Bernhard Moßdorf

Bernhard Moßdorf setzte sich als einer der ersten sächsischen Demokraten für die Volkssouveränität, die Beschränkung monarchischer Befugnisse und die Abschaffung des Adels ein. Sein 1831 erstellter Verfassungsentwurf scheiterte an den damaligen Machtverhältnissen, nahm aber die künftige konstitutionelle Entwicklung Sachsens in vieler Hinsicht vorweg. – Moßdorf wuchs in einer Beamtenfamilie auf. Sein Vater, Friedrich Moßdorf, war seit 1784 Hof- und Justizkanzleisekretär in der Landesregierung und engagierte sich als Freimaurer für aufgeklärte Reformen in der Freimaurerei, wodurch er in Konflikt mit konservativen Logenkreisen geriet. Moßdorfs älterer Bruder Theodor wurde Arzt und heiratete 1822 eine Tochter Samuel Hahnemanns, des Begründers der Homöopathie. Schulunterricht erhielt Moßdorf an der Privatschule von Christian Friedrich Sauer in Dresden und ab 1816 an der Landesschule Meißen. In Meißen begehrte der talentierte und aufgeweckte Moßdorf gegen die strenge Schulddisziplin sowie die Grobheiten eines Hilfslehrers auf und wurde im Juni 1818 von der Schule verwiesen. Auf Gesuch seines Vaters wurde ihm gestattet, die Reifeprüfung extern abzulegen (was beim Rektor der Dresdner Kreuzschule Christian Ernst August Gröbel erfolgte) und anschließend an der Universität Leipzig zu studieren. Dort sollte er allerdings zu einem ordnungsgemäßen Verhalten ermahnt und entsprechend beaufsichtigt werden. Moßdorf schrieb sich im Oktober 1818 in die Leipziger Matrikel ein und begann ein Jurastudium. Im Juni 1820 erhielt er wegen Mitgliedschaft in der Landsmannschaft Montania eine achttägige Karzerstrafe und anschließend mit sechs Kommilitonen das Consilium abeundi (Ausweisung aus Leipzig). Im Oktober 1820 durfte er zurückkehren, musste aber versprechen, keiner verbotenen Studentenverbindung mehr beizutreten. Wegen der in diesem Fall angedrohten sofortigen Relegation (Verweisung von der Hochschule) schloss sich Moßdorf - anders als bisher vermutet - wohl nicht der deutschen Burschenschaft bzw. dem 1821 entstehenden Bund der Jünglinge an. Die Möglichkeit eines aktiven Eintretens für seine freiheitlichen Ideale ergab sich, als der Leipziger Professor Wilhelm Traugott Krug im April und nochmals im August 1821 zur Unterstützung des griechischen Befreiungskampfs gegen die Türken aufrief. Wohl Ende August brach Moßdorf gemeinsam mit dem Theologiestudenten Heinrich Albert Troppaneger nach Griechenland auf, erreichte im November die Peloponnes und schloss sich dort der Armeeeinheit des Fürsten Dimitrios Ypsilantis an. Er nahm an kleineren Gefechten teil, war aber bald von den rauhen, chaotischen Verhältnissen vor Ort sowie der fehlenden Unterstützung der europäischen Freiwilligen enttäuscht. Im Februar 1822 verließ er mit Troppaneger sowie dem nordfriesischen Dichter und Maler Harro Harring Griechenland, weilte einige Zeit in Italien (u.a. in Rom) und traf Anfang Juni in Dresden ein. Bis Ostern 1823 blieb Moßdorf dort, kehrte dann an die Universität Leipzig zurück und legte im Januar 1824 sein Juristenexamen ab. Anfang 1825 begann er bei dem Dresdner Advokaten August Theodor Kunze die vorgeschriebene Übungszeit für die juristische Praxis, obwohl ihn eine Berufslaufbahn als Anwalt offenbar wenig reizte. Bereits 1824 plante Moßdorf, erneut nach Griechenland zu gehen. Im Mai 1825 trat er die Reise an, musste sie aber aus gesundheitlichen Gründen in der Nähe von Luzern (Schweiz) abbrechen und nach Dresden zurückkehren. Sein progriechisches Engagement setzte er in privaten Zirkeln sowie durch Übersetzungen und Zeitschriftenartikel fort. Zugleich schloss er nun die juristische Ausbildung ab, legte im August 1827 bei der Landesregierung die geforderten Probeschriften vor und wurde im Januar 1828 als Advokat zugelassen. Wie sich Moßdorfs Anwaltspraxis entwickelte, ist nicht bekannt; später wurde von den Behörden ein eher geringer Geschäftsumfang vermutet. Dem Briefverkehr mit dem Leipziger Juristen und Philhellenen Theodor Kind ist zu entnehmen, dass Moßdorf an zeitpolitischen Fragen interessiert blieb und weiterhin einem radikalen Liberalismus zuneigte. Mit den politischen und sozialen Verhältnissen in Deutschland bzw. Sachsen war er unzufrieden und hielt zu ihrer Veränderung den Einsatz von Gewalt für zulässig. Den Ausbruch revolutionärer Unruhen in Sachsen im September 1830 hat Moßdorf sicher begrüßt, zumal sich für ihn nun ein politisches Betätigungsfeld eröffnete. V.a. galt dies für den Dresdner Bürgerverein, der Ende 1830, nach der Auflösung der Dresdner Nationalgarde, als Sammelbecken politisch unzufriedener Handwerker und Kleinbürger entstand. Zusammen mit dem Nudelfabrikanten Anton Bertoldy führte Moßdorf den Bürgerverein in eine demokratisch-revolutionäre Richtung und arbeitete als Alternative zu dem von den Landständen Anfang März 1831 vorgestellten Verfassungsentwurf eine „Constitution, wie sie das sächsische Volk wünscht“ aus. Neben den allgemeinen bürgerlichen Freiheitsrechten enthielt sie das Prinzip der Volkssouveränität, das allgemeine Wahlrecht, das Einkammerparlament, die Abschaffung adliger Privilegien und der Feudallasten, die Trennung von Staat und Kirche sowie die Gleichheit vor dem Gesetz. Ferner sah sie ein künftiges Aufgehen Sachsens in einem deutschen Nationalstaat vor. Den Schritt zur republikanischen Regierungsform vollzog Moßdorf noch nicht, doch wollte er die politischen Befugnisse des Königs so weit einschränken, dass man von einer parlamentarischen Monarchie sprechen kann. Während Moßdorf mit seinen radikal-demokratischen Vorstellungen im Bürgerverein viel Anklang fand, sah die sächsische Regierung in seinem Verfassungsentwurf eine staatsgefährdende Schrift und in den Aktivitäten des Dresdner Bürgervereins verbrecherische politische Umtriebe. Mitte April 1831 ließ sie den Verein mit militärischer Gewalt auflösen und mehrere Mitglieder verhaften, darunter Bertoldy und Moßdorf. Als politische Führer des Vereins wurden beide nach einer gerichtlichen Untersuchung zu 15 Jahren Gefängnis auf der Festung Königstein verurteilt. Dort trafen sie Anfang September 1831 ein und wurden strikt voneinander getrennt in Einzelhaft untergebracht. Die anfängliche Hoffnung auf baldige Amnestie oder Strafverkürzung erfüllte sich nicht, sodass die entmutigende Aussicht auf eine lange, zermürbende Gefangenschaft schwer auf ihnen zu lasten begann. Nach einem im März 1833 unternommenen, erfolglosen Ausbruchsversuch nahm sich Bertoldy in der Nacht vom 4. zum 5.9. das Leben. Moßdorf, der sich gegen die schikanösen Haftbedingungen mehrfach zur Wehr gesetzt hatte, wurde nach einem im September 1833 gescheiterten Fluchtversuch am 13.11. in die ehemalige Zelle Bertoldys gebracht, wo er in der Nacht vom 14. zum 15.11. in gleicher Weise wie dieser aus dem Leben schied. Nicht zuletzt wegen dieser auffälligen Übereinstimmung wurde später eine Fremdeinwirkung bei Moßdorfs Tod vermutet, doch erbrachte eine 1848 durchgeführte amtliche Untersuchung dafür keinen Beweis.

Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 10034 Kommission zur Untersuchung der Aprilunruhen in Dresden, Nr. 31, 32, 11023 Appellationsgericht Dresden, Nr. 2096.

Werke Herrn Professor Benjamin Gotthold Weiske bei seinem Abschiede von Meissen hochachtungsvoll gewidmet, Meißen 1818; Constitution, wie sie das sächsische Volk wünscht, Dresden 1831.

Literatur Karl Fuchs, Advokat Moßdorf’s und Nudelmüller Bertholdy’s Gefangenschaft und Tod. Nach den besten Quellen und der Wahrheit getreu, Dresden 1848; Reiner Groß, Ein königlich sächsischer Mordfall. Exekution des revolutionären Demokratismus, in: Helmut Bock (Hg.), Unzeit des Biedermeiers. Historische Miniaturen zum Deutschen Vormärz 1830 bis 1848, Leipzig/Jena/Berlin 1985, S. 64-71; Adrian Dautz, „Constitution, wie sie das sächsische Volk wünscht“. Der Verfassungsentwurf des Rechtsanwaltes Bernhard Moßdorf - die demokratische Alternative, in: Sächsische Heimatblätter 37/1991, H. 4, S. 202-204; ders., Bernhard Moßdorfs radikal-demokratischer Verfassungsentwurf, in: Dresdner Hefte 26/1991, S. 41-46; Volker Ruhland, Bernhard Moßdorf (1802-1833). Vom Burschenschaftler zum Demokraten, in: Sächsische Heimat 38/1992, H. 7, S. 176-183.

Jörg Ludwig
10.6.2024


Empfohlene Zitierweise:
Jörg Ludwig, Artikel: Bernhard Moßdorf,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/2928 [Zugriff 21.12.2024].

Bernhard Moßdorf



Quellen Sächsisches Staatsarchiv - Hauptstaatsarchiv Dresden, 10034 Kommission zur Untersuchung der Aprilunruhen in Dresden, Nr. 31, 32, 11023 Appellationsgericht Dresden, Nr. 2096.

Werke Herrn Professor Benjamin Gotthold Weiske bei seinem Abschiede von Meissen hochachtungsvoll gewidmet, Meißen 1818; Constitution, wie sie das sächsische Volk wünscht, Dresden 1831.

Literatur Karl Fuchs, Advokat Moßdorf’s und Nudelmüller Bertholdy’s Gefangenschaft und Tod. Nach den besten Quellen und der Wahrheit getreu, Dresden 1848; Reiner Groß, Ein königlich sächsischer Mordfall. Exekution des revolutionären Demokratismus, in: Helmut Bock (Hg.), Unzeit des Biedermeiers. Historische Miniaturen zum Deutschen Vormärz 1830 bis 1848, Leipzig/Jena/Berlin 1985, S. 64-71; Adrian Dautz, „Constitution, wie sie das sächsische Volk wünscht“. Der Verfassungsentwurf des Rechtsanwaltes Bernhard Moßdorf - die demokratische Alternative, in: Sächsische Heimatblätter 37/1991, H. 4, S. 202-204; ders., Bernhard Moßdorfs radikal-demokratischer Verfassungsentwurf, in: Dresdner Hefte 26/1991, S. 41-46; Volker Ruhland, Bernhard Moßdorf (1802-1833). Vom Burschenschaftler zum Demokraten, in: Sächsische Heimat 38/1992, H. 7, S. 176-183.

Jörg Ludwig
10.6.2024


Empfohlene Zitierweise:
Jörg Ludwig, Artikel: Bernhard Moßdorf,
in: Sächsische Biografie, hrsg. vom Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde,
https://saebi.isgv.de/biografie/2928 [Zugriff 21.12.2024].