudolstadt. – Das außerordentlich gute Gedächtnis wie auch die umfangreichen medizinischen Erfahrungen Lösers wurden 1676 in einer Schrift des Arzts Tobias Vogel beispielhaft erwähnt. – Die astronomischen Kenntnisse Lösers wurden 1672 mit der Widmung der Dissertation „De Pogoniis“ von Johannes Riemer und Kilian Rauscher sowie 1686 in einer weiteren Dissertation über gelehrte Frauen der Autoren Johann Pasch und Johann Andreas Planer gerühmt. Diese schrieben, dass Löser selbst an den schwierigsten Themen sehr interessiert sei und gelernt habe, in der Astronomie Kreise und Punkte anstelle der mühsamen Berechnungen zu verwenden. Zudem wurde Löser, die Mutter von drei eigenen sowie Stiefmutter von sechs weiteren Kindern ihres früh verstorbenen zweiten Ehemanns war, hier als sächsische „Cornelia“ gepriesen, also als eine Frau, die sich in herausragender Weise ihren mütterlichen Pflichten gewidmet habe. In dieser Dissertation ist zudem ein Beitrag ihres Sohns Magnus von Löser, damals Respondent an der Universität Wittenberg, enthalten. – Auch in einem 1674 gedruckten Katalog gelehrter Frauen, der Teil der Leichenpredigt auf die verstorbene Witwe eines Altenburger Juristen war, wurde Löser als Beispiel genannt. Dieser Katalog hatte die Besonderheit, dass er, anders als die lateinischen Kataloge in Dissertationen, in deutscher Sprache geschrieben worden und somit für die Altenburger Frauen höheren Stands und auch für weitere Personen, die kein Latein verstanden, zugänglich war. – 1676 kaufte Löser das Rittergut Klöden südöstlich von Wittenberg von Christian Ernst von Kanne für ihren jüngeren Sohn Magnus. Neben der Verwaltung des Guts befasste sie sich auch mit der Renovierung der Kirche „Zum Heiligen Kreuz“ in Klöden und der Wiederherstellung der im Dreißigjährigen Krieg beschädigten Inneneinrichtung. Sie stiftete eine neue Kanzel und einen hölzernen Altaraufsatz. Auf der Rückseite des Retabels befindet sich ein von Löser verfasstes Gedicht. Dieses, „zum steten Andenken“ zu lesen, endet mit den Zeilen: „Dann kombt zum Erlöser hin, die erlöste Löserin“. Christoph Nicolai, Pfarrer und Superintendent, ließ das Gedicht mit seiner Predigt, die er zur Einweihung 1684 gehalten hatte, 1686 in Wittenberg drucken und widmete Löser sowie ihren Söhnen Heinrich und Magnus diese Schrift. – 1690 starb Löser mit 47 Jahren. Auch nach ihrem Tod wurde sie in Dissertationen, in Lexika, Katalogen und anderen Schriften als gelehrte Frau und Dichterin beschrieben. Sie war weiterhin ein Vorbild für schreibende und an Wissenschaften interessierte Frauen.

Quellen Johann Sauerbrei/Jacob Schmaltz, Diatriben Academicam De Foeminarum Eruditione …, Leipzig 1671; Magnus Schmalz, Christus ecclesiae et viduarum maritus …, Altenburg 1674; Johannes Riemer/Kilian Rauscher, De Pogoniis, Jena 1672; Tobias Vogel, Mnemosynologia, Sive De Memoria Libellus Medicus Theoretico-Practicus …, Jena 1676; Christoph Nicolai, Die überaus grosse und reiche Barmherzigkeit Gottes, Wittenberg 1686; Johann Pasch/Andreas Planer, Gynaeceum Doctum, Wittenberg 1686; Johann Friedrich Heckel, Dissertatiuncula Mythologico-Philologica De Minerva, Rudolstadt 1688.

Werke Mit-traurender Cypressen-Zweig / über den allzufrühen; doch seligen … Abtritt … Fr. Anna Sibyllen Löserin/ gebohrner Körbitzin, Altenburg 1663; Unglück hat / als ich gebohren / mich zur Einsamkeit erkohren …, in: Christoph Nicolai, Die überaus grosse und reiche Barmhertzigkeit Gottes, Wittenberg 1686.

Literatur Walther Fischer, Löser, Hans Graf von, in: ADB 15, S. 66; Anna Carrdus (Hg.), Das „weiblich Werk“ in der Residenzstadt Altenburg (1672-1720). Gedichte und Briefe von Margaretha Susanna von Kuntsch und Frauen in ihrem Umkreis, Hildesheim/Zürich/New York 2004; Heide Wunder, „Gelehrte Frauen“ im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation: Res publica christiana, res publica litteraria und literarische Öffentlichkeit in der Frühen Neuzeit, in: Trude Maurer (Hg.), Der Weg an die Universität: Höhere Frauenstudien vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert, S. 48-69.

Sinikka Gusset-Bährer
9.12.2025


Empfohlene Zitierweise:
Sinikka Gusset-Bährer, Artikel: Margarethe Sibylle von Löser,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/29432 [Zugriff 20.12.2025].

Margarethe Sibylle von Löser



Quellen Johann Sauerbrei/Jacob Schmaltz, Diatriben Academicam De Foeminarum Eruditione …, Leipzig 1671; Magnus Schmalz, Christus ecclesiae et viduarum maritus …, Altenburg 1674; Johannes Riemer/Kilian Rauscher, De Pogoniis, Jena 1672; Tobias Vogel, Mnemosynologia, Sive De Memoria Libellus Medicus Theoretico-Practicus …, Jena 1676; Christoph Nicolai, Die überaus grosse und reiche Barmherzigkeit Gottes, Wittenberg 1686; Johann Pasch/Andreas Planer, Gynaeceum Doctum, Wittenberg 1686; Johann Friedrich Heckel, Dissertatiuncula Mythologico-Philologica De Minerva, Rudolstadt 1688.

Werke Mit-traurender Cypressen-Zweig / über den allzufrühen; doch seligen … Abtritt … Fr. Anna Sibyllen Löserin/ gebohrner Körbitzin, Altenburg 1663; Unglück hat / als ich gebohren / mich zur Einsamkeit erkohren …, in: Christoph Nicolai, Die überaus grosse und reiche Barmhertzigkeit Gottes, Wittenberg 1686.

Literatur Walther Fischer, Löser, Hans Graf von, in: ADB 15, S. 66; Anna Carrdus (Hg.), Das „weiblich Werk“ in der Residenzstadt Altenburg (1672-1720). Gedichte und Briefe von Margaretha Susanna von Kuntsch und Frauen in ihrem Umkreis, Hildesheim/Zürich/New York 2004; Heide Wunder, „Gelehrte Frauen“ im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation: Res publica christiana, res publica litteraria und literarische Öffentlichkeit in der Frühen Neuzeit, in: Trude Maurer (Hg.), Der Weg an die Universität: Höhere Frauenstudien vom Mittelalter bis zum 20. Jahrhundert, S. 48-69.

Sinikka Gusset-Bährer
9.12.2025


Empfohlene Zitierweise:
Sinikka Gusset-Bährer, Artikel: Margarethe Sibylle von Löser,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/29432 [Zugriff 20.12.2025].